Dietmar N. Schmidt: Und was ist das? Boris Nieslony: Treffer Jürgen Fritz: Vortragsperformance Johan Lorbeer: Shaolinübung für Performancekünstler DIETMAR N. SCHMIDT Kunst. Und Kunst ist Kunst (manchmal auch nicht). Müssen wir sie schon wieder erklären? Was eine Performance ist und 35 Performance-Ereignisse sind, wenigstens doch. Performance heißt, schlicht deutsch übersetzt, Aufführung, Vorstellung; das Wort Performance ist aber auch ein Begriff - ist kunstgeschichtlich, ist vielleicht noch, vielleicht wieder aktuell. Das herauszufinden, besser, darzulegen und interessant zu machen, wurde zum Antrieb für eine Veranstaltungsreihe mit 35 Performance-Ereignissen, Performance-Abenden (jeder einzelne bestehend aus bis zu acht Akten) in sechs Städten zwischen Mitte März und Ende November. Nach englischem Wortgebrauch, wortwörtlich also kann eine Performance alles mögliche sein, ein Ballett oder Drama, Oper oder Musical; ein Kunststück jedenfalls, das im Gegensatz zur Kunst, die sich die bildende nennt, in einer bestimmten Zeit geschieht. Eine Performance im Sinne einer kunstgeschichtlichen, zeitgenössischen Gattung unterscheidet sich davon erheblich. Weswegen wir sie hier auch zur Verdeutlichung ein wenig tautologisch als Performance-Art ausgeben. Und sie ist in der Regel vieles und alles zugleich: ein Stück bildender Kunst, die durch Musik, durch Gesten, Gebärden, Posen in der Zeit bewegt wird oder auch zum Stillstand kommt; ein - ach du liebe Zauberformel - spartenübergreifender Vorgang, bei dem sich der Künstler (Autor, Urheber, Produzent oder welche Funktion man auch sonst mit ihm ausdrücken mag) traditionsgemäß vielfach selbst als Material einbringt: so konkret ideelle Positionen markierend, aufspürend. Was davon international zu Bedeutung gekommen und über die Tradition hinaus als Fortentwicklung, als Avantgarde zu begreifen ist, werden wir im nächsten halben Jahr ausführlich erfahren - und allen komplizierten, mehr oder minder geistreichen Erklärungen zum Trotz immer gewiß auch dies: Kunst ist Kunst und eine Performance eine Performance. Dietmar N. Schmidt The Culture of Performance Art:: Immer da, wo Künstler an die gesuchten Grenzen ihres Metiers, ihrer Sparte stoßen, sei es Tanz, Theater, Literatur, Musik oder Bildende Kunst, zielen sie auf etwas Anderes, auf etwas Neues. Alle Sparten der Künste haben eine Folgerichtigkeit, eine Geschichte der Weltbilder und Wertesysteme, auf die sie verweisen. Es waren meistens bildende Künstler, die in diesem Jahrhundert eine Sprache der Bilder zwischen den Sparten gründeten. Die Bezeichnungen, die für diese Art der Sprache und Darstellung getroffen wurden, sind meistens als Kunststile in die Geschichte der Kunst eingegangen. DADA, Fluxus, Happening, Body-Art etc., sie waren die Treffer. In der Sprache der PERFORMANCE-ART ist jeder Entwurf eines Weltbildes Gestaltung, Identität und möglicherweise seine Verwerfung zugleich: Die Performance ist in einem Zeitverlauf, der Jetzt genannt wird, ein komplexes Spiel des Zusammenwirkens verschiedenster Medien. Der geneigte Zuschauer kann an dem Entwurf eines Weltbildes, einer Idee, ihrer Ausbildung und ihrer Verwerfung direkt betrachtend anteilnehmen. Dies ist bei jeder Performance grundsätzlich anders, was in der Natur der Weltbilder liegt. Die können sich ähneln, sind jedoch bei jedem Menschen einmalig, womit wieder ein anderer Faktor der PERFORMANCE-ART ins Spiel kommt. Sie hat Sprachcharakter und entzieht sich durch ihre Lebendigkeit einer schnellen Stilbildung. Die Verwerfung verweist auf Wertesysteme und entzieht damit den Boden zu einer Ideologiebildung. PERFORMANCE-ART ist ein offenes Kultursystem, da es aus allen Kunst- und
Kultursparten gespeist wird und auf diese zurück wirkt. Die Denkbewegungen, die zu dem
Entstehen eines Bildes führen, werden direkt geäußert und wirken gleichzeitig auf den
Künstler und den Betrachter. Die Weltbilder, die bei Performance-Art zur Darstellung
kommen, benötigen keine Abbilder, keine Umwege mehr, sie sind motivlos. Damit erfüllen
sie auch die ursächlichen Wünsche der klassischen Künste, oder wie Kleist im Essay Über
das Marionettentheater schreibt: JOHAN LORBEER Sehr verehrte Damen und Herren - ' - ich bin von den Organisatoren dieser zweiten Performancekonferenz hier in Köln aufgefordert worden heute einen Vortrag zum Thema performance zu halten - ' - ursprünglich hatte ich die Absicht über die finanzielle Situation des Performancekünstlers in der BRD zu sprechen aber die inhaltlichen Vorbereitungen zu diesem Thema waren derart deprimierend dass ich schliesslich von diesem Vorhaben Abstand nehmen musste - ' - stattdessen ein etwas neutraleres Thema - ' - die Gedanken dazu habe ich auf knapp fünf Schreibmaschinenseiten zusammengeschrieben - ' - da mir die sprachliche Eloquenz und die Kaltschnäuzigkeit zu einer freien Rede fehlen habe ich diese fünf Seiten auswendig gelernt - ' - mit diesem Auswendiggelernten biete ich ihnen und mir die Illusion der freien Rede - ' - die Illusion der freien Rede dauert achtzehn Minuten und beginnt mit dem Titelsatz - ' - Shaolinübung für Performancekünstler - ' - zwischen dem Begriff performance also die Kunst der öffentlichen Selbstdarstellung und dem Begriff Shaolin also die die Kunst der Selbstverteidigung gibt es erstmal einen grundsätzlichen Unterschied denn das Shaolin hat einen traditionell festgelegten Kanon an Bewegungsabläufen denen sich jeder Shaolinübende gleichermassen unterziehen muss während eine performance die individuell gestaltete oder spontane Abfolge von Situationen ist - ' - von daher gibt also es erstmal einen grundsätzlichen Unterschied allerdings gibt es auch einige Berührungspunkte auf die ich unteranderem eingehen werde - ' - in der Theorie des Shaolin gibt es den Ausdruck - ' - HU SHIAN - ' - wörtlich übersetzt - ' - der Schatten des Tigers - ' - darunter versteht der Shaolinübende eine Art imaginäres Bewegungsmuster das jeder tatsächlichen Bewegung vorausgeschickt wird - ' - also - ' - sich ein Bild machen von einem konkreten Bewegungsablauf und diesen dann konkret in die Tat umsetzen - ' - das mache ich als Performancekünstler ja auch - ' - es gibt in meinem Alltag zwischen Geschirrspülen und Babywindeln kurze traumartige Zustände die ich ab und zu praktisch in die Tat umsetzen möchte - ' - wenn ein Künstler sich selbst also seinen eigenen Körper zum Bestandteil seiner künstlerischen Formulierungen macht dann geht er ein spezielles Risiko ein denn da performance ein zeitabhängiges und in der Öffentlichkeit geschaffenes Kunstwerk ist bedeutet es daß jeder Fehler und jede Korrektur die ein Performancekünstler macht gleichermassen zeitgleich vom Betrachter auch registiert wird - ' - es gibt Performancekünstler die behaupten dass sie während ihrer öffentlichen Darbietung in der Lage sind aus sich herauszutretten - ' - neben sich zu stehen - ' - sich zu betrachten während sie etwas tun also eine Art öffentliche Doppelexistenz führen und das gerade dieser Zustand ihrer öffentlichen Spiegelexistenz ihr ganz persönlicher Emotionskick bei ihren performances ist - ' - der Begriff Shaolin bezieht sich auf das chinesischen Kloster SHAOLIN ZSE was soviel heisst wie - ' - das Kloster im jungen Birkenwald - ' - dort lebte vor zweitausendfünfhundert Jahren ein Mönch namens TA MOH und dieser Mönch lehrte seinen Kollegen allgemeine gymnastische Übungen zum Ausgleich für die oft langanhaltenden Meditationen - ' - da nun dieses Kloster zu jener Zeit des öfteren zum Opfer lokaler kriegerischer Auseinandersetzungen wurde und die Mönche auf Grund eines Gelübtes keine Waffen tragen durften trotzdem ihr Kloster verteidigen wollten entwickelten sie aus diesen allgemeinen gymnastischen Übungen die erste Form der körperlichen Selbstverteidigung die unter dem Namen Shaolin bekannt wurde - ' - all die Formen von Selbstverteidigung die wir heute kennen angefangen von Aikido bis hin zu Hardcore Kong Fu haben ihren Ursprung im Shaolin - ' - der Mönch TA MOH hat in seinem letzten Lebensjahrzehnt zwei Bücher über die Kunst der Selbstverteidigung geschrieben das erste Buch hat den Titel - ' - ABHANDLUNG ÜBER DIE BEWEGUNG DER KLEBENDEN HÄNDE - ' - das zweite Buch hat den Titel - ' - ABHANDLUNG ÜBER DIE WÄSCHE DES KNOCHENMARKS - ' - sehr verehrte Damen und Herren es gibt auch Performancekünstler die behaupten dass sie nicht nur in der Lage sind während ihrer öffentlichen Darbietung aus sich herauszutretten und sich selbst zu betrachten sondern darüber hinaus auch in der Lage sind in den Anderen - ' - in den Betrachter - ' - einzutauchen - ' - sich mit ihm zu identifizieren - ' - in die Gefühlswelt des Betrachters einzudringen um dann schliesslich wieder aus ihm auszusteigen und das gleiche Spiel mit dem nächsten Betrachter zu spielen so wie der Missionar - ' - der ist zwar bescheiden aber wenn es um die Taufe seiner frischen Heiden geht sehnt er sich danach mit ihnen zu verschmelzen um sich dadurch selbst jedes Mal aufs Neue mittaufen zu können - ' - das ist sein autistischer Gefühlskick - ' - ich habe nicht die Absicht während meiner performances aus mir herauszutretten und neben mir zu stehen ich habe nicht die Absicht in die Gefühlswelt des Betrachters einzudringen ich bin der Meinung das es zwischen dem Kunstwerk und dem Betrachter eine möglichst grosse Distanz geben sollte den Distanz ist die Voraussetzung dafür das sich beide - ' - Betrachter und Kunstwerk - ' - mit Respekt und ohne Vorurteile gegenseitig annähern können wenn ich mir eine öffentliche Darbietung ansehe und der öffentlich tätige Künstler gibt mir auf irgendeine Art zu verstehen dass er in mich oder ich in ihn eintauchen und verschmelzen sollte das wir doch ALLE EINS sind eine grosse Familie in der wir uns gegenseitig unsere Gefühle Phantasien und Probleme mitteilen können nach dem Motto EVERYBODY CLAP YOUR HANDS - ' - dann werde ich versuchen mich dieser Darbietung zu entziehen - ' - die einfachste Variante sich in die Gefühlwelt des Betachter einzuhacken ist die öffentliche Präsentation des eigenen körperlichen Schmerzes - ' - ich habe vor zwei Jahren in Hamburg eine performance gesehen da hat sich der darbietende Künstler in der kunstinteressierten Öffentlichkeit mit einem Rasiermesser die Stirn aufgeschnitten - ' - und die Backen - ' - er hat geblutet wie verrückt - ' - ich war darauf nicht vorbereitet ich dachte mir ist der Mann so einsam das er in der Öffentlichkeit sein Gesicht mit einem Rasiermesser massakrieren muss um meine künstlerische Aufmerksamkeit zu erzwingen ist es notwendig um einen prägnanten künstlerischen Ausdruck zu formulieren und das wollen wir Künstler ja ist ja klar ist es da notwendig der Öffentlichkeit sein eigenes warmes Blut zu präsentieren um damit auf die destruktive Stimmung unserer Gesellschaft aufmerksam zu machen - ' - im Shaolin gibt es eine Besonderheit und zwar ist der Anfangspunkt eines Bewegungsablaufs immer deckungsgleich mit dem dem Endpunkt eines Bewegungsablaufs - ' - das heisst die erste Bewegung und die letzte Bewegung haben die gleiche visuelle Information - ' - das macht ja ein Taschendieb auch - ' - die Hand muss nach ausgeführter Tat wieder in die Jackettasche zurück - ' - als wäre nichts geschehen - ' - als hätte es keine Bewegung keine Handlung gegeben - ' - verehrte Damen und Herren erlauben sie mir einen kurzen Ausflug in die Schulphysik - ' - da habe ich gelernt das wenn ein Elektron auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigt wird und dann auf ein Neutron mit entgegengesetzer Geschwindigkeit prallt es zu einer extremen Explosion kommt bei der das Elektron für einen Bruchteil einer Zeiteinheit in seine Einzelteile zerfällt um gleich darauf wieder in seine ursprünglichen Form nämlich als Elektron zurückzufinden - ' - um nun denoch diesen für das menschliche Auge unsichtbaren Vorgang dingfest zu machen haben die Physiker elektronische Geräte entwickelt die nur dazu dienen diesen kurzfristigen Explosionsvorgang zeitlupenartig festzuhalten um ihn überhaupt sichtbar und analysieren zu können - ' - das heisst also dass der tatsächliche physikalische Vorgang und die Beobachtung dieses Vorgangs zu unterschiedlichen Zeiten und an unterschiedlichen Orten stattfindet - ' - auf Grund dieser Problematik haben die Wissenschaftler einen Begriff eingeführt nämlich den Begriff RAUMZEIT - ' - Raumzeit das klingt erstmal sehr lyrisch und assoziationsgeladen aber je öfter ich diesen Begriff höre um so weniger kann ich mir dabei etwas vorstellen - ' - denn was heisst das Raumzeit - ' - heisst es das in diesem Raum hier in dem ich jetzt diesen Vortrag halte eine Zeit abläuft die anders ist als die Zeit hier draussen auf der Strasse - ' - oder heisst es dass ich hier in diesem Raum eine performance machen könnte und gleichzeitig hier in dem Nebenraum eine performance machen könnte wenn ich mich nur in dem richtigen Raum ZeitKontinuum bewege - ' - ich möchte nun zum Schluss noch auf eine stereotype Situation hinweisen die mir als Performancekünstler öfters wiederfährt - ' - die Situation ist folgende - ' - ich bin in der Auguststrasse in Berlin in einer Bar da kommt ein Mann auf mich zu klopft mir kurz auf die Schulter und sagt - ' - Sie sind doch der Lorbeer der Performancekünstler der mit den Tellern immer rumsitzt ja ich hab Sie schon mal gesehen das ist ja ganz witzig was sie da so machen aber wissen Sie Herr Lorbeer ich hatte neulich eine performance das wär was für Sie gewesen ich war nämlich eingeladen bei meinen Eltern an Sylvester zum Essen und da hab ich doch glatt zu später Stunde den Christbaum mit den brennenden Christbaumkerzen umgeschmissen Gott sei Dank hatte meine Mutter einen Topf mit Wasser in der Küche und hat den Christbaum gelöscht es ist auch nichts weiter passiert ausser das der Teppich nass war und am nächsten Tag sollte meine Tante Gerdi und Tante Gretel zum Kaffeetrinken kommen und das ging natürlich nicht mit dem nassen Teppich und draussen hats geregnet also was hat mein Vater gemacht er ist aufs Klo hat den Föhn geholt und hat in den Morgenstunden des ersten Januar neunzehnhundertsechsundneunzig unseren Wohnzimmerteppich trockengeföhnt - ' - das war ne performance Herr Lorbeer das wär was für Sie gewesen das hätte man filmen müssen - ' - wenn ich sowas höre dann fühle ich mich immer über den Tisch gezogen das zerknirscht mich - ' - denn wie soll ich das verstehen wie soll ich mich als professionell tätiger Performancekünstler dazu verhalten wenn alles was etwas ausserhalb des alltäglichen passiert sofort als PERFORMANCE deklariert wird - ' - soll ich mit dem Kopf nicken und sagen ja ja Sie haben Recht die besten Geschichten schreibt das Leben und wenn es tatsächlich so sein sollte das Kunst und Leben identisch sind dann bin ich kein Künstler sondern dann bin ich Politiker - ' - damit sehr verehrte Damen und Herren komme ich zum letzten Satz des Auswendiggelernten - ' - ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit - ' - guten Abend JÜRGEN FRITZ Performances in der Art, wie sie von BLACK MARKET
vorgestellt werden, sind ... out. Eine weitere dominierende Entwicklung sei das sogenannte
"Theater der Bilder", wie es beispielsweise von Bob Wilson, oder, durch dessen
Vorbild, von Laurie Anderson 2 initiiert worden ist. Es
ist offensichtlich, daß es wesentliche Unterschiede gibt, vergleicht man die
Performanceshows von Wilson, Anderson, der Wooster Group, die neueren Vorstellungen von
Marina Abramovic oder auch die der BAK-Truppen mit den Performances, die in diesem Jahr
hier vorgestellt werden. Doch diese Unterschiede liegen meiner Ansicht nach weniger darin,
daß die einen mehr text- oder bilderbezogen bezogen sind, und die anderen sich vielleicht
mehr aus der Tradition der 70er Jahre herleiten lassen. Aktion Ich habe vor drei Wochen einen wunderbaren Vortrag von
einem schweizer Professor namens Groß gehört, der damit anfing, daß er ja einen
vorbereiteten Vortrag dabei habe, er jetzt aber keine Lust habe diesen vorzutragen,
sondern lieber über etwas anderes sprechen möchte, und er fing an darüber zu erzählen,
wie er am Vormittag die Umgebung des Vortragsortes abgeschnitten sei, was er so alles
gesehen habe - nämlich viele Geschäfte mit Computern und deren Zubehör und fast in
jedem Gäßchen, das er passiert habe - ein ausrangiertes Plüschsofa - und damit war er
beim Thema. In den Wohnzimmern weiche die Bequemlichkeit des roten Samts der Hart-ware des
Computerzeitalters. Selbstverständlich war der, in meinem Beispiel genannte Professor einem bestimmten Druck ausgesetzt, er war eingeladen worden und hatte eine Rede zu halten, für die er sich auch ein Konzept zurechtgelegt hatte. Aber er hatte sich davon befreit - er hattte sein Konzept weggelassen und im Moment der Rede andere Worte gewählt. An dieser Idee von Handlung, oder der freien, richtigen Rede wird auch der Unterschied einer Performance von BLACK MARKET zu einer theatralen Inszenierung bzw. zu einer Performance-Show deutlich: Die Performer von BLACK MARKET bringen keine fertigen Stücke sondern nur Material mit, das möglicherweise benutzt wird. Es gibt nur minimale Absprachen, was den Verlauf der Performance, bzw. die Gestaltung des Performanceortes betrifft. Erst im Moment der Performance wählt der Performer sein Material und entscheidet, wie er es einsetzt. Im zweiten Handbuch von BLACK MARKET heißt es dazu: Aktion Bei einigen Indianerstämmen Nordamerikas gab es ein Fest mit dem Namen Potlatsch. Es wurden viele Geschenke verteilt, aber auch Wertgegenstände zerstört. Nicht als agressive Geste, sondern um unter dem Zeichen der Verschwendung den Charakter einer richtigen Gabe zu offenbaren. Es gibt grundsätzlich zwei Möglichkeiten der Gabe: bei der Einen gibt der Mächtige dem Unterstellten und unterstreicht mit dieser Demonstration seinen sozialen Rang. Die andere ist, wie die richtige Rede, vollkommen frei von irgendeiner Zweckgebundenheit. Es ist eine Handlung als Mensch unter Menschen. Aktion Wer versteht oder beurteilt, ob eine Handlung eine
"richtige" war oder nicht? Diejenigen, die diese Handlung ausüben, und
diejenigen, die ihr beigewohnt haben, im Falle einer Vorstellung das Publikum. "... Einige Monate nach dieser Reihe von
verschiedenen Performances, dieser Reise, kann ich folgendes zu meinen Erfahrungen sagen:
Der geistige Dialog, der gemeinsame Versuch, geistigen Kontakt aufzunehmen, setzt gute
Vorbereitung, innere Einstellung und bewußte Isolierung, Geschlossenheit, Ausscheiden aus
der Normalität des Alltags und seiner Bedingungen voraus. Ebenso Ablehnung aller Zwänge
und Kontakte nach außen. Zugleich bedeutet das: der Verzicht auf Egoismus, Konkurrenz,
Bevorzugung, Ränke oder Ähnliches. Die Zeit dieser Isolation kann so lange dauern bis
jeder 'keinen Weg' mehr weiß. Jeder braucht seine Zeit, um aus seinem eigenen psychischen
Rhythmus herauszutreten und in den gemeinsamen Rhythmus des 'Nicht Sein', der zwanglosen
Zustimmung für 'BEDEUTUNGS-LOSIGKEIT' überzugehen. Das bedeutet Aufhebung des 'Künstler
- Sein' und: Aktionen in der Kunst. Diese Voraussetzungen können nicht dauernd
eingehalten werden und sind auch nicht dauernd erfüllt worden... Zbigniew Warpechowski 6. Aktion Jede Art der Handlung oder der richtigen Rede ist
grundsätzlich monologisch, und geschieht auch in einer temporären Gemeinschaft wie BLACK
MARKET als paralleler Monolog. Doch die Performance entsteht als das Mehr aus der
Summe der Monologe im "Dazwischen". Peter Brook untersucht es als das "in
between", beispielsweise als das zu gestaltende "Zwischen dem Schauspieler und
dem Zuschauer", in der japanischen Kunsttheorie ist es das "MA", auf das
der einzelne Akteur nicht direkt zugreifen kann. Er kann nur versuchen, eine Situation zu
schaffen, sie zu bewegen, mit ihr zu spielen, sich in sie hinein- oder aus ihr hinaus zu
bewegen, in der die Performance als Bild der Begegnung entsteht. Schlußaktion 1. Marvin Carlson: Performance. Routledge, 1996. S. 106 |
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