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- als Situation, Kontext als kulturtheoretisches |
kulturbildendes,
das Situative |
*
Handeln beginnt, wie die Kunst nicht mit dem Beobachten der Natur oder gesellschaftlicher
Verhältnisse und dem Bestreben diese nachzubilden, sie beginnt damit,
Mindestschemata und –modell zu konstruieren, die dann langsam unter der
Berücksichtigung von Reaktionen der Teilnehmenden so lange modifiziert
werden, bis sie dem gewünschten Resultat entsprechen.
*
Im Blick auf die fundamentalen Fragen unserer Existenz verfängt sich
die Vernunft unvermeidlich in Antinomien: Entgegengesetzte, einander ausschließende
Thesen. Für Kant lag der Ausweg in der“praktischen Vernunft“:
Im Vollzug einer ethischen Handlung löse ich die Antinomie in der Praxis
auf und demonstriere meinen freien Willen.
Dabei wäre es die erste Aufgabe der Kulturwissenschaften, jene historistische
erkenntnistheoretische Indifferenz zu überwinden und die Fähigkeit
wiederzuerlangen, den Schock einer Antinomie zu erfahren. Kurz:
Was wir brauchen, sind Kulturwissenschaften, welche die Fähigkeit wiederauferstehen
lassen, die großen, naiven Fragen zu stellen.
*
Kultur bezeichnet das System der Werte, Symbole und Einstellungen, die sozialen
und politischen Organisationsformen und Handlungsweisen Sinn geben.
*
Für die „aufgeklärte“ Sichtweise Habermas’ sind die philosophischen
Systeme „Weltbilder“, d. h. kulturelle Deutungsmuster, die das Hintergrundwissen
sozialer Gruppen spiegeln und handlungsorientierende Funktion haben.
In der These von der „Kolonialisierung der Lebenswelt“ heißt „Kritik“:
Kennzeichnung und Zurückweisung der Tendenz, den Bereich verständigungsorientierten
Handelns nach technologischen Systemimperativen zu strukturieren.
*
Damit gilt es, von einem durch und durch transparenten Handlungs- und
Situationsverständnis Abschied zu nehmen. Subjektives Verhalten
gleicht eher einem »Gewebe« (tissu), in dem sprachliche und
leibliche, eigene und fremde Vollzüge ständig ineinandergreifen.
Verbindlichkeiten bringt die konkrete Praxis selbst hervor, »indem
sie bereits fungierende Regeln übernimmt und aufgrund des Überschusses
an kontextgebundener und damit situativ-historischer Unregelhaftigkeit modifiziert.
*
„Kulturanthropologie“. Mary Douglas beschreibt „Kultur in Aktion“.
Dabei geht es ihr nicht um die Erforschung der Kulturen exotischer Stämme,
sondern um die unserer eigenen Gegenwart.
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1
- als Situative Produktion, Atmosphäre als Rahmen, Kontext |
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*
Jede Handlung erhält Bildqualität, wenn sie im Zustand
des Auslieferns geschieht.
*
Als Aktion ist das Handeln primär narzistisch. Der Mensch ist im
Grunde ein Handelnder - die skandalöse Kontingenz des Bedeutungslosen:
wir sind nicht gemeint. Handeln heißt Tatsachen schaffen, eine Welt
realisieren, werte begründen ohne Relationen. Suspendierung von Ethik
(?) Vita Activa. Verschiedene Typen des Handelns: Anfangen, Praktiken,
Taktiken, Strategien, Infamie, poetisches Handeln, symbolisch.
Das Handeln nicht aus Wissen oder als "Können" sondern aus der Intention
(Fähigkeit, Gabe, Haltung) geschieht.
*
Handlungskompetenz. Man kennzeichnet damit eine Wissensbasis, die
man sich als ein nichtformuliertes Handlungswissen vorstellen muß,
und man verbindet damit den Gedanken der Erzeugung von Handlung aus der
Wissensbasis heraus, wobei der Schluß naheliegend ist, auch hier
anzunehmen, daß aus einer beschränkten Anzahl von Regeln des
Handelns die unendlich vielfältigen "Oberflächenstrukturen“
des Handelns erzeugt werden können.
Der Hauptmechanismus ist dabei derjenige der rekursiven Einbettung
von gegebenen Strukturen in übergreifende syntaktische Strukturen.
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„Strategien des Handelns“ Die beiden zentralen Begriffe des Werkes
sind „der Plan“ und „das Bild“. Handeln ist ein geplantes und strukturiertes
Gefüge von zielgerichteten Operationen; Pläne sind Handlungsentwürfe.
Sie steuern die Ausführung der Handlung und koordinieren ihre hintereinander
und gleichzeitig vollzogenen Teilschritte. Operationen sind auf Endzustände
ausgerichtet. die noch nicht verwirklicht sind. (MILLER, GALANTER &
PRIBRAMS )
*
DIE WELT ALS PERFORMATIVE HANDLUNG Der herbeigeredete Krieg. Die inszenierte
Bedrohung. Der den Sachverhalt des Vergnüglichen erst begründende
Event: Ereignisse mit Worten herbeizuführen, gelingt nicht allein
durch die perfekte Inszenierung des performativen Akts. Erst der Kontext
- die Geschichte, die Kultur, die Machtinstitutionen, das Rechtssystem
- auf den er sich bezieht, verleiht ihm die notwendige Autorität.
Die Welt als Text und Bild weicht der Welt als Inszenierung. DIE PERFORMATIVE
WENDE Nach der medialen Konstruktion der Wirklichkeit beobachten wir,
von der amerikanischen Außenpolitik bis hin zur europäischen
Innenpolitik, zunehmend die Tendenz, durch bloße Sprechakte Wirklichkeiten
herzustellen oder zul egitimieren. Statt medialer Inszenierung oder Diskursführung
werden diese ersetzt oder mißbraucht für eigenmächtige
Handlungen oder blinden Vollzug. Ein performativer turn .
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2
- als offenes System, |
als
Konzept, Manifeste als Entgrenzung |
*
Die menschlichen Handlungen sind frei, d.h. sie erfolgen ohne irgendein
Gefühl der Nötigung aus dem eigenen Willen des Handelnden, sie
sind notwendig, d.h. es besteht eine konstante, und zwar in bezug auf die
zugrunde liegenden Verhältnisse vollkommen konstante Verbindung zwischen
den Akten des Willens und den Beweggründen, Umständen und Charakteren
der Handelnden. (Mauthner)
*
Die Intelligenz dekomponiert oder analysiert - d. h., sie zerlegt in Teile.
Sie konstruiert oder synthetisiert - d. h., sie baut aus Teilen auf.
Sie kombiniert und verlagert, sie schafft neue Beziehungen zwischen den
Gedanken - d. h., sie setzt Teile in veränderter Anordnung zusammen.
Und sie komplettiert oder ergänzt - d. h., sie erweitert die wirkliche
Erfahrung zu einer gedachten Erfahrung (A. Gehlen)
*
Schon im Greifen, mehr noch im Zeigen legen wir eine Welt aus, reagieren
nicht einfach auf eine vermeintliche "ursprüngliche" Vorgegebenheit.
Doch ist dies eine Transzendenz im Vollzug, unthematisch fungierend, aber
gleichwohl möglicher Gegenstand sprachlich-prädikativer Bestimmung.
Hierzu müssen wir uns vom Vollzug losreißen und in "existenzialer
Epoche" darüber nachdenken, sprechen.
Im Dialog nun, sofern sich dieser nicht auf einen Informationsaustausch
reduziert, erfährt sich das Ich "verwickelt". (Rudolf Süsske)
*
Mit Nietzsche diskutiert Figal eine über die Kunst hinausgehende, „entgrenzte
Ästhetik“ der Lebenserfahrung. In Frage stellen möchte er
die Avantgarde, deren „eigentümliche Aporie“ Nietzsche bereits empfunden
habe: daß sie sich auf das Leben insgesamt richte und doch wieder
in Werken manifestiere. Aus der von Nietzsche aufgerufenen „eigentlichen
Modernität“ als Sinn für die Nuance, die mit dem Typus streitet,
entwickelt Figal einen Begriff des Ästhetischen als „Verbindlichkeit
des Kontingenten“. So habe Nietzsche Sinnzusammenhänge als „Artefakte“
auslegen können, die in ihrer Wandelbarkeit dennoch verpflichtend sind.
Von hier aus schlägt Figal schließlich eine Brücke zu Joseph
Beuys, der das Zwischenmenschliche als „soziale Plastik“ charakterisierte.
Zu Unrecht wirft Figal freilich Beuys eine „parasitäre“ Haltung gegenüber
einer Kunst vor, „die sich in durchgestalteten Werken manifestiert“, wenn
er meint, die „Relikte Beuysscher Aktionen“ befänden sich nur deshalb
im Museum, weil sie wie Skulpturen Rodins behandelt würden. Damit
bleibt nämlich das eigentliche Argument ungenannt: Nur weil die Gegenstände
metaphorisch aufgeladen sind und plastisches Potential haben, macht es überhaupt
Sinn, mit ihnen als Kunstobjekten umzugehen.
*
Weshalb passiert es uns als Handelnden immer wieder, dass die beste Absicht
in ungeplanten, gar schlechten Folgen endet? Zu klären also sind «paradoxe»
Handlungssituationen. Zur besseren Orientierung wird, man darf es von einem
Philosophen erwarten, das komplexe Phänomen in Unterbereiche aufgeteilt.
Zu berichten ist demnach von Paradoxien des Glücks und der Freiheit,
des Weiteren von Paradoxien der Gleichheit und der Gerechtigkeit, schliesslich
von Paradoxien der Rationalität. Der Leser, auch er ein Glückssucher,
wird sich wohl zunächst in das erste Kapitel vertiefen. Hier folgen
Klärungen: Gerne lassen wir alltagssprachlich im Ungenauen, wo denn
die Zufriedenheit endet und wo das Glück beginnt. Meist sogar nennen
wir jene «glücklich», die eigentlich nur zufrieden sind.
Aus dieser hermeneutischen Kurzsichtigkeit können folgenschwere Irrtümer
entstehen. Denn — so müsste man das Kapitel wohl zusammenfassen — es
gibt bislang noch keine Grenznutzentheorie des Glücks; das Glück
ist mehr als eine «Gesamtheit von positiven Gefühlen, die man
künstlich oder technisch erzeugen kann». Das menschliche Glück
selbst sei «in der Tat höchst paradox». Zufriedenheit kann
erstrebt werden, Glück hingegen stellt sich ein. Um Enttäuschungen
zu vermeiden, lohne es sich, hier genau zu sein. Thomas Gil: Paradoxien
des Handelns. Berlin-Verlag, Arno Spitz GmbH
*
Die Geschwindigkeit meines Denkens geht mit meinem Verzicht auf Handeln
einher. Ich eile in die Ferne, zum Schlimmsten, zur Grenze, zum Unvorhergesehenen.
Welche Tat vermöchte mir zu Folgen ? (Paul Valery) |
3
- als Experiment, Interdisziplinarität, |
als
Service, Projekt |
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1_anStehen:Ohne.Ende
2_abGehen:Und.das.weiter.aIs.erwartet
3_durchWaten:Ist.besser.als.Drüberschauen
4_geFahren:Ohne.ZieI.und.viel.erreichen
5_inSein:Im.unvollendeten.Ganzen
6_teilNehmen:Vereinzelt.Originale
7_stoffGeben:Verdichtet.QuaIität
8_verDingen:Verleiht.dem.Mythos.ein.Gesicht
9_anMachen:Betimmt.gute.Gestaltung
Philipp Meier ist Clubkurator, Metastratkultur 2001. Eine Einführung
in 9 Punkten
*
Die grundsätzliche Aufgabenstellung des Seminars sieht eine analytische
Durchdringung von Interaktionssituationen in 'extremen' Formen, wie sie
sich in der sogenannten 'Aktionskunst' (Happening, Performance) findet und
Körperlichkeit, Gewalt und personaler Entzug in nicht selten abstoßender
Weise thematisiert, vor. Dabei soll die Systemtheorie nicht den einzigen
aber relevanten theoretischen Zugang ermöglichen. Das schließt
eine fruchtbare Wechselwirkung der systemtheoretischen mit kunstwissenschaftlichen
Verfahren und Erkenntnissen mehr als nur mit ein. Dieser interdisziplinär-methodische
Aspekt ist - neben der Erforschung der 'extremen Interaktion' bzw. Aktionskunst
- ein wichtiger erkenntnistheoretischer Schauplatz des Seminars.
* |
4
- als Referenz, kulturelle Produktion |
als
Gesetz
|
*
Die Kunst des Handeln. Dem ästhetischen Input die Intervention, die
Vivisektion, die anteilnehmende Intervention, die Wirkung entgegensetzen.
Handlung versus Effekt; Anteilnahme versus berechnende Wirkung,
*
Handlungen sind Derivate (abgeleitetes) erster Ordnung, die ohne über
Kultur vermittelte Orientierung gar nicht erst zustande kommen. Dem Generellen
ist das Besondere nicht mehr anzusehen - Wahrnehmen der Handlung
*
die Einschränkungen praktischer Handlungen durch die Hegemonie der
isolierten Milieus und ihre Geheimsprachen beschrieben.
*
Auf komplementäre Weise kann die Selbsterforschung Anhaltspunkte zur
Ergründung der aus dem Erleben anderer erwachsenden Lebensäußerungen
liefern. Hier haben wir es mit einer Art "hermeneutischem Zirkel"
oder besser »Spirale« zu tun, denn mit jedem Schritt wird das
Vorangegangene transzendiert. Wir können daher unsere eigenen subjektiven
Tiefen ebenso gut durch Introspektion ergründen wie durch die forschende
Betrachtung der von anderen zum Ausdruck gebrachten bedeutungsvollen Objektivationen.
Lebensäußerungen können, nach Dilthey, verschiedenen Klassen
angehören. Zum einen gibt es Vorstellungen (Begriffe, Urteile,
größere Denkgebilde -, G. S., Bd. VII, S. 205), die man,
da sie ein hohes Maß an Allgemeinheit besitzen. sehr präzise
mitteilen kann. Sie sagen uns aber nichts über das Bewußtsein
des besonderen Menschen, der sie zuerst hervorgebracht hat. “Unser Verstehen
ist hier genau. aber nicht tief. Es sagt uns, weiche Vorstellung jemand
hat. aber nicht. wie er zu ihr gelangt ist. ” (Hodges. 1952:130) Eine zweite
Klasse von Äußerungen ist die der “Handlungen”. Jede Handlung,
so Dilthey, dient einem Zweck, und da zwischen der Handlung und dem Zweck
ein regelmäßiger und enger Zusammenhang besteht. kann der Zweck
aus der Handlung herausgelesen werden. (V.Turner)
* |
5
- als Werkzeug, Methoden, |
als
Innovation, Idee, Kritik |
*
Keine Verwendung von Werkzeugen mehr, sondern ein Interagieren mit Prozessen.
Handeln als kritisches Instrumentarium
*
Man verstand einander jedoch nicht mehr, als man das Bild vom menschlichen
Handeln in die Natur hineintrug, als man von Zielen, Absichten, Zwecken
der Natur sprach. Aufgabe des Handwerks: Die Identität zu entfernen,
daß die Person in rohem Zustand zu sehen ist in ihrem Handeln, als
handelnde Person.
*
„Handlung ist das Wissen um ein Ziel. Handlung ist Diktion. Aktion der Sprache,
Sprache der Aktion. Handlung ist Geschichte. Sie ist auch eine
Geschichte.
*
Handlungsereignisse sein, der Wille aber ist die Tat selbst, bzw. der logische
Aspekt der Handlung, der die Handlung aus dem Bereich der Tatsachen aussondert.
Die These, dass Wollen sozusagen dem Tun gleich ist, ist eben die Umdrehung
der üblichen Vorstellung, wonach Wollen ein geistiger (seelischer)
Vorgang und eine "geistige (seelische) Ursache" von Handlung ist (wobei
man Handlungen als eine besondere Art von Ereignissen vorstellt). Man stellt
sich Handlungen als psychophysische Ereignisse vor, die man mittels eines
inneren Motors antreiben muss.
*
Man muss hier einen Unterschied machen zwischen dem Gebrauch von beliebigen
Dingen als Werkzeugen und der Herstellung von Werkzeugen.
*
Zeigehandlung (auch: deiktische Handlung), Bezeichnung für eine zur
Deixis (deiktisch). insbes. zur Begleitung einer deiktischen Kennzeichnung
oder bei „ hinweisenden Definitionen“ (engl. ostensive definition), also
der exemplarischen Bestimmung von Prädikatoren benötigte Geste.
Eine Z. darf nicht mit einer Zeichenhandlung verwechselt werden, die eine
den semiotischen Anteil einer Handlung eigenständig übernehmende
Handlung ist (z.B. Wahrnehmungshandlungen oder sprachliche Artikulationen,
Semiotik). Eine Zeichenhandlung zielt auf etwas Allgemeines (sie „bezeichnet“
ein Schema) und nicht wie eine Z. auf etwas Individuelles, ausgenommen der
Fall, daß eine Z. als Vorführhandlung verstanden wird; in diesem
Falle ist die Z. eine spezielle Zeichenhandlung. Daneben gelten auch eigenständige,
in der Regel auf (sozialen) Konventionen beruhende „Trägerhandlungen“
als Zeigen: Mit ihnen will man etwas zu verstehen geben, indem sie eine
Handlung „tragen“ (sie sind diese Handlung und bezeichnen sie nicht), z.
B. Hutziehen zum Grüßen. Klopfen zum Einlaß-Erbitten. Blinkerbetätigung
zur Fahrtrichtungswechselanzeige usw.
Literatur; D. Gerhardus. / S. M. Kledzik / G. H. Reitzig. Schlüssiges
Argumentieren. Logisch-propädeutisches Lehr- und Arbeitsbuch.
*
Jedes Tun ist Erkennen, und jedes Erkennen ist Tun. Handle stets so, dass
die Anzahl der Wahlmöglichkeiten steigt.
Wahrnehmung ist ein Erfinden, nicht ein Entdecken.
Handeln und Denken als Informationsverarbeitung: Wenn nun schon das Handeln
Beziehungen stiftet, so impliziert es auch Informationsverarbeitung. Das
ist offensichtlich wenn laufend der Mensch eine Vielzahl von
raum-zeitlichen Gegebenheiten verarbeitet und dem Ergebnis durch seine Steuerungsmechanismen
und Manipulationen Rechnung trägt.
*
Begriffe die den Handlungsbegriff umgreifen.
Aufmerksamkeit, Autonomie, Behaviorismus, Blinder Fleck, Homöostase,
Kognition, Lernen, Nervensystem, Neuron, Neuronale Einheitssprache, Neuronales
Netz, Neurophysiologie, Realität, Retina, Selbstreferenz, Selbstregulierung,
Solipsismus, Symbol, Verantwortung, Verstehen, Wahrnehmen ist Handeln, Wirklichkeit,
Kausalität, Bewegung, Transformation,
*
Dieser gerichtete Augenmerk, die Wahrnehmung der Differenz, hat verschiedene
Erscheinungsformen die durch unterschiedene kulturelle Systeme geregelt
werden, wie z.B. Tanz, Theater, Performance Art, bildende Kunst, Musik,
das ganze Spektrum der darstellenden Künste und das tägliche,
öffentliche, als Gesellschaft erkannte Leben.
Ein weiterer Augenmerk, der in jeder Aktivität immanent ist, ist seine
Performance. Um sie geschehen zu lassen, gibt es einige Methoden, ich möchte
sie Werkzeuge der begrifflichen und angewandten Form nennen, die den Raum
und die Zeit sich begegnen lassen, sie, die Performance bildet sich in der
Handlung, die Handlung läßt die Begegnung zu einem Bild werden,
es erscheint ‘Bild’ und es ereignet sich Performance.( dieses
Bild unterscheidet sich wesentlich von dem Bildbegriff, der der bildenden
Kunst innewohnt).
*
Wenn es Anlaß zum kräftigem Handeln gibt, mit Druck vorgehen
und nicht mit Stoß, mit Modulation. (Paul Valery)
*
Begriffe die den Handlungsbegriff umgreifen.
Aufmerksamkeit, Autonomie, Behaviorismus, Blinder Fleck, Homöostase,
Kognition, Lernen, Nervensystem, Neuron, Neuronale Einheitssprache, Neuronales
Netz, Neurophysiologie, Realität, Retina, Selbstreferenz, Selbstregulierung,
Solipsismus, Symbol, Verantwortung, Verstehen, Wahrnehmen ist Handeln, Wirklichkeit
*
John Newman (Palmerston North, Neuseeland) demonstrierte anhand von elementaren
Begriffen wie sitzen und stehen, geben, nehmen, essen oder trinken, welche
vielfältigen grammatischen Aufgaben diese Wörter in zahlreichen
Sprachen übernehmen, wo sie beispielsweise Aktiv und Passiv markieren
oder zur Unterscheidung dynamischer Abläufe und statischer Zustände
dienen. In einigen Sprachen wird die ganze Welt durch Wortklassen in sitzende,
stehende oder liegende Dinge eingeteilt. In solchen Verben schlagen sich
elementare Körpererfahrungen, Bewegungen und Tätigkeiten nieder.
Sie prägen auch kognitive Prozesse, was ihre Grammatikalisierung erklären
könnte. Offen ist, warum diese Verben sich untereinander in ihren Flexions-
und Wortstellungseigenschaften oft stark unterscheiden, obwohl sie gemeinsame
Basisfunktionen verrichten.
*
Handlungs-Präfigurationen - Leibmetaphorik - Das Verbum als Wirkung.
Liegen, Sitzen, Stehen, Gehen, Hängen, Springen, Fallen, Binden, Tragen,
Einverleiben, (Ausscheiden), etc.
( tanzen, schau-spielen, hören und sprechen, sehen und blicken,..) |
6
- Transport, Geste, Habitus |
als
Reise
|
*
Phasenablauf in der Handlung
*
In der Handlung vollziehen was in der Sprache spricht. Das Bühne
und Prügel gleichen Ursprungs sind. (Brettergerüst - Brücke
- Balkenwerk ).
Wie kann der Gedanke des Positionswortes (Präfigurationen) auch in
der Handlungsebene gedacht werden ? Und auf den Ebenen der Gesten ?
*
Aber all diese noblen Erkenntnisse, die des Künstlers, des Zenmönchs
und des Propheten, können ganz bescheiden und profan gewonnen werden,
wenn man nur mit genügender Geduld eine solch alltägliche Geste
wie die des Pfeifenrauchens betrachtet. Dann sieht man nämlich,
wie jeder von uns ein virtueller Künstler ist, und ein virtueller
Zenmönch, und ein virtueller Prophet. Denn jeder von uns vollführt
ja rein ästhetische, absurde Gesten vom Typ des Pfeifenrauchens.
Allerdings kann man dann auch erkennen, was die meisten von uns von einem
wirklichen Künstler, Zenmönch und Propheten unterscheidet: die
völlige Aufgabe der Vernunft (im Sinn von Erklärbarkeit und
Zweckhaftigkeit) und die rückhaltlose Hingabe in der Geste und an
die Geste, welche das Wesen des wirklichen Künstlers, des wirklichen
Zenmönchs, des wirklichen Propheten ausmachen.
Zu Beginn dieses Essays lautete die Frage: Warum rauchen manche Menschen
Pfeife, wo es doch ihre Freiheit einschränkt, wo es doch nichts leistet
und wo es doch nichts mitteilt? Die erste auf diese Frage gebotene
Antwort hieß: aus reinem Vergnügen an dieser Geste. Es
ist nun möglich, diese Antwort etwas zu präzisieren. Manche
Menschen rauchen Pfeife aus demselben Grund, aus dem manche Menschen Künstler
sind, andere Mönche und wieder andere Propheten, nämlich um
sich darin auszuleben und zu finden. Nur ist das Pfeifenrauchen
weit weniger anspruchsvoll als die Gesten der Kunst, und noch weniger
anspruchsvoll als die künstlerischen Gesten des Zenmönchs und
des orthodoxen Juden - daher aber auch weit weniger offen-. So rauchen
manche Menschen Pfeife als eine Art Ersatz und Karikatur, das heißt
als Profanation eines rituellen Lebens. (V.Flusser)
*
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7
- als Kommunikation, Subversion |
als
Medien |
*
Handeln und Denken als Informationsverarbeitung: Wenn nun, wie wir behauptet
haben, schon das Handeln Beziehungen stiftet, so impliziert es auch Informationsverarbeitung.
Das ist offensichtlich wenn laufend der Mensch eine Vielzahl von raum-zeitlichen
Gegebenheiten verarbeitet und dem Ergebnis durch seine Steuerungsmechanismen
und Manipulationen Rechnung trägt.
*
Soziale Systeme: Konstellation von Handelnden
Umwelten sozialer Systeme :Körper – Psyche - Kultur
*
Auf der Basis des Universal-Mediums, das Produktion, Lagerung, Übertragung
und Empfang in einem erlaubt, erwachsen Communities, Öffentlichkeiten
und Märkte.
*
Kommunikative Handlung unterscheidet sich stark von direkter Aktion
bzw. Intervention, obwohl einige Charakteristika auf beide zutreffen.
Während exemplarische/strategisch Handlungen ohne Theorie auskommen,
versuchen Interventionen die Theorie in instrumentale Handlung umzusetzen,
wird Theorie mit Praxis verbunden.
*
human action is allways symbolical, mediated (Clifford Geertz)
deviantes Handeln
deliquentes Handeln
*
"Bei strategischen Aktionen versucht ein Akteur, das Verhalten eines
anderen mittels Drohung von Sanktionen oder mit Aussicht auf Befriedigung,
zu beeinflussen, um mittels dieser Interaktion fortfahren zu können,
wie er es wünscht."
Wohingegen "bei einer kommunikativen Handlung ein Akteur einen anderen
mit den Mitteln der Vernunft zu motivieren versucht und dabei auf den Bindungseffekt,
der im Akt der Rede inkludiert ist, vertraut
*
Strategische (exemplarische) Aktionen, in Form von agitatorischem Protest
und/oder Widerstand, wurden von vielen Gruppen kritisiert, die in die Ereignisse
von Mai 1968 in Paris, Nanterre und in anderen sogenannten gegen-kulturellen
Demonstrationen in verschiedenen städtischen Umfeldern der sechziger
Jahre involviert waren. Diese Aktionen wurden nicht nur wegen ihrer absoluten
Theorieabsenz angegriffen, sondern auch wegen ihres anarcho-individualistischen,
heroischen und spektakulären Charakters. BefürworterInnen argumentierten,
daß die exemplarische Aktion einen symbolischen Gebrauchswert habe,
der nur nach dem Ereignis zur Gänze verstanden wird - normalerweise
als Resultat der Vermittlung durch die Medien -, und daß der spontane,
nicht programmierte Charakter die Fusion verschiedener politischer Tendenzen
erleichtere, die sich unter anderen Umständen nicht zu einem kollektiven
Protest verbünden würden. Exemplarische subversive Aktionen lösten
jedoch häufig den Teufelskreis von Provokation und Unterdrückung
aus, was ironischerweise von jenen, die in dieser Form des sozialen Protestes
involviert waren, als Zeichen des Erfolgs angesehen wurde. Wie beim illegalen
Streik sind die Repressionen gegen solche Handlungen für gewöhnlich
so extrem, daß sie die Formierung von allen anderen, legalen Protesten
blockieren. Darüber hinaus dienen diese subversiven Aktionen oft gerade
den Zwecken der Autorität, auf die sie abzielen.
B. Barber
*
Im performativen Vollzug der Handlungen und Praktiken wird das, was zitiert,
wiederholt und aufgeführt wird, kommentiert, umgebildet oder unterminiert.
Die Analyse der performativen Akte ist daher von großer sozio-politischer
und kulturökonomischer Relevanz: Inwieweit haben sie die Kraft, die
Traditionen, Muster, Schemata, Gesetze, Regeln und Programme, denen sie
notwendigerweise folgen, zu verändern?
Nach der medialen Konstruktion der Wirklichkeit ist zu beobachten wie zunehmend
die Tendenz besteht, durch bloße Sprechakte Wirklichkeiten herzustellen
oder zu legitimieren.
Statt medialer Inszenierung oder Diskursführung werden diese ersetzt
oder mißbraucht für eigenmächtige Handlungen oder blinden
Vollzug. (ZKM Symposium)
*
...Intentionalität, der Schlüsselbegriff der Handlungstheorie
von Wrights, ruft nach einer Methode des Verstehens, die sich nomologisch-deduktiven
Kausalerklärungen entzieht (deren schroffe Entgegensetzung hierzulande
zuerst von Stegmüller kritisiert wurde). Habermas zählt Georg
Henrik von Wright gemeinsam mit dem späten Wittgenstein zu den namhaften
Ausnahmen der analytischen Szene, welche analytische Philosophie nicht als
Fortsetzung der Erkenntnistheorie mit anderen Mitteln betrieben, sondern
eben Fragen der Kommunikations- und Handlungstheorie ins Zentrum rückten.
Wellmer indes kritisierte den individualistischen Ansatz der Wrightschen
Handlungstheorie, welche die soziale Konstitution normengeleiteten Handelns
unterbelichtet lasse. Akzente der Rezeption, die zeigen, welch nachhaltigen
Einfluß von Wright als Brückenbauer zwischen Logik und Sprachphilosophie,
als Vermittler zwischen analytischer und kontinentaler Philosophie gerade
auch hierzulande auszuüben vermochte. CHRISTIAN GEYER
*
„Dem Terroristen geht es nicht um den eigentlichen Zerstörungseffekt
seiner Aktionen. Diese sind nur ein Mittel, um einer Vielzahl von Menschen
etwas mitzuteilen. Terrorismus ist primär eine Kommunikationsstrategie.
Im Grunde ist er ein Spezialfall des Handlungsprinzips Provokation. Was
zählt, ist die Botschaft, die zündet.“
Provokationen können durchaus auch eine konstruktive Funktion haben.
Intelligent inszeniert schrecken sie aus dem Wahrnehmungsgrau des Alltags
auf, irritieren durch Demonstrationen neuer Betrachtungs- und Handlungsweisen.
So werden Denkprozesse ausgelöst, die auf längere Sicht gesellschaftliche
Veränderungen bewirken können. Neue Erkenntnisse haben oft an
sich schon etwas Schockierendes — man denke an die letzten Entwicklungen
der Gen- und Gehirnforschung, die eine radikale Veränderung unseres
Selbstverständnisses und unserer Weitsicht zur Folge haben.
In der Kunst regt der gezielte Einsatz von Überraschungs- und Schockeffekten
zu intensiverer Wahrnehmung an, die Konfrontation mit neuen Darstellungsformen
provoziert kreatives Miterleben. Man könnte geradezu von einer evolutionären
Qualität der Provokation sprechen. Ästhetische Provokationen attackieren
konformistisch vorgeprägtes Denken, animieren zur Relativierung, zumindest
zum Hinterfragen ritualisierter Konventionen, zu Grenzerkundungen. Sie erweisen
sich als eine Art nachdrücklicher, wenn man so will aggressiver Kommunikation.
Nicht nur im Reiseverkehr bauen Grenzüberschreitungen Vorurteile ab
und erweitern den Bewusstseinshorizont.
Jede künstlerische Provokation hat auch einen gesellschaftlich-politischen
Aspekt, der nicht zu gering erachtet werden sollte. Die „Kommune 1“
im Berlin der Sechzigerjahre mit Fritz Teufel und Rainer Langhans hat es
beispielsweise verstanden, beide Aspekte wirkungsvoll miteinander zu verbinden.
Ihre politischen Provokationen hatten durchaus ästhetische Qualitäten
— mit ihrer Publikation „Klau mich“ dokumentierten sie
das auf gewitzte Weise.
Die Aktionen der „Wiener Gruppe“ ebenso wie der nachfolgende
„Wiener Aktionismus“ sind ohne einen programmatisch anarchischen
Hintergrund kaum denkbar. Mit Sprache lässt sich eindrucksvoll provozieren,
denn sie ist ein gesellschaftliches und damit auch politisches Kommunikationsmittel
von zentraler Bedeutung. In Diktaturen, von denen de facto kein Staat jemals
weit entfernt ist, wird Sprache unversehens zu einem Herrschaftsinstrument,
zu der Sprache, die beschwatzt und verordnet, in scheinheiliger Allianz
mit den Kirchen, bestimmt, was moralisch und was unmoralisch, also was „gestattet“
und was „verboten“ ist.
* |
8
- als Leib - Leistung |
als
Körper - Leistung |
*
Rituale, Leib und Umwelt, Leib und die Elemente, der Andere, Körper
und Medien, Körper und die Sinne, Das Bild, Die Skulptur, Der Körper
als Einrichtung im Handeln, der Körper als Metapher des Handeln.
*
Der Schlüssel zu den Leistungen wirksamer Menschen - der Performer
- liegt in der Art ihres Handelns.
Fredmund Malik
*
Der Wille ist die psychische Begleiterscheinung wirklichen Handelns, ist
die innere Seite einer Kraftäußerung und erscheint uns nur darum
als Ursache dieser Kraftäußerung, weil der Willensakt das Bild
der künftigen Handlung ist, der Handlung also vorausgeht, und weil
das notwendig zeitliche Prius eben die Ursache einer Änderung genannt
zu werden pflegt. Der überaus schwierige Begriff der Möglichkeit
spielt wunderlich genug in diesen Sprachgebrauch hinein, weil die normale
Illusion des Willensgefühls in uns die viel gröbere Täuschung
eines freien Willens erzeugt hat. Die Worte wenigstens zu verbinden gestattete.
Die Täuschung der Willensfreiheit, gestattet Sätze wie: Ich möchte,
was nicht möglich ist. Die Möglichkeit ist aber ein rein logischer
Begriff, der in der Wirklichkeitswelt keinen Platz hat. (F. Mauthner )
*
Butler: "Sprache" meint in diesem Zusammenhang Körper-Handlungen.
*
Bei vielen natürlichen Verhaltensweisen sind Wahrnehmen und Handeln
so eng miteinander verbunden wie Musikhören und Tanzen. Musik
ist den Neurologen darum einer von verschiedenen Stimuli, deren Wirkung
auf das Gehirn sie interessiert.
*
"Weil jeder Mensch auf Grund des Geborenseins ein initium, ein Anfang und
Neuankömmling in der Welt ist, können Menschen Initiative ergreifen,
Anfänger werden und Neues in Bewegung setzen." H. Arendt begreift Handeln
und Sprechen als eine zweite Geburt, denn so kann jeder Mensch in die Welt
eingreifen. Handeln und Sprechen geben den Menschen also die Fähigkeit
Neues zu schaffen. „Dem Handeln ist es eigentümlich, Prozesse loszulassen,
deren Automatismus dann dem der natürlichen Prozesse sehr ähnlich
sieht, und es ist ihm eigentümlich, einen neuen Anfang zu setzen, etwas
Neues zu beginnen."
*
Die erlebte Differenz zwischen habitualisierten Leibintentionen und aktueller,
bewußter Zielvorgabe, wenn z.B. das anonyme, »natürliche
Ich« (Merleau-Ponty) meines Leibes doch den gewohnten Weg, meinen
bewußten Intentionen zuwider, einschlägt, bezeugt den ambiguosen
Charakter des Leibes, der weder als rein naturaler Organismus noch als Bewußtsein
zu denken ist. Dies setzt aber eine Organismus- und Naturkonzeption voraus,
die in diesen Sphären selbst sinnhafte Gestaltungs- und Strukturierungsprozesse
ansetzt...
...Im Rahmen einer Übungspraxis werden leibliche Vollzüge von
den einfachsten sensomotorischen Regelkreisen bis hin zu differenziertesten
manuellen Fertigkeiten trainiert und damit verselbständigt, um nach
der Erlernung als selbstverständlicher Teil in die allgemeine Handlungskompetenz
einzugehen oder im Zusammenhang einer Vorführungspraxis als sportliche
oder künstlerische Leistung vorgestellt zu werden. Das Wesentliche
dieser Perfektionierung von Handlungen besteht dann aber nicht in der Beherrschung
der Handlungs-Regeln, sondern in der vollkommenen Koordinierung der mitvollzogenen
körperlichen Bewegungen und Operationen. (Rudolf Süsske)
*
Diesen Leib, den ich als "vorläufigen Entwurf meines Seins im ganzen"
in meinen bewußten Vollzügen stets neu zu "übernehmen" habe,
zeichnet selbst schon eine eigentümliche Reflexivität aus: Im
Tasten schwindet die Dichotomie von Aktivität und Passivität,
bin ich "berührend-berührt". Erst die nachträgliche Konzeptualisierung
zerreißt diesen "sympathetischen Weltbezug" und sieht sich überrascht
vor das Problem gestellt, wie die "objektiven" Eigenschaften der Dinge in
der Außenwelt sich zu den sensorisch-taktil vermittelten Erlebnissen
einer imaginären Innenwelt verhalten...
... Die Fundierung bewußter, planmäßiger Handlungen in
den präpersonalen Strukturen unserer anonymen Leiblichkeit verweist
auf eine Nicht-Identität, der wir zumeist nur in den Erlebnissen des
Versagens und der Krankheit gegenwärtig werden. Wie ich mir selbst
nie ganz transparent bin, so ist mir das "Ich" eines Anderen nie ganz unsichtbar:
In unseren Gesten, Bewegungen, mimischen und sprachlichen Äußerungen
sind wir immer schon mit der Welt und den Anderen "verflochten". Um dies
eigens zu thematisieren, müssen wir uns "losreißen", gleichsam
vom gelebten Vollzug "abwenden", um, aus der Distanz einer "produktiven
Innerlichkeit" wieder in jenen einzutauchen.
(Rudolf Süsske)
*
Im Anschluß an Arnold Gehlen nennt Habermas zwei Handlungsdefinitionen:
Er unterscheidet einen idealistischen Handlungsbegriff, nach dem eine Handlung
die Reflexion auf ein umweltveränderndes Tun ist von einem realistischen
Handlungsbegriff, nach dem der leibliche Handlungsvollzug im Vordergrund
steht und das Bewußtsein die Handlung lediglich mitvollzieht. Für
das Verständnis des kommunikativen Handeln ist die erste Handlungsdefinition
einschlägig, da sie die Möglichkeit unterstellt, die Handlung
ex post zu rekonstruieren und zu legitimieren.
*
Handlungs-Präfigurationen - Leibmetaphorik - Das Verbum als
Wirkung.
* |
9
- als Leben, Aufenthaltssort |
als
Alltag, Übersetzung |
*
Es gibt drei Wege, welche zu den Künsten führen. Der erste
ist eben erwähnt worden, er geht vom Handwerk aus, und der Künstler
idealisiert die Qualitäten, die in der gewöhnlichen Erfahrung
gefunden werden
Der zweite Weg besteht in der Entwicklung, Variation und Rationalisierung
von unwahrscheinlichen Eindrücken der Wahrnehmung.
Der dritte Weg besteht in der Repräsentation und Abbildung des Lebens
selbst. (A.Gehlen)
*
Es sind die Werte, an die wir glauben, die unser Denken und Handeln bestimmen,
nicht Tatsachen.
*
Die einfachen Elemente des Verhaltens sind bei HULL Reiz und Reaktion. Das
verbindende Prinzip ist wie bei HUME die Assoziation. Angesichts der Tatsache,
daß auch die einfachen Elemente zwei Teile umfassen, spricht HULL
manchmal bildlich und in Analogie zur Chemie von molekularen Einheiten.
Das Paradigma des Verhaltens ist damit der Reflex, die Auslösung der
Reaktion durch einen oder mehrere Reize. HULLS System ist damit vorerst
reduktionistisch. Verhalten ist nichts anderes als eine Abfolge von Reizen
und Reaktionen. In einem zweiten Schritt jedoch, dann, wenn er zu zeigen
sucht, wie aus den einfachen Bausteinen komplexe Verhaltensabläufe
entstehen, wird HULLS impliziter Konstruktivismus sichtbar.
* |
10
- als Handlung, Setzung |
als
psychophysische Sicht |
*
Vermeidungsstrategien und -handlungen
*
Ein kognitives System braucht nicht nur eine konkrete Situation, es benötigt
vor allem einen Körper. Will man Intelligenz verstehen, muß
man Roboter bauen. Dabei ergeben sich oft erstaunlich einfache Lösungen
für scheinbar komplizierte Probleme. Wie etwa kann man einen
Roboter dazu bringen, große von kleinen Zylindern zu unterscheiden?
Wer gleich an die automatische Auswertung von Kamerabildern denkt, ist
schon auf dem Irrweg. Denn der Roboter braucht nur die Geschwindigkeit
seiner inneren und seiner äußeren Räder in Beziehung zu
setzen, wenn er um die Zylinder herumfährt. Ein visuelles System
ist nicht nötig. Die Vertreter der "verkörperten Kognition"
hoffen, auch höhere kognitive Leistungen auf diesse Weise "von unten"
erklären zu können. (MANUELA LENZEN)
*
Eine Mimesis hingegen, die ihre eigene, sich der Beschreibbarkeit entziehende
Referentialität erzeugt, „ist eine Handlung über das Handeln“.
Diese Ähnlichkeit mit ihrer Vorgabe dient allerdings dazu, einen
solchen Vorgang zu repräsentieren, und das heißt nichts weniger,
als daß nun Mimesis selbst zum Repräsentanten der Performanz
wird.
Wolfgang Iser
*
|
11
- als Politik, interkulturell |
als
Weltanschauung |
*
Das „WIE“, die Visualisierung des mentalen Klima eines, wie
auch immer gearteten Tuns. Handeln heißt Tatsachen schaffen, eine
Welt realisieren, Werte begründen ohne Relationen - Suspendierung von
Moral. (Heinz von Foerster)
*
...daß Handeln die Möglichkeit zum Anfangen beinhaltet, daß
man gegen alle Unwahrscheinlichkeiten Neues beginnen könne.
„Daß Freiheit wie Unfreiheit ein Produkt menschlichen Handelns ist
und mit der ´Natur´ gar nichts zu tun hat“.
(H. Arendt)
*
POLITIK UNTER INSZENIERUNGSDRUCK Die Politik entzieht sich dem Diskurs
über "richtig" oder "falsch" und lässt nur noch "geglückt"
oder "mißlungen" als Bewertungskriterium zu. Das Wort führt herbei,
was es benennt. Die Show ist Politik. PERFORMANCE ALS POLITISCHE METHODE.
Eine der berühmtesten europäischen Darstellungen der Thematik
der Regierung zeigt nicht etwa Amtsträger bei der Ausübung ihrer
Macht, sondern eine florierende Stadt inmitten einer fruchtbaren Landschaft,
und darin eine Gruppe tanzender Frauen. Was der Maler jener spätmittelalterlichen
Fresken im Rathaus von Siena bereits im Auge hatte, brachte Michel Foucault
in seinen Studien zur Gouvernementalité später auf den Punkt:
Regieren ist eine Form des Handelns, welche die Handlungsräume anderer
strukturiert. (Barbara Wicha)
*
Die Politik sei nur noch „symbolisches Handeln“, das sich begnügen
müsse, begrenzende und symbolische Instanz zu sein.
*
Politik als Handeln und Sprechen. H. Arendt betont, daß die menschlichen
Tätigkeiten durch die Anwesenheit anderer Menschen bedingt seien, aber
nur das Handeln sei nicht einmal vorstellbar ohne die Gesellschaft von
anderen: „Handeln allein ist das ausschließliche Vorrecht des
Menschen; weder Tier noch Gott sind des Handelns fähig, und nur das
Handeln kann als Tätigkeit überhaupt nicht zum Zuge kommen ohne
die ständige Anwesenheit einer Mitwelt.“
*
„Politik beruht auf der Tatsache der Pluralität des Menschen. [...]
Politik handelt vom Zusammen- und Miteinander-Sein der Verschiedenen. [...]
Der Mensch ist a-politisch. Politik entsteht in dem Zwischen-den-Menschen,
also durchaus außerhalb des Menschen. (H. Arendt)
*
Handeln heißt bestimmen wollen, was geschieht. Wie jedes soziale
Handeln heißt auch erzieherisches und neuerdings gentechnologisches
Handeln: bestimmen wollen, dass das (gute (Anziehende) geschieht, dass es
mit anderen geteilt wird und dass es sich mitteilt, also bewusst geschieht.
Aber die Polarität und Spannung des Zusammenlebens kann das Bestimmenwollen
nicht aufheben. Je stärker es sich auffährt, desto stärker
sind die Gegenkräfte, die es selbst hervorruft. Mit dem Anziehenden
bringt es das Abstoßende, mit dem gemeinschaftlich Geteilten das Ungeteilte,
mit dem bewusst Bewegten die verborgenen Gegenbewegungen hervor. Die
Macht des Handelns bricht sich an der Widersprüchlichkeit der Werte,
der Widersetzlichkeit der anderen, der Untergründigkeit des Beziehungslebens.
*
„Die Polis war eine Lebensform. Der Staat ist eine rationale Anstalt.“
Konimunitarismus und Liberalismus haben als gemeinsame Grundlage ihres Streites
die Frage, wie die allgemeine Ordnung beschaffen sein soll. Das ist bei
der liberalen Bestimmung der Rechte des Individuums eindeutig. Aber auch
Kommunitaristen untersuchen nicht die Formen und Verflechtungen realer Gemeinschaften,
sondern behaupten die Notwendigkeit, Gemeinschaftlichkeit überhaupt
zu fördern. Und bei den sozialliberalen oder -demokratischen Übergangsgestalten
wächst die Bestimmung des guten Lebens oder der gerechten Gesellschaft
zu ganzen Forderungskatalogen aus, die die Welt abarbeiten muß, will
sie vor der Philosophie bestehen.
Solchen Untersuchungen gegenüber muß Rüdiger Bubner als
jemand erscheinen, der die einfachsten Unterscheidungen nicht verstanden
hat. Für eine Einführung in die politische Philosophie ist sein
neuestes Buch, obwohl vermutlich aus entsprechenden Vorlesungen hervorgegangen,
zu voraussetzungsreich, für einen Debattenbeitrag zu thetisch, und
auch für einen kultur-kritischen Essay taugen die recht konventionellen
Attacken gegen das „Pseudoenglisch der Flughäfen und Hotelketten“
und „die tiefe Langeweile, die das Juste-milieu westlicher Mittelstandsgesellschaften
mit öffentlich organisierter Wohlfahrt ausstrahlt“, kaum. Vor
allem sieht es so aus, als ob Bubner, in Vermengung von Sein und Sollen,
Genesis und Geltung, seine normativen Stellungnahmen durch ein einseitiges
Referat der Geschichte der politischen Theorie erschleicht.
Tatsächlich ist für Bubner der Kommunitarismusstreit nur eine
amerikanische Figuration der politischen Querelle des Anciens et des Modernes.
„Die Polis war eine Lebensform. Der Staat ist eine rationale Anstalt.“
Die Polis als Lebensform wird reflektiert in einer Philosophie, die das
Politische in einer Ontologie des Handelns begründet. Das Handeln verfolgt
in der Zeit und unter mehr oder weniger unabsehbaren Umständen seine
je eigenen Ziele, die mit mehr oder weniger Klugheit nach den gegebenen
Möglichkeiten ausgerichtet wurden. Und das Handeln geschieht in Kooperationen,
deren oberste die autarke Polis ist. Deshalb hat Platon darauf insistiert,
daß jeder das Seine tut, das, worin er sich auskennt und wofür
er sich interessiert. Und Aristoteles hat die Polis als Verschränkung
des Herrschers und Beherrschtwerdens beschrieben. Der Staat dagegen, der
absolutistische wie der demokratische, fußt auf dem Gedanken einer
Willensfreiheit, in der die christliche creatio ex nihilo nur notdürftig
säkularisiert ist. So erwächst die Illusion, alles ließe
sich zu jeder Zeit machen, und der Drang, bei allem mitzureden.
Bubners Sympathie gilt natürlich den Griechen. Besonders interessiert
er sich für den frühneuzeitlichen Aristotelismus, für die
Klugheitsliteratur der Moralisten, für Montesqieu, Humboldt, Hegel,
dann Arendt, Strauss, Voegelin. Dennoch liegt die Pointe seines Buches in
der Darstellung, wie immer neu die politischen Philosophien in Auseinandersetzung
mit dem Traditionsbestand nach Lösungen für aktuelle Probleme
suchen. Politische Philosophen wollen in die Gegenwart eingreifen. Weil
die Gegenwart aber je eine andere ist, können uns überlieferte
politische Philosophien immer nur als Vorbilder oder Beispiele dienen: Praktische
Philosophie darf nicht nach dem Vorbild der theoretischen entworfen werden.
Weit entfernt davon, Normativität erschleichen zu wollen, möchte
Bubner - wie ganz ähnlich der Aristoteliker Bernard Williams - den
Gegensatz zwischen Sein und Sollen, Genesis und Geltung als eine uns problematisch
gewordene Figur politischen Denkens aufweisen. Konsequenterweise erfolgt
dieser Aufweis im Nachvollzug dessen, wie politische Philosophie operiert.
So wird der Leser in eine Haltung eingeübt. Der Philosoph dagegen,
der als kleiner Gott der Welt meint, wenn er seinen Forderungskatalog nur
gut genug begründet hat, könne die Wirklichkeit nicht standhalten,
hat ein Stück Säkularisierungsgeschichte nicht mitgemacht. GUSTAV
FALKE
Rüdiger Bubner: „Polis und Staat“. Grundlinien der politischen
Philosophie. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2002.
* |
12
- Ethik |
als
Ästhetik |
*
Wenn der Begriff nicht stimmt, stimmt das Wort nicht – stimmt das
Wort nicht, stimmt das Handeln nicht
*
In der kritischen Diskussion kann wieder eine Art Schattenöffentlichkeit
erstehen und so zwischen den isolierten Kantischen Bereichen der Kognition,
der Moral und der Ästhetik vermitteln." (Eagleton)
*
Daß in der visuellen Kunst alle Möglichkeiten ausdrucksvoller
Bewegung dazu verwendet wurden, die seelischen Beziehungen zwischen den
handelnden Personen zu suggerieren. Hier aber wird ein anderer Endzweck
aufgestellt; nicht wie hoch oder tief eine Tat an einem anerkannten Maßstabe
erschiene, sondern um den Maßstab selbst handelt es sich: nicht die
Vielen oder die Alle, sondern die wenigen Höchsten – wenngleich nicht
der auf sie selbst zurückschlagende egoistisch-subjektive Empfindungserfolg
ihrer Qualität und Stellung – bilden den definitiven Zweck und Sinn
des Lebens überhaupt. Man mag dies empörend, gefährlich,
unsittlich finden. Allein es bedeutet jedenfalls einen derartigen Wechsel
des Fundamentes der ethischen Beurteilung, daß eine eigentliche Widerlegung
desselben vom entgegengesetzten Standpunkte aus unmöglich ist. Denn
diese könnte nur auf Grund von Kriterien erfolgen, deren Gültigkeit
Nietzsche ja gerade ablehnt: des Gemeinwohls, der Glücks- oder Lebenssumme,
des Kulturfortschritts usw.
*
Wenn Handlungen nicht als individuelle Einheiten identifizierbar sind, dann
sind sie als solche natürlich auch nicht sittlich beurteilbar.
Wer eine Handlung nur als Phasenmoment in einem prinzipiell unabschließbaren
Bedeutungskontinuum begreift, sie also lediglich im Hinblick auf Folgen
und Folgen von Folgen beschreiben möchte, der entzieht sie damit dem
Zugriff von Lob und Tadel. Beurteilbar wäre dann nicht länger
eine konkrete ,Handlung, sondern allenfalls das Ganze einer Lebenspraxis,
wie Spaemann darlegt: "Handlungen müßten nicht sittlich gut sein,
um Teile einer sittlichen Lebenspraxis sein zu können, sondern ihre
sittliche Güte wäre nichts anderes als die Tatsache, daß
sie Elemente einer solchen gelungenen Praxis im Ganzen sind."
...Die analytische Handlungstheorie habe dem ethisch relevanten Problem
der "Basishandlung" große Aufmerksamkeit geschenkt, also dem
Problem der kleinsten, sozusagen " atomaren" Handlungseinheit, die
ihrerseits nicht mehr als komplexe Handlungssequenz verstanden werden kann.
In den moralphilosophischen Diskussionen seien die Ergebnisse dieser Bemühungen
aber bisher kaum rezipiert oder kritisch erörtert worden... CHRISTIAN
GEYER
*
Beim Thema "Ethik und Politik" scheint es um Macht und Moral zu gehen. Sie
galten nach dem berühmten Satz des Schweizers Jacob Burckhardt, "daß
die Macht an sich böse ist", in Europa lange als Gegensatz. So wird
auch in der Gegenwart noch gedacht. Schon Friedrich Nietzsche hat dem jedoch
entgegengehalten, daß Moral auch selbst Macht sein muß, wenn
sie Kontrolle über die Macht ausüben soll, und die
alltäglichste Erfahrung zeigt, daß man auch mit Moral Macht ausüben
kann. Auf der anderen Seite könnte sich Macht nicht halten, wenn sie
sich nicht auf Moral stützt, die sie dann auch bindet. Macht und Moral
stehen so in einem komplexen Verhältnis zueinander und Politik und
Ethik wiederum in einem komplexen Verhältnis zu Macht und Moral. Politik
hat Spielräume im Umgang mit der Macht, in denen sie auch Platz für
Moral und Ethik hat, und Ethik hat entsprechende Spielräume im Umgang
mit der Moral, in denen sie auch Platz für Macht und Politik hat. Die
aktuelle Politik liefert dafür auffällige Anhaltspunkte.
*
Es ist sehr wichtig, dass die Handlungen der ersten Klasse in einem gewissen
Grade in Handlungen der zweiten Klasse transformiert werden. Subjektiv
ausgedruckt bedeutet das, dass man an sehr vermittelten Handlungen ein
unmittelbares Vergnügen findet. (A.Gehlen) |
13
- Erinnerung, Identität, |
als
Intensität, Energie |
*
Hier geht es nicht um die Wahrheit eines Sachverhaltes, sondern um die Übereinstimmung
darin, ob eine Norm „richtig“ ist, d. h. gelten soll. Normenbefolgung bedeutet
die Erfüllung einer generalisierten Verhaltenserwartung, nicht aber
im Sinne der Erwartung eines prognostizierten Ereignisses; dies hieße,
Handlungen von Individuen als kausal bewirkte Bewegungen physikalischer
Körper zu deuten. Alle reinen Verhaltenstheorien begehen diesen Kategorienfehler,
insofern sie den Menschen nicht als zurechnungsfähige Person, die die
Freiheit hat, eine Norm oder Regel zu befolgen oder begründet abzulehnen,
sondern kognitiv als Gegenstand in der objektiven Welt begreifen. (Rudolf
Süsske)
*
"Als kultureller und habitueller Leib ist er gleichzeitig Ablagerungsstätte
geschichtlicher Errungenschaften", die sich in die Physiognomie und Haltung
des Individuums "eingegraben" haben, gleichsam dessen Stil in den Verhaltungen
zur Welt und den Anderen bestimmen und sich einer vollständigen Thematisierung
oder gar Virtualisierung entziehen...
(Rudolf Süsske)
*
Das trügerische Band. Der Individualismus, auf dem das "rational
choice" Modell fußt, ist dagegen ein methodologischer im Sinne
Joseph Schumpeters; sein Hauptzweck ist nicht etwa die - womöglich
auch noch hinreichende - Erklärung des Verhaltens einzelner Individuen,
sondern die Erklärung des "typischen", durchschnittlichen Verhaltens,
wie es sich als soziales Resultat darstellt. Kollektive Entscheidungen
ergeben sich demnach - im Unterschied zu anderen sozialwissenschaftlichen
Theorien - aus der Aggregation individueller Entscheidungen und nicht aus
dem eigenständigen Handeln von Kollektiven.
*
Was die Zuschauer an Lohensteins Dramen entsetzte und schließlich
aus dem Parkett trieb, war der Extremismus der ausgestellten Affekte.
In einer Zeit, als die Psychologie noch nicht erfunden war und freilaufende
Leidenschaften um den Menschen stritten, trieb Lohenstein sie zur Parforcejagd
an. Von Liebe zu Hass bedurfte es nur einer kurzen Wechselrede, Kindermord
fiel leichter als der Schluck Wasser aus dem Glas, und auch der Inzest belastete
dort nicht, wo kein Gewissen war. Wo Gryphius’ Helden die Affektlautstärke
abdrehten und den ruhigen Ton der Beständigkeit anschlugen, gellten
Lohensteins Lustberserker mit spitzem Schrei. Schon der Schüler
hatte 1650 eine Lobrede auf den Elefanten gehalten, diesen Fleisch gewordenen
Widerspruch gegen das mittlere Maß. Und seine Figuren wurden
Affektelefanten, bis zum Taumel durch die Bühnenmanege gepeitscht von
ihren Begierden. Denn auch der Hass versah das „nöthig Amt“,
die Wahrnehmung hellwach und das Handeln durchschlagskräftig zu halten.
*
Mein Handeln ist kurz und manchmal intensiv - sehr rasch, sehr kurz. Genug,
um den Unterschied zum langsamen und umständlichen Handeln wahrzunehmen.
(Paul Valery) |
14
- als Lebenskunstwerk, |
Existenz
als Autor |
*
Der Modebegriff agent wird heute inflationär gebraucht. Entsprechend
schwammig ist sein Konnotationsfeld, obgleich es als Programm bereits von
Turing formuliert worden ist. Nach einer weiten Definition von Laurel bezeichnet
agent jedes Programm mit einem, Bündel Funktionalität, das eine
Aufgabe für eine Person erfüllt. „Aktoren können anthropomorph
dargestellt werden, d. h. als Schauspieler - aber sie müssen es nicht".
Im engeren Sinne wird das Wort für Programme verwendet, die eine menschenähnliche
Intelligenz zeigen, also etwa die Absichten ihres menschlichen Benutzers
verstehen", eigenständig und angemessen auf Situationen reagieren,
Entscheidungen treffen und lernen können.
* |
15
- als Sprache, Oralität, Stimme, als Akustisches |
als
Performanz, die Rede , Sprechakt, Performativität |
*
Ausgangspunkt war zunächst die Unterscheidung zwischen konstativen
Sätzen, die wahr oder falsch sein können, und performativen Sätzen,
die gelingen oder nicht gelingen, und bei denen die Wahrheit keine Rolle
spielt. Der performative Status sprachlicher Äußerungen beruht
auf der Verwendung spezieller Verben, den sog. performativen Verben wie
kündigen, danken, geloben (die in der 1. Person Präsens Indikativ
Aktiv stehen müssen). (Tilmann Altwicker)
*
H. Arendt geht dem Wort ‘Handeln’ in seiner ursprünglichen Bedeutung
nach. Im Lateinischen und im Griechischen gäbe es für Handeln
zwei verschiedene, aber doch in Zusammenhang stehende Worte. Im Latein seien
das z.B. agere und gerere, agere bedeute ‘in Bewegung setzen’ oder ‘anführen’,
die Grundbedeutung von gerere sei ‘ausführen’ oder ‘vollziehen’. Das
Handeln sei also ursprünglich in zwei Stadien unterteilt gewesen: Anfangen
und Beenden. Im Sprachgebrauch habe sich dann die Bedeutung des Beendens
für das gesamte Handeln durchgesetzt, während das Anfangen zumindest
im Politischen die ganz spezielle Bedeutung des Herrschens angenommen habe.
Arendt geht es darum, diese verlorengegangene Bedeutung des Handelns wiederzubeleben
und in einer neuen Politikwissenschaft v.a. das Handeln als Beginn von etwas
Neuem erforschen.
*
Emergenz
*
Hannah Arendt, die in ihrem Buch „Vita activa oder Vom tätigen Leben“
auf der aristotelischen Unterscheidung von Herstellen und Handeln aufgebaut
und sie präzisiert hat, schreibt dazu, dass „ ... sich das spezifisch
menschliche Leben, die Zeitspanne, die ihm zwischen Geburt und Tod zugemessen
ist, in den Tätigkeiten des Handelns und Sprechens (realisiert), die
immerhin mit dem Leben soviel gemeinsam haben, dass auch sie in sich selbst
flüchtig sind und vergänglich“. Und sie schreibt weiter: „Handelnd
und sprechend offenbaren die Menschen jeweils, wer sie sind, zeigen aktiv
die personale Einzigartigkeit ihres Wesens, treten gleichsam auf die Bühne
der Welt, auf der sie vorher so nicht sichtbar waren, solange nämlich
als ohne ihr eigenes Zutun nur die einmalige Gestalt ihres Körpers
und der nicht weniger einmalige Klang der Stimme in Erscheinung traten.“
Und weiter - was nämlich den interaktiven Charakter des Handelns -
im Unterschied zum Herstellen - betrifft: „Handeln, im Unterschied zum Herstellen,
ist in Isolierung niemals möglich; jede Isoliertheit, ob gewollt oder
ungewollt, beraubt der Fähigkeit zu handeln. ( Aus Hubert Sowa -
*
Sprechen und Zeichen-Geben sind aber ihrerseits auch Weisen des Handelns,
und Handeln ist wiederum ein Vorgang in der Zeit und wird in Sprache und
Zeichen gedeutet. So ergibt sich eine Struktur wechselseitiger Abhängigkeiten,
und als solche Struktur scheint unsere Orientierung zu funktionieren: unsere
Fähigkeit, uns in ständig wechselnden Situationen - d.h. zu jeder
Zeit neu - mit Hilfe von Zeichen zurechtzufinden und daraufhin sinnvoll
zu handeln.
*
Die Kasusgrammatik hat indirekt die Handlungstheorie befruchtet, und dies
in ungleich höherem Maße als CHOMSKY. Der Grund liegt darin,
daß sie die Syntax der Sprache von der Handlung her deutet und nicht,
wie CHOMSKY, von der Logik des ARISTOTELES her.
Die Tiefenstrukturen, die den Sätzen aller Sprachen zugrunde liegen,
sind semantischer Natur. Sie entsprechen der Struktur der menschlichen Handlung,
in der die an der Handlung partizipierenden Instanzen in ganz bestimmten
Rollen oder Funktionen auftreten: Als Aktor (a, englisch agent, deutsch-lateinisch
häufig auch als agens übersetzt), Empfangender, später auch
Erfahrender (e, englisch recipient. später experiencer), Instrument
(i), Objekt (o). Ursprung (s. englisch source), Ziel (g, englisch goal),
Lokativ (1) und Zeit (t). Die an der Handlung partizipierenden Elemente,
auch „Aktanten“ genannt, bilden das Kasusmilieu, in das das Verb eingesetzt
wird (FILLMORE 1968, 32). Dieses hat seinerseits semantische Charakteristika,
die es in ein bestimmtes strukturelles Milieu passen läßt und
es darin einsetzbar macht. So bildet das Verb, zusammen mit der es umgebenden
Kasusstruktur, den semantischen Kern des Satzes. Seine Oberflächenstruktur
entsteht gemäß Umsetzungsregeln aus der semantischen Tiefenstruktur.
Hier liegt eine Deutung des Satzes vor, die unmittelbar zu einer Deutung
der Handlung verallgemeinert werden kann. Im Zentrum des Satzes steht das
Verb. Handlungstheoretiker werden sagen: Der Kern einer Handlung ist das
Handlungsschema. Jedes Verb hat seine charakteristischen Leerstellen, es
fordert gewisse Kasuspositionen: So auch das Handlungsschema. Die Handlung
des Gebens impliziert einen Geber, einen Nehmer und ein gegebenes/genommenes
Objekt.
*
„Rationalität und Freiheit sind implizit in dem, was Lebewesen tun,
die Begriffe verwenden, das gilt für jeden, der überhaupt sprechen
und handeln kann.“
*
Die Grenzen der Sprache sind die Grenzen des Handelns.
*
John Newman (Palmerston North, Neuseeland) demonstrierte anhand von elementaren
Begriffen wie sitzen und stehen, geben, nehmen, essen oder trinken, welche
vielfältigen grammatischen Aufgaben diese Wörter in zahlreichen
Sprachen übernehmen, wo sie beispielsweise Aktiv und Passiv markieren
oder zur Unterscheidung dynamischer Abläufe und statischer Zustände
dienen. In einigen Sprachen wird die ganze Welt durch Wortklassen in sitzende,
stehende oder liegende Dinge eingeteilt. In solchen Verben schlagen sich
elementare Körpererfahrungen, Bewegungen und Tätigkeiten nieder.
Sie prägen auch kognitive Prozesse, was ihre Grammatikalisierung erklären
könnte. Offen ist, warum diese Verben sich untereinander in ihren Flexions-
und Wortstellungs- eigenschaften oft stark unterscheiden, obwohl sie gemeinsame
Basisfunktionen verrichten.
*
„Nichts kann sich nirgends ereignen. Der Schauplatz des Geschehens
färbt immer auf das Geschehen ab und formt es oft sogar in gewissem
Masse. Nachdem die Handlung vorherbestimmt, was zu geschehen hat,
muss ein Schauplatz, müssen Schauplätze gefunden, ausgewählt
werden, die dem Geschehen die gewünschte Kraft verleihen.“ Der Roman
lügt. Der wolkenlose Himmel des Nachmittags wird transparent, als er
gegen Abend an Farbe verliert.
*
Akt m. “Handlung, Vorgang, Geschehen.”, entlehnt
(Actus Mitte 15.Jahrhundert, Act, Mitte 16. Jahrh.., Akt 18 Jahrh.) aus
lat.actus „Bewegung, Handlung, Darstellung, abschnitt“, einer
Substantivbildung zu tat. agere (actam) in Bewegung setzen, treiben, handeln,
tätig sein‘ (s. agieren). Akt begegnet anfangs in der Bedeutung
‘bedeutsamer (auch gerichtlicher) Vorgang‘, die noch in Zusammensetzungen
wie Staatsakt, Weiheakt (18. Jh.) und Gewaltakt, Gnadenakt (19. Jh.) deutlich
wird, sowie in der ebenfalls aus dem Lat. übernommenen Bedeutung ‘Aufzug
eines Bühnenwerks‘ (um 1600). In der 2. Hälfte des 18. Jhs.
wird Akt ein Fachwort der bildenden Kunst und bezeichnet die Stellung des
nackten lebenden Modells. die danach zu Studienzwecken gefertigte Zeichnung
(Aktstudie, 2. Hälfte 19. Jh.) und die künstlerische Darstellung
des nackten menschlichen Körpers. In der Verwaltungssprache steht Akt
landschaftlich (bes. südd.) auch im Sinne von ‘schriftlich festgehaltener
Vorgang. über Vorgänge (und Personen) angefertigter Schrittsatz‘
(1. Hälfte 17. Jh.). wohl Rückbildung ans dem Plural Akten (s.unten).
- Akte f. (landschaftlich Akt m. s.oben) ‘schriftliche Unterlage zu
einem bestimmten Vorgang. Schriftstück‘. bes. im Gerichts- und
Verwaltungswesen (1. Hälfte 15. Jh.), rückgebildet aus dem häufiger
belegten Plur. Acta, Akta bzw. Akten. aus lat. dem ‘Vorgänge.
Ausführungen‘, eigentl. ‘das Verhandelte‘, dem substantivierten
Neutr. FIu r. des Part. Perf. von lat. agere (s. oben) vgl. die Wendung
ad acta (‘zu den Akten‘) legen (1. Hälfte 17. Jh. ).
Akteur m. ‘Handelnder. Schauspieler‘. Übernahme (Mitte
18. Jh.) von gleichbed. frz. acteur, entlehnt aus lat. actor ‘handelnde
Person, Schauspieler, Redner, Sachwalter‘. Nomen agentis zu lat. agere
(actum) ‘in Bewegung setzen, treiben, handeln, tätig sein, eine
Rolle spielen‘ (s. agieren). Akteur wird lange Zeit als fremdsprachlicher
Ausdruck empfunden (die Pluralform Acteurs, Akteurs findet sich vereinzelt
noch bis zu Anfang des 20. Jhs.). Akteur (sowie Aktrice f. ‘Schauspielerin‘,
1. Hälfte 18. Jh., nach gleichbed. frz. actrice‘. spätlat
. actrix, Gen. actricis ) ersetzt weithin das pejorativ empfundene Komödiant
(s. d.) wird jedoch zu Beginn des 19. Jhs. von SchauspieIer (s.d.) zurückgedrängt.
*
Die Bildung von Kategorien dient jedoch nicht nur der Sprach-,
sondern auch der Handlungsökonomie. Unsere Begriffe sind ganz buchstäblich
aus dem Begreifen der Dinge, aus den ersten sensumotorischen Erfahrungen
des Säuglings abgeleitet; und sie dienen auch wesentlich zur Handlungskontrolle.
Die Wörter lehren uns nicht nur, was in der Welt vorhanden ist, sie
suggerieren in vielen Fällen auch schon, wie wir uns dem gegenüber
verhalten sollten. Da wir auf alle möglichen Objekte ständig reagieren
müssen, oft möglichst schnell, entlastet uns das in Stereotypen
angesammelte Erfahrungswissen unserer Sprachgemeinschaft bei Handlungsentscheidungen.
Daß sich ein Stereotyp im Einzelfall immer wieder einmal als unzutreffendes
Vorurteil herausstellen kann, ist der so unvermeidliche Preis der Vereinfachung,
daß wir auch darüber schon ein Stereotyp gebildet haben: in Form
der landläufigen Meinung, daß Ausnahmen im Grunde nur die Regel
bestätigen.
* |
16
- als Beobachtung, Exerzitium |
als
Erkenntnis |
*
Die Kosmologen unserer Gegenwart weisen nur darauf hin, daß eine Konsistenz
- und zwar eine ontologische Konsistenz zwischen dem Beobachter und dem
beobachteten Universum bestehen muß.
Da alle Phänomene vergänglich sind, muß man die Frage stellen,
ob unsere Beobachtungen der Expansionen und Kontraktionen des Universums
mit der Emergenz und dem Verschwinden verschiedener Typen von Beobachtern
zusammenhängen könnten
*
In welcher Beziehung steht das Handeln, beziehungsweise das Planen von Handlungen,
zum (Welt-)Bild? Was verbindet die beiden? (Bruner)
*
Die grundlegende Konstante in der Erwägung des Willens bei Wittgenstein
ist, dass Wittgenstein den Willen als einen internen Aspekt der Handlung
selbst auffasste und nicht als ein besonderes, der Handlung vorangehendes
seelisch-geistiges Phänomen. Den Wunsch dagegen fasste er als ein empirisches
Phänomen, das der Handlung zeitlich vorangehen kann und vom Willen
logisch unabhängig ist. Diese Unterscheidung der logisch-internen Aspekte
der Handlung und der psychologischen, empirischen Aspekte der Handlung ist
ziemlich ungewöhnlich, doch sie ist mit der ständigen Opposition
Wittgensteins zu jedweder Form des psycho-physischen Dualismus verbunden.
Alles Phänomenale, d.h. auch alle psychischen oder physiologischen
Phänomene gehören nach Wittgenstein nämlich zur Welt, also
zu den Tatsachen, die man empirisch beschreiben und kausal erklären
kann, doch alles, was am Menschen und seiner Handlungen immateriell zu sein
scheint, stellt verschiedene logisch-interne Aspekte der psychischen und
physischen Tatsachen dar, die sich nur mittels bestimmter sprachlicher Mittel,
z.B. mittels der formalen Sprache oder mittels sogenannter Scheinsätze
erweisen können. Wille ist demnach kein "geistiges" Gegenteil des Physischen,
sondern drückt die logische und grammatische Artikulation des menschlichen
Wesens aus.
*
Dann wurden sie aufgefordert, die nämlichen Strecken erst im Geiste
zurückzulegen und danach abzuschreiten. Beim Vergleich der gestoppten
Zeiten stellte sich heraus, daß Ausführung und Vorstellung kaum
von einander abwichen. Simulationsprozesse laufen so exakt ab,
daß virtuelle Bewegungssequenzen genausolange dauern wie reale.
Wer sich eine Aktion nur vorstellt, anstatt sie auszuführen, erreicht
beinahe dieselbe Intensität an Aktivität in bestimmten Hirnregionen
wie der Handelnde. Für das Gehirn ist es fast kein Unterschied, ob
man trainiert oder nur auf dem Sofa liegt und sich ein Training vorstellt.
Das liegt daran, daß Wahrnehmung und Handlung dieselben Hirnareale
aktivieren.
*
Aktion - Re-Aktion
Für die instinktive Entscheidung, ob man flüchten, bleiben oder
angreifen soll, waren die Berechnung und Antizipation fremden Agierens notwendig.
Wenn zum anderen bereits die Wahrnehmung von Bewegung in ihrer Ausführung
trainiert, sichert häufige Beobachtung schneller Aktionen rasches Handeln
im entscheidenden Augenblick.
*
Das „Bild“ ist nichts anderes als das akkumulierte und organisierte
Wissen des Menschen über sich selbst und die Welt, in die hinein
die Handlungspläne entworfen, und auf die die Operationen gerichtet
sind.
*
"Bewußtsein ist ein unbewußter Akt." Es ist ein Satz von William
James. Aber stets ist das letzte Bewußtwerden wieder ein unbewußter
Akt wie Gehen, Essen, Atmen.
*
Eine genetisch eingeprägte Wissbegierde führt nur vordergründig
zu mehr Wissen, Bewusstseinserweiterung und Aufklärung. Hinter
dem Fangnetz des Fortschritts, in dem nur einige besonders angeleuchtete
Fische hängen bleiben, schließt sich die Dunkelheit des Meeres
und (ver)birgt die Grundlagen des Beziehungslebens. Sie dürfen
uns als Handelnden nicht bewusst sein - sowenig wie dem Läufer die
Vorgänge in seinem Körper, solange er läuft.
*
Das Paradox: Wenn ich arbeite, arbeite ich nicht und wenn ich nicht arbeite,
arbeite ich bezeichnet diesen Vorgang, diese Methode ziemlich genau.
*
Wo es aber keine Handlung gibt, da gibt es keine Bewährung,
und wo das Denken handlungsfern verstanden wird, da geschieht es
leicht, daß auch die Bewährung des Gedankens, die man die Verifikation
nennt, nicht hoch im Kurse steht. Ja, man könnte radikal formulieren:
Wo die Bewährung fehlt, da gibt es letztlich kein Wahr und Falsch.
Denn wahr ist, was sich in der Handlung und im Denken bewährt.
...Vielleicht gibt es in der Entwicklung des westlichen Denkens eine breitere
und tiefere Verbindung zwischen christlicher und jüdischer Ausrichtung
am Gesetz, zwischen dem Versuch, vor seinem Anspruch zu bestehen, und der
Wahrheitssuche des Denkers und Wissenschaftlers, die spüren. daß
sich auch ihr Denken vor dem Anspruch der Wahrheit bewähren muß.
Wenn dem so wäre, so hätte ein Denken, das sich als handlungsfremd
versteht, viel zu verlieren. Denn im Bereiche der Handlung ist Bewährung
zuerst und für jeden sichtbar möglich und nötig. Ja, man
käme zu der überraschenden Schlußfolgerung, daß es
auf lange Sicht nicht die Orientierung an einem handlungsfreien, „reinen“
Denken ist, die sein Wahrheitsstreben lebendig erhält, sondern im Gegenteil
ein Denken, das sich ständig in Handlung übersetzt — als Experiment
und als Anwendung —‚ weil in dieser die Bewährung und damit die Wahrheit
am lebendigsten und konkretesten sichtbar wird.
Damit ist auch gesagt, daß eine solche Sicht des Verhältnisses
von Handlung und Denken die Würde des letzteren keineswegs mindert
und keinem Relativismus der Beliebigkeit verfällt: Wir sehen im Handeln
ein Streben nach Ordnung und Struktur, das sich im Denken in reinerer Form
fortsetzt. So ist das Handeln auf ein Ziel der Transparenz und der Ordnung
hin angelegt. Das Streben nach ihm motiviert den Handelnden und den Denker,
denn wo Ordnung ist, da ist Leben; Verwirrung und Chaos bedeuten Tod. Hans
Aebli - Denken: Das Ordnen des Tuns
* |
17
- als Spiel, aleatorisches Spiel, Leistung, Maschine, Spielzeug, Marionette |
als
Spiel, Karneval, Entertainment, Zirkus |
*
Übrigends, wir spielen nicht, wir handeln A. Artaud
*
Kommunikationstechnologien: (Photosammlung),
Spieltheorien
*
Spiel ist ein freiwilliges, angenehmes, spontanes Verhalten, ohne direkt
erkennbare Funktion. Spiel ist womöglich aus dem Instinktverhalten
entstanden, ist ein Teil von ihm.
*
„daß das Tun und Treiben der Menschen untereinander vielmehr einem
Puppenspiel gleiche, in dem die Drähte von unsichtbarer Hand gezogen
werden" (Plato)
*
Handeln - nicht als Eingeben von Daten und Lesen des Ergebnisses Stunden
oder Tage später, sondern als dynamische Echtzeitrückkopplung
- begann mit Simulatoren und Spielen.
*
Er ist Teilnehmer „im Spiel des Gebens und Nehmens von Gründen“.
*
Genau zwei Jahrzehnte später, als der Computer zum ersten Mal aus bewachten
Rechenzentren hinaus in Kaufhäuser und Wohnzimmer kam, tat er dies
wiederum in der Form von Spielen. Die Tischtennis -Simulation Pong von Atari
war 1972 das erste. Spiele sind Simulationen. In den frühesten Formen
simulierten sie die Regeln und Strategien von Brettspielen. Mathematiker
aus Spieltheorie und der KI vergnügten sich von Beginn an mit Schach,
Tic-Tac-Toe, Turm von Hanoi und Volkswirtschaft. Später simulierten
games technische (z. B. militärische Flugsimulatoren, die als Unterhaltungsprodukt
wiederauftauchten) und soziale Systeme (z. B. Rollenspiele wie SimCity).
In Spielen wie in Simulationen übernimmt der Computer die Funktion
einer Handlungsinstanz, eines Gegenspielers, eines Gegenüber, das
so tut, als sei es ein Drache, ein feindlicher Außerirdischer, ein
Mensch, eine Regierung oder schlicht das Schicksal. Der Computer stellt
außerdem den Spielraum zur Verfügung, in den sich die menschliche
Spielerin als Sprite, Avatar oder Persona projiziert - ein großmäuliger
gelber Kreis, ein Klempner oder ein wirbelnder Igel. Eine Marionettenversion
der eigenen Person, die man per Joystick fernsteuert. Dies ist das erste
Mal, daß nicht nur Auge und Ohr, sondern die Hand auf die andere
Seite des sprichwörtlichen Spiegels hindurchreicht. (Grassmuck)
*
Die Ausgangsstruktur der Kind-Maschine sei, ähnlich wie das Gehirn
eines Neugeborenen, weitgehend zufallsbestimmt. Damit man sie erziehen kann,
bräuchte sie Sinnesorgane und Organe, um sich zu äußern.
Sie bekäme Aufgaben in einer geeigneten Form vorgelegt. Ähnlich
wie ein Kind würde sie Antworten probieren, die anfangs fast immer
falsch wären. Der Lehrer reagierte mit Bestrafungs- oder Belohnungs-Signalen.
Mit der Zeit bildete sich in der Maschine ein Satz bewährter
Methoden heraus, ihr Charakter. Hat man das Lernverhalten dieses
Kindes eine Weile beobachtet, würde man allgemeine Erziehungsrichtlinien
definieren und ebenfalls in die Maschine programmieren können. Man
könnte das System dann eine ganze Weile laufen lassen und darauf wie
eine Art 'Schulinspektor' einbrechen und sehen, welcher Fortschritt gemacht
wurde. (Grassmuck)
*
In dieser Hinsicht ist die Besessenheit ein paralleles Phänomen zur
Entstehung des Theaters im 16. und I7- Jahrhundert. Der Übergang vom
mittelalterlichen Karneval zum Theater des 17. Jahrhunderts findet
zu einer Zeit statt, als das Bild, das die Gesellschaft von sich selbst
hat, sich lokalisiert, objektiviert und miniaturisiert, indem es aufhört,
populäre Liturgie zu sein. Auf der kleinen Bühne der Besessenheit
spielt sich eine Modifizierung erkenntnistheoretischer, politischer und
religiöser Strukturen ab. Schließlich versuchte ich zu analysieren,
wie die auf dieser Bühne in ein paar wenigen Jahren stattfindenden
Verschiebungen den Wert eines Symptoms für den Kampf, der zur selben
Zeit den ganzen Sozialkörper veränderte, erhielten. Loudun
ist abwechselnd ein Metonym und eine Metapher, die es ermöglicht zu
verstehen, wie eine »Staatsräson«, eine neue Rationalität,
die religiöse Vernunft ersetzt. Diese erste Studie mit dem Titel La
Possession de Loudun versuchte, das diabolische Schauspiel als ein soziales
Phänomen zu verstehen; sie untersuchte die Regeln, denen das Spiel
der Personen in der religiösen, medizinischen oder politischen Sphäre
folgte, sowie die Beziehungen, welche die Prozesse sozialer Akkulturation
zu einer Logik des Imaginären unterhielten...
... Ein Diskurs des Anderen?
Jetzt möchte ich eine Frage untersuchen, die ich bisher beiseite gelassen
habe und die ich zunächst unter das Zeichen einer Übertretung
der Besessenen selbst stellen möchte: Gibt es in der Besessenheit einen
»Diskurs des Anderen«?
Anders ausgedruckt, mein erster Interpretationsversuch ließ einer
Frage nicht genügend Raum, die dennoch am Horizont aufblitzte - d.h.
gerade dem Diskurs der Besessenen, insofern als von diesem Diskurs gesagt
wird, er werde von einem Anderen gesprochen.” Ein anderer spricht aus mir
”: sagt die Besessene. Diese Frage konnte nur nach einer historischen
Untersuchung des soziokulturellen Theaters, in dem sie auftaucht, behandelt
werden. In der Beziehung der Akteure von Loudun muß man aber
die Kombination zweier dissymetrischer Positionen noch genauer analysieren
- die der Besessenen und die ihrer Richter, Exorzisten, Ärzte usw.
aus: Michel de Certeau: Das Schreiben der Geschichte
* |
18
- als Erscheinung, Werk, Bild, Skulptur, |
als
Produkt, Wissen |
*
„Im Steine schläft mir ein Bild, das Bild meiner Bilder. Ach,
daß es im härtesten, häßlichsten Steine schlafen muß!
Nun wütet mein Hammer grausam gegen sein Gefängnis. Vom Steine
stäuben Stücke.“ (Zarathustra, 122)
*
Die Frage, mit der die Würdigung der Ekeltechniken endete, ob nämlich
Provokation als eine zentrale Strategie der modernen Kunst an ihr Ende gelangt
ist, läßt sich nicht allein anhand ihrer Mittel beantworten.
(Grasskamp)
*
Es könnte sein, so spekuliert der Initiator des Symposions, der Mathematiker
und Philosoph Ivar Hagendoorn, daß das Vergnügen am Schönen,
Graziösen und Eleganten im Tanz darauf beruht, daß das Gehirn
seine antizipatorischen Berechnungen von Bewegungen auf der Bühne eingelöst
sieht.
*
Handlungswissen. Die drei Darstellungsmedien für die Erfahrung
und das Wissen des Menschen, die Handlung, das anschauliche, wahrgenommene
oder vorgestellte Bild und die Sprache (beziehungsweise ein anderes Symbolsystem).
Es gibt ein Wissen, das im Ausführenkönnen einer Handlung steckt,
das „enaktive Wissen“, es gibt ein Wissen, das wir uns vergegenwärtigen,
indem wir ein anschauliches Bild betrachten oder es uns vorstellen, das
„ikonische Wissen“, und es gibt jenes Wissen, das wir uns in Zeichen repräsentieren:
das „symbolische Wissen“. (Bruner)
*
Wer Projekte für den Stoff der Geschichte hält und Projektemacher
für ihre Leistungsträger, den interessieren wie A. Kluge Heere
mehr als Fabriken, Gerichte mehr als Verwaltungen, Expeditionen mehr als
das Leben in den Städten. Denn das eine ist die Welt begrenzter
Aufgaben, sie besteht aus Handlungen, die aufhören, wenn sie ihren
Sollwert erreicht haben, das andere hat kein Ende in sich. In griechischen
Begriffen: Kluge befaßt sich mit Technik und Poesie, nicht mit Theorie
und Praxis, Produktion, nicht Kontemplation ist sein Metier.
*
Damit es zur Übertragung dieser technischen Lösung in einen neuen
Kontext kommen konnte, bedurfte es, wie man im Rückblick sehen kann,
nicht nur eines bestimmten kulturellen und sozialpolitischen Umfelds, sondern
auch der Bereitschaft, sein Handeln "bestimmen zu lassen".
Eine parallele und zugleich alternative Sequenz von Gedanken zur Entstehung
von Wissen setzt ein mit der Beobachtung einer besonderen Nähe zwischen
dem Begriff der Emergenz und dem Begriff des "Phänomens". Entsprechend
der ursprünglichen griechischen Bedeutung dieses Wortes ist ein Phänomen
etwas, das "erscheint", etwas, das "sich zeigt". Könnte man daraus
schließen, daß Phänomene ausschließlich in Prozessen
der Emergenz zutage treten und daß diese Emergenzen, damit sie wirklich
zu "Erscheinungen" werden, die Dimension der Verkörperung und des Raumes
einschließen müssen? Wenn die Spekulation erst einmal diesen
Punkt erreicht hat, dann liegt es nahe zu fragen, ob nicht - ganz entgegen
unserer modernen philosophischen Tradition - die Entstehung von Wissen auf
der Seite des Objekts einsetzen könnte, was implizierte, daß
es die Objekte sind, welche sich ihre Beobachter-Subjekte auswählen.
Aber vielleicht ist der Gedanke an eine Priorität des Objekts gegenüber
dem Beobachter-Subjekt allein rhetorisch wirksam, nämlich um zu zeigen,
wie arbiträr die entgegengesetzte Grundannahme moderner Wissenschaft
von der absoluten Priorität des Beobachters ist. Eher als eine
Prioritätsannahme für die eine oder für die andere Seite
hat sich während des vergangenen Jahrzehnts in verschiedenen Wissenschaften
der Gedanke einer gleichzeitigen Emergenz von Beobachter Subjekt und Gegenstand
der Beobachtung durchgesetzt.
*
flash-mob
Was ist das, wenn bei sengender Sonne plötzlich eine Handvoll Menschen
auftauchen, Regenschirme aufspannen, zwei Minuten hochkonzentriert aus ihren
Lieblingsbüchern vorliest und genauso plötzlich wieder verschwindet?
Unmotiviert klatscht ? Plattenläden stürmt und die Verkäufer
mit Fragen nach nicht existenten Musiktiteln in den Wahnsinn treibt? Dada
oder einfach gaga? Offensichtlich ein Riesenspaß. Denn das "Flash-Mob
Fieber" aus den USA greift auch in Europa um sich. Flash-Mobs (von
"flash crowd" - blitzartig auftauchende Menge) nennen sich jene
spontanen Kurz-Meetings von maximal zehn Minuten. Das skurrile Gesellschaftsspiel,
zu dem sich die Teilnehmer per Internet verabreden, hat auch in Köln
schon den Praxistest bestanden. Im Netz standen die genauen Anweisungen:
Um Punkt 17.07 Uhr vor dem Domportal die Hände in die Luft reißen,
sich 15 Sekunden im Kreis drehen und "Ecki, Ecki, Ecki" schreien.
Die Reaktionen waren die beabsichtigten: Kopfschütteln, verunsichertes
Grinsen. Ein paar Meter neben dem "Mob" komplettierte ein kirchlicher
Kinder-Chor die surreale Szene. Nach 15 Sekunden war der Spuk vorbei.
Was sich bekloppt anhört, ist es wohl auch - aber die Welt hat schon
andere seltsame Freizeitbeschäftigungen kommen und gehen sehen: Extrembügeln,
Sangria aus Eimern trinken, Pfahlsitzen. Verwunderlich ist schon eher, dass
ein Mann wie der US-Medientheoretiker Howard Rheingold den Unfug als Teil
einer sozialen Revolution einschätzt. Diese speise sich aus den Aktivitäten
meist junger Leute, die ihr Leben mit Handy und Minicomputer koordinieren.
Dazu zählten auch Drahtlos-Surfer oder Globalisierungsgegner, die spontan
Demos via Handy organisieren. "Smart Mobs" nennt er das Phänomen
von Leuten, die gemeinsam handeln, ohne sich zu kennen. Zur weiteren Erforschung
sollte Rheingold in jedem Fall Ende August nach Zwiekau fahren. Dort soll
eine euphorisierte Menge auf dem Georgenplatz vor dem Trabi-Denkmal niederknienen
und zwei Minuten rufen: der Trabant, der Trabant, der hatte noch Verstand!"
*
...TUN
Tun ist also absichtsvolles. zielgeleitetes Verhalten. Von CRANACH (1980)
hat es jüngst wieder hervorgehoben. Dabei muß man allerdings
sofort eine Einschränkung anbringen. Die Mittel, mit deren Hilfe er
seine Ziele erreicht, setzt der Mensch häufig nicht bewußt ein.
Man kann es auch anders sagen: Die Teil- und Zwischenziele seines Tuns und
damit die Mechanismen seines Verhaltens sind dem Menschen häufig nicht
bewußt. So braucht man ihn nur zu fragen. wie er eigentlich die Sätze
seiner Rede konstruiere, oder wie er es anstelle, von einem Stuhl aufzustehen,
um die fast vollständige Unkenntnis der Mechanismen des eigenen Verhaltens
zu erkennen. Ja, BINET (1922) ist so weit gegangen, sogar das Denken als
eine unbewußte Tätigkeit zu bezeichnen. Er wollte damit sagen.
daß wir in unseren Denkprozessen zwar die hauptsächlichen Ziele
kennen, daß uns die Schritte unseres Vorgehens und die sie leitenden
Teilziele jedoch nicht bewußt sind. Diese geringe Bewußtheit
der Teilvorgänge besteht insbesondere im Bereiche der Tätigkeiten,
die stark in der Körperorganisation verankert sind, und im Bereiche
der Automatismen. Ein Beispiel der ersteren sind die Wahrnehmungsvorgänge:
Zwar wissen wir in der Regel sehr genau, was wir suchen oder betrachten,
aber wie wir das tun, können wir nicht sagen. Ebenso bei einem Automatismus
wie z. B dem Tanzen oder dem Nachsprechen eines Satzes: Das Wie unseres
Vorgehens können wir nicht beschreiben. Wir sprechen in diesen Fällen
von Tätigkeiten: von Wahrnehmungstätigkeiten und von automatisierten
Tätigkeiten, in Anlehnung an den Sprachgebrauch der Physiologen und
der Marxisten.
Gelegentlich ergibt sich die Notwendigkeit. von abgegrenzten Einheiten des
Tuns zu sprechen. Wir verwenden dazu den Begriff des „Aktes, der an
Aktivität, Tätigkeit erinnert. Ein Akt wäre daher das abstraktere
Gegenstück zum Handlungsschema, der abgegrenzten Einheit des Handelns.
*
Jedes Tun ist Erkennen, und jedes Erkennen ist Tun. Handle stets so, dass
die Anzahl der Wahlmöglichkeiten steigt. Wahrnehmung ist ein Erfinden,
nicht ein Entdecken.
*
Gedanken und Fragmente zu einer Kunst des Handelns
Handlungen sind Derivate (abgeleitetes) erster Ordnung, die ohne über
Kultur vermittelte Orientierung gar nicht erst zustande kommen. ...
Als Aktion ist das Handeln primär narzisstisch. Der Mensch ist im Grunde
ein Handelnder - die skandalöse Kontingenz des Bedeutungslosen: wir
sind nicht gemeint.
- Handeln heißt Tatsachen schaffen, eine Welt realisieren, Werte begründen
ohne Relationen Suspendierung von Ethik (?) Vita Activa.
- Verschiedene Typen des Handelns:
Anfangen, Praktiken, Taktiken, Strategien, Infamie, poetisches Handeln,
symbolisch, etc.
- Handeln heißt bestimmen wollen, was geschieht. Alles Handeln nämlich
geschieht in Räume hinein, wo bereits gehandelt wurde, in organisierte
Räume mithin, von deren Organisation der Handelnde eine Vorstellung
haben muss.
- Denn soll moralisch gutes Handeln (?) Leben möglich machen, indem
es den manifesten Ausbruch stets latenter Gewalt verhindere, bedarf es einer
Vorstellung davon, wie in der vorfindlichen Gesellschaft Gewalt bis anhin
gebunden wird, an die Vaterrolle beispielsweise in patriarchalischen Gesellschaften,
die es entsprechend zu repräsentieren und zu würdigen gilt. Ein
handlungs-anweisendes Bild der bestehenden Machtverhältnisse also ist
den Sinnen mit der Aufforderung zu gutem Handeln zu liefern, und auch dies
ist eine Funktion, die Religion ausübt, wie besonders die modernen
Sozialwissenschaften seit Emil Durkheim betonen.
Er nennt sie: ein System von Ideen, mittels dessen die Individuen sich ihre
Gesellschaft und ihr Verhältnis zu dieser Gesellschaft vorstellen.
Wie jedes soziale Handeln heißt auch erzieherisches Handeln: bestimmen
wollen, dass das gute (Anziehende) geschieht, dass es mit anderen geteilt
wird und dass es sich mitteilt, also bewusst geschieht. Aber die Polarität
und Spannung des Zusammenlebens kann das Bestimmenwollen nicht aufheben.
Je stärker es sich auffährt, desto stärker sind die Gegenkräfte,
die es selbst hervorruft. Mit dem Anziehenden bringt es das Abstoßende,
mit dem gemeinschaftlich Geteilten das Ungeteilte, mit dem bewusst Bewegten
die verborgenen Gegenbewegungen hervor. Die Macht des Handelns bricht sich
an der Widersprüchlichkeit der Werte, der Widersetzlichkeit der anderen,
der Untergründigkeit des Beziehungslebens.
Ihren stärksten Widerpart aber hat menschliche Macht in der Zeit. Jedes
Bestimmenwollen gilt nur zum Zeitpunkt der jeweiligen Gegenwart. Es wendet
sich damit ob von allem, was bisher geschehen und gemacht worden ist. Und
es versucht, vorweg zu bestimmen, was geschehen und gemacht werden wird.
Diese Anmaßung einer ständig vergehenden Gegenwart gegenüber
einer andauernden und bestimmten Herkunft und einer unbestimmten Zukunft
wird bestraft: Immer sind die Folgen des Bestimmenwollens anders als gewollt.
Der größte Widerstand ist dem Handelnden das Reagieren - die
Reaktion.
* |
19
- als Ablagerung, Sediment, Lager, |
als
Repräsentation, Material |
*
Repräsentationshandeln und Wahrnehmung. Die Rechnerkapazitäten
stiegen und stiegen, aber mit der Nachbildung von intelligentem Verhalten
ging es nicht recht voran. Die Repräsentationstheorie schien zunächst
einer wichtigen Eigenschaft menschlicher Kognition Rechnung zu tragen: ihrer
Flexibilität. Menschen kommen nicht nur mit Situationen klar,
die sie schon einmal erlebt haben, sondern ebenso mit davon abweichenden.
Viele Informationen, die bei Computersimulationen expliziert werden müssen,
müssen bei "situierter Handlung" vielleicht gar nicht repräsentiert
werden, weil sie in der Umgebung vorliegen. So braucht ein "echter"
Handelnder nur davon auszugehen, daß die Welt im großen und
ganzen beständig ist. Er braucht sein Gedächtnis nicht damit
zu belasten, daß sich Tische nicht in Luft auflösen oder Stühle
nicht zur Decke schweben. (M. Lenzen)
*
Laurel erklärt diese Offensichtlichkeit daraus, daß die wesentliche
neue Fähigkeit des Computers verstanden wurde, Handlung zu repräsentieren,
an der Menschen teilnehmen können.
*
Neuronen für Ich und Du
Schwierige Zuschreibung: Handlungen und ihre Akteure - Für gewöhnlich
wissen Menschen, was sie tun. Sie wissen, daß sie vor dem Fernseher
sitzen und ein Fußballspiel verfolgen und nicht selbst hinter dem
Ball herhetzen. Intuitiv scheint dies kein großes Problem zu sein
- man spürt doch einfach, ob man handelt oder nicht: Diese Handlung
fühlt sich an wie meine, also ist es meine. Doch diese Intuition ist
falsch. Die innere Selbstwahrnehmung spielt kaum eine Rolle, wenn Menschen
sich ihrer Handlungen bewußt werden. Menschen identifizieren Handlungen
vielmehr zuerst unabhängig von einem Handelnden und sind dann auf externe
Reize, etwa visuelle Rückmeldungen, angewiesen, um festzustellen,
wer sie vollbringt (Jodlle Proust, „Awareness of Agency: Three Levels of
Analysis“, in: Neural Correlates of Consciousness. Empirical and Conceptual
Questions, Hrsg. von Thomas Metzinger, MIT Press 2000).
*
Index:
Die Kunst der Handlung, die Performance.
1. Entwickeln und Erstellen des jeweilig auf die Situation abgestimmten
Rahmen oder Modell.
2. Handlung als Gravitation. Erzeugen von Atmosphäre und Klima, Gewichtungskonfigurationen.
Allotropie des Alltags, Rapport in der maximalen Schwingung jedes Einzelnen.
3. List und Liste der Bewegung. Prozessmoderation, der Serviceraum, Brownsche
Bewegung.
4. Semantische Route, Rückkopplungsschleifen, Subversion des Ereignisses.
Verlaufsoffene Verkehrswege.
5. Netzverhalten: aktive Knoten - aktivierte Knoten - inaktive Knoten, Das
Lösen von zufallsbedingten Identitäten und lokal beschränkten
Loyalitäten.
6. Service als parallele Strategie, Handlung als Punktattraktor - gebildet
um Wort, Begriff, Bild, Symbol, Situation, etc. Die Wirkung.
7. Kulturtheoretische und gesellschaftspolitische Bedeutung - Nullpunktstrategie:
im Sinne der Zahl ( Nichts, die Leere)
im Sinne der Ziffer (Ort im Stellensystem) zwei unvereinbare, unvermittelbare
Strategien, das
Kenozeichen.
* |
20
- als Sammlung, Environment |
als (kunst-)
historisches, Museum, Re-Präsentation |
*
Für Habermas bleibt Kunst am Niveau der Repräsentation, abgeschottet
von der materiellen Realität und von Ort-Zeit-Strukturen der Praxis
und kann daher nicht als so ideales Mittel wie Sprache zur Entfaltung kommunikativer
Handlungen angesehen werden. |
21
- als Leistung |
als
Markt |
*
Im berühmten Auftakt des Dritten Buches von "Krieg und Frieden" redete
Tolstoi einer stark eingeschränkten Willensfreiheit und einer Zwangsläufigkeit
der Geschichte das Wort. Berlin hielt einem solchen Denken vor, es
ignoriere eskapistisch "die Existenz eines begrenzten, aber nichtsdestoweniger
wirklichen Bereichs menschlicher Freiheit".
Die "conversazione", so nennen die University Professors ihren Gedankenaustausch,
begann mit einer fulminanten Widerlegung Tolstois durch den jungen britischen
Historiker Andrew Roberts. Am Beispiel Churchills erläuterte
er, wie stark die europäische Gegenwart vom Handeln eines Mannes bestimmt
wurde und wie wenig zwangsläufig sowohl Churchills Handeln als auch
seine bloße Existenz war. Von diesem ersten und fast entscheidenden
Schlag erholte sich das Lager der Zwangsläufigen erst am nächsten
Tag, als der Journalist Bryan Appleyard in seiner Analyse der Marketingstrategie
von Microsoft klarmachte, wie determiniert unsere Entscheidungen in wesentlichen
Bereichen unseres Lebens sind und sein werden. Fareed Zakaria, Chefredakteur
von "Newsweek International", argumentierte, daß ökonomische
Faktoren und nicht moralische Entscheidungen den erfolgreichen Übergang
zu einer demokratischen Regierungsform garantieren. Der Physiker Gerald
Holton schließlich nannte die Geschichte naturwissenschaftlicher Entdeckungen
"zwangsläufig" trotz unserer Romantisierung großer Entdecker.
Es entstand nun das düstere Bild einer Welt moralischer Entmündigung
durch materielle Zwänge..
*
Das institutionelle Milieu der städtischen governance
Ein institutionelles Milieu ist die Gesamtheit der formellen und informellen
politischen und verwaltungsbezogenen Arrangements, die die Wechselwirkungen
zwischen strukturellem Kontext, politischer Kultur und Akteuren moderiert.
Auf der formellen Seite, dem institutionellen Rahmen, sind die Einrichtungen
der öffentlichen Hand, die politischen Parteien, die Interessengruppen
und
organisierte Partnerschaften zu erwähnen. Die informellen Steuerungsmodi
definieren die Beziehungen zwischen und in den politischen Institutionen
Die Stärke vergleichender kultureller Analysen liegt in einer Erklärung
der historischen Wurzeln von Werten, die bestimmte Formen von governance
auch in Zeiten strukturellen Wandels stützen. Hier liegt aber auch
die Schwäche der Ansätze: Sie erklären Stabilität besser
als Wandel. Kulturelle Traditionen widersetzen sich Veränderungen im
Hinblick auf politische Normen und Praktiken. Um Wandel hinreichend erklären
zu können, müssen also andere Ansätze hinzugezogen werden.
Rationale Akteure
Die dritte, aus der Mikroökonomie abgeleitete Strömung stellt
das Eigeninteresse der Handelnden in den Mittelpunkt. Indem rational und
strategisch vorgehende Einzelpersonen ihre eigenen Ziele verfolgen und dabei
die wahrscheinlichen Vorgehensweisen der anderen Beteiligten in ihr Kalkül
einbeziehen, entstehen erst kollektive Entscheidungen.
*
Virales Marketing heißt hier, eine Botschaft mit einem Wert anzureichern,
den der Empfänger für seine eigene Kommunikation nutzen kann.
Ideen brauchen Evangelisten.
Bei der Ausbreitung von Seuchen spielen Überträger mit einer
hohen Anzahl sozialer Kontakte eine Schlüsselrolle. Nicht anders
ist es bei der Verbreitung von Ideen und Innovationen. Technologische Innovationen
werden eine bestimmte Zeit lang nur zwischen Mitgliedern einer besonders
anfälligen Gruppe kommuniziert. Soll sich eine Idee schnell und weit
verbreiten, müssen die richtigen Leute auf sie aufmerksam werden, Leute,
die sie verstehen, ihre Bedeutung einschätzen, ihnen Vorzug gegenüber
bereits Bekanntem geben, die sie auf den Markt bringen, kaufen und anwenden.
Ideen brauchen Evangelisten, die möglichst vielen kontaktfreudigen
Bekannten von ihr erzählen. Ideen brauchen auch Agenten des Wandels,
die Verbrauchtes umpflügen und den Mut haben, Neues zu implementieren.
*
Mit "rational choice" ist gemeint, daß einzelne Individuen
eine rationale Auswahl unter sich bietenden Handlungsalternativen treffen
und damit eine freilich nicht notwendigerweise materiell verstandene Nutzenmaximierung
betreiben (vom Hedonismus bis zum Altruismus ist der "Nutzen" für alle
Werte offen). Kollektives Verhalten wird hier als das intendierte
oder nicht intendierte Ergebnis solcher individueller rationaler Handlungen
erklärt. |
22
- als Ereignis |
als
Entertainment, Sport, Öffentliche Show |
*
Gegenwartskultur sich zunehmend "nicht mehr in Werken, sondern in theatralen
Prozessen der Inszenierung und Darstellung" konstituiere. . Das Spektakuläre,
die Kultur der "Events", mache sich breit. Das "Sich-in-Szene Setzen"
wird zum gemeinsamen Nenner von Firmen, Parteien, Kirchen, Sportklubs usw.
Es geht dabei wesentlich um das kalkulierte Schaffen eines positiven Images
von sich selbst, das man öffentlich zur Schau stellt. Die Wirklichkeit
scheint sich dabei immer mehr zu verflüchtigen. Sie wird als Inszenierung
erlebt.
*
Medialen Theatralität. Schiebt sich ein Medium wie etwa das Fernsehen
zwischen Wahrnehmung und Wirklichkeit, steht die Authentizität der
wahrgenommenen Wirklichkeit in Frage. Diese wird in hoch technisierten und
professionalisierten Prozessen fabriziert und inszeniert. |
23
- organisierende Institution |
als
Macht, Politik |
*
Kampfhandlung: Handlung und Antworthandlung
*
Der amerikanische Aufmarsch ist inzwischen so weit fortgeschritten, daß
es keine Umkehr mehr gibt, außer man wäre bereit, diese mit erheblichen
Kosten zu begleichen. Die auf eine Kriegsvermeidung, also den Rückzug
der amerikanischen Flugzeugträger und Bodentruppen, setzenden Positionen
gehen davon aus, daß dann alles wieder so wäre, wie es vor dem
amerikanischen Aufmarsch gewesen war. Oder sogar noch besser, weil die Waffeninspektionen
der UN im Irak ja weiterliefen. Aber diese Sichtweise verwechselt das Feld
der Strategie mit dem des Verwaltungshandelns.
Im administrativen Bereich lassen sich Entscheidungen rückgängig
machen und der ursprüngliche Zustand wiederherstellen. Bei strategischem
Handeln ist dies prinzipiell unmöglich, besteht es doch aus einer dynamischen
Abfolge von Handeln und Gegenhandeln. Im administrativen Bereich ist Nichthandeln
tatsächlich auch Nichthandeln; im strategischen Bereich ist Nichthandeln
dagegen eine bestimmte Art des Handelns, auf das die Gegenseite wiederum
reagiert. Und auch für sie gilt, daß Nichtreaktion selbst eine
Form der Reaktion ist... Es gehört zur Grammatik strategischen
Handelns, daß sich diese Situation in allen Konflikten immer
aufs neue wiederholt, mag in der Retrospektive auch alles ganz anders aussehen.
Was wären die vermutlich zu zahlenden Kosten eines Rückzugs der
amerikanischen Streitkräfte am Golf?
*
Der größte Widerstand ist dem Handelnden das Reagieren - die
Reaktion.
*
In staatspolitischer Rhetorik ist Intervention meist ein Synonym für
Überfall, eine Aktion, die eine bereits existierende oder früher
bestehende Machtbeziehung wieder herstellt bzw. transformiert.
*
Dieses Anwachsen der Gewaltmittel sei nicht primär auf den technischen
Fortschritt und seine Erfindungen zurückzuführen, sondern auf
die Tatsache, „daß der politisch-öffentliche Raum nicht nur in
dem theoretischen Selbstverständnis der Neuzeit, sondern in der brutalen
Wirklichkeit zu einem Ort der Gewalt geworden war“. Dadurch sei auch der
Anschein entstanden, daß Macht und Gewalt dasselbe wären,
was, so gibt Arendt zu, unter modernen Bedingungen in der Tat weitgehend
der Fall sei.
*
Arendt Machtbegriff sagt, daß sich überall dort, wo Menschen
sich versammeln und zusammen handeln, Macht entsteht.
Macht entstehe zwischen den Menschen, sie sei in jeder Ansammlung von Menschen
potentiell vorhanden und hänge eng mit dem öffentlichen Bereich
zusammen, der wiederum „auf dem handelnden und sprechenden Miteinander der
Menschen beruht. Was einen politischen Körper zusammenhält ist
sein jeweiliges Machtpotential, ...“ Dabei müsse Macht immer wieder
neu realisiert werden, sie könne nicht gespeichert werden. „Macht ist,
was den öffentlichen Bereich, den potentiellen Erscheinungsraum zwischen
Handelnden und Sprechenden, überhaupt ins Dasein ruft und am Dasein
erhalte."
*
Kommunikative Handlungsmodell. Ina Paul Horn betont die Besonderheit
von Arendts Ansatz: „Die entscheidende Pointe in der Differenzierung von
Macht und Gewalt liegt im Gewinn einer horizontalen Perspektive des Miteinander-Handelns,
während in der Einsetzung von Macht und Gewalt nur die vertikale Sicht
des oben und unten angelegt ist.“ Solange zwischen Macht und Gewalt nicht
unterschieden werde, sei Handeln streng genommen unmöglich, erst Arendts
Differenzierung eröffne die Sicht auf einen potentiellen politischen
Handlungsraum.
*
Alles Handeln nämlich geschieht in Räume hinein, wo bereits gehandelt
wurde, in organisierte Räume mithin, von deren Organisation der Handelnde
eine Vorstellung haben muß. Denn soll moralisch gutes Handeln
Leben möglich machen, indem es den manifesten Ausbruch stets latenter
Gewalt verhindere, bedarf es einer Vorstellung davon, wie in der vorfindlichen
Gesellschaft Gewalt bis anhin gebunden wird; an die Vaterrolle beispielsweise
in patriarchalischen Gesellschaften, die es entsprechend zu repräsentieren
und zu würdigen gilt. Ein handlungsanweisendes Bild der bestehenden
Machtverhältnisse also ist den Sinnen mit der Aufforderung zu gutem
Handeln zu liefern, und auch dies ist eine Funktion, die Religion ausübt,
wie besonders die modernen Sozialwissenschaften seit Emil Durkheim betonen.
Er nennt sie: ein System von Ideen, mittels dessen die Individuen sich ihre
Gesellschaft und ihr Verhältnis zu dieser Gesellschaft vorstellen.
*
Ihren stärksten Widerpart aber hat menschliche Macht in der Zeit.
Jedes Bestimmenwollen gilt nur zum Zeitpunkt der jeweiligen Gegenwart.
Es wendet sich damit ab von allem, was bisher geschehen und gemacht worden
ist. Und es versucht, vorweg zu bestimmen, was geschehen und gemacht
werden wird. Diese Anmaßung einer ständig vergehenden Gegenwart
gegenüber einer andauernden und bestimmten Herkunft und einer unbestimmten
Zukunft wird bestraft: Immer sind die Folgen des Bestimmenwollens anders
als gewollt. Die Diktatoren führen es vor: Je stärker der
Wille zur Gestaltung, desto stärker weicht das Ergebnis von ihm ab.
So zeigen Herkunft und Zukunft dem gegenwärtigen Handeln die Zähne
ihrer Macht: die Macht der Zeit. Es sind nicht „die Kräfte der
Beharrung“, die den politisch-militärischen, pädagogischen und
jetzt wieder philosophisch-gentechnologischen Machtträumen der Gegenwärtigen
entgegenstellen, sondern im Gegenteil die ständigen Bewegungen und
Gegenbewegungen des sozialen Lebens im Fluss der Zeit. Sie bewahren
vor den Eindämmungen und Erstarrungen, die unweigerlich eintreten würden,
gelänge es den Fantasten, die Zukunft auf die gegenwärtigen Konzepte
von besseren Menschen und besserer Gesellschaft festzulegen.
*
Wie ein Gewebe legen sich soziale Einrichtungen, Institutionen und Strukturen
der Verbindlichkeit über eine Gemeinschaft, ein Volk , ein Land. Der
diktatorische Diskurs übt seine Allmacht aus, indem er dieses Gewebe
sytematisch zerstört. Wenn alles ausgelöscht ist, die Gemeinschaft
in ein Vakuum gestoßen wurde, dann erst geht das Gesetz des Handelns
auf ihn über.
*
Politische Opferkulte - wenn man so drin hängt, dann flieht man nicht.
*
Die Handlungen eines Souverän kann einem Menschen das Leben kosten.
* |
24
- als Zeichen, Mal, ( Zwischenraum) |
als
Struktur, Feld, Konfiguration |
1.
Eine Handlung zielt darauf hin, eine Beziehung zwischen Elementen zu verwirklichen.
2. Die Beziehung zwischen den Elementen kann temporärer oder dauernder
Natur sein.
3. Vor dem Vollzug sind die Handlungselemente unverbunden. Sie sind erst
„Material“. Im Vollzug werden sie verknüpft.
4. Die Elemente in Handlungen können sein: Sachen, Vorgänge, Personen,
fremde Handlungen, eigene Handlungen bzw. abstrakte Beziehungen innerhalb
derselben.
5. Ein besonderes Handlungselement ist die eigene Person und der eigene
Körper.
Ein Sonderfall des Handelns ist das geordnete Lösen einer Beziehung.
6. Die Handlungselemente bringen gewisse Eigenschaften in die Handlung mit.
Durch ihren Einbezug in die Handlung erwerben sie ein neues Rollen-merkmal.
Dieses gibt ihre Rolle in der Handlung an oder, was das gleiche besagt,
ihre Relation zu den anderen beteiligten Elementen.
7. Ein Handlungsschema kann auf neue Situationen und Gegenstände übertragen
(angewendet, transferiert) werden.
8. In Handlungen enthaltene physikalische Prozesse werden vom Handelnden
zum einen Teil direkt und fortlaufend gesteuert. Er kann sie aber auch für
eine Zeitlang gemäß ihren eigenen, sachlichen Gesetzen „laufen
lassen, um ihr Ergebnis dann wieder als Element in den Fortgang der Handlung
einzubringen.
9. Handlungen nutzen Naturgesetze, insbesondere Kausalbeziehungen, indem
sie die aufeinander wirkenden Elemente zusammenbringen und zum Teil die
abhängige Variable über die unabhängige, aber manipulierbare
Variable steuern.
10.. Auf Menschen bezogene Handlungen lösen psychologische Prozesse
aus. Diese werden vom Handelnden zum Teil direkt und fortlaufend gesteuert,
zum anderen Teil läßt er sie für eine Zeitlang gemäß
ihren eigenen psychologischen Gesetzen „laufen“, um ihr Ergebnis dann wieder
als Element in den Fortgang sein er Handlung einzubeziehen.
11. Eine Bedingung ist ein für das Gelingen einer Handlung notwendiges,
abstraktes Element. Eine variable Bedingung ist ein Handlungselement, das
mit dem Handlungsergebnis kovariiert.
12. Ein Mittel ist eine Handlungsbedingung, also ein Handlungselement, über
die/das der Handelnde verfügt.
13. Eine Mittelhandlung realisiert ein Zwischenziel in einem komplexen Handlungsablauf
oder ein Element, das in der Folge weiterverarbeitet wird.
14. Eine TOTE-Handlung im Sinne von MILLER, GALANTER & PRIBRAM (1960,
deutsch 1973) erzeugt durch Wiederholen eines Aktes (a) oder durch seinen
fortlaufenden Vollzug (b) ein Ergebnis, wobei der Impuls zur Wiederholung
(a), bzw. zum Weitermachen (b) vom Ergebnis einer Vergleichsoperation ausgeht.
Gegenstand des Vergleichs ist die Zielvorstellung und das beobachtete Handlungsergebnis.
15. Es gibt zwei Arten von Handlungen und, allgemeiner, von Akten: frei
aus dem Repertoire erzeugte und einer Gegebenheit nach konstruierte.
16. Im Verlaufe des Lernens und der Entwicklung des Menschen werden immer
neue Handlungsschemata aufgebaut, die immer neue Rollen von Teilnehmern
an der Handlung und immer neue Beziehungen zwischen den Teilnehmern definieren.
Die Zahl der möglichen Kasus ist daher grundsätzlich unbegrenzt.
*
„Es ist eine der Einsichten, die wir Habermas verdanken, dass jeder, der
sich in kommunikativem Handeln engagiert, ob er es nun weiss oder nicht,
sich damit auch auf eine normative Struktur einlässt, in der es um
die Angemessenheit von Geltungsansprüchen und die Verpflichtung zu
vernünftiger Kritik geht.“ .“ Das gilt prinzipiell für jeden,
der Behauptungen aufstellt, Absichten verfolgt und praktische Pläne
schmiedet.
*
BARTLETT beschreibt es so:
„Unter einem Schema verstehen wir eine aktive Organisation von vergangenen
Reaktionen oder vergangenen Erfahrungen, von der wir annehmen, daß
sie in jedem gut angepaßten Organismus wirksam ist. D. h.: Schon bei
der geringsten Ordnung und Regelhaftigkeit des Verhaltens ist eine bestimmte
Reaktion möglich, weil sie zu anderen, ähnlichen. in Beziehung
steht. Diese sind seriell organisiert, wirken jedoch nicht einfach als unabhängige
Glieder, eines nach dem anderen, sondern als eine einheitliche Masse. Über
die Schemata beeinflussen uns die Reaktionen und Erfahrungen der Vergangenheit.
Alle hereinkommenden Impulse einer bestimmten Art oder einer bestimmten
Sinnesmodalität bilden zusammen eine aktive, organisierte Ordnung‘.
Verhaltensschema also die folgenden charakteristischen Züge zu:
1) In den Schemata sind die vergangenen Reaktionen eines Organismus als
aktive Organisation, also in gestalteter, strukturierter Form, lebendig.
2) Schemata sind innerlich gegliedert: Die konstituierenden Reaktionen stehen
untereinander in spezifischen Beziehungen.
3) Diese Struktur sichert die Ordnung und die Regelhaftigkeit des Verhaltens
und damit seine Anpassung an die Umwelt.
4) Die Schemata enthalten einesteils Ordnungen der Abfolge von Teilhandlungen,
über diese hinaus aber Beziehungen der Koordination, die das Schema
als Ganzes wirksam werden lassen.
5) Auch die Handlungsimpulse haben ihre Gestalt. die Ergebnis einer ordnenden
Aktivität ist.
Das Schema ist der Niederschlag vergangenen Handelns. Es ist ein Element
des Handlungswissens. Die Gesamtheit der Schemata. über die ein Mensch
verfügt, stellt sein Handlungsrepertoire, seine Handlungskompetenz
dar. Dabei ist es dem Menschen möglich, frei über die Elemente
der Schemata ebenso wie über diese als Ganze zu verfügen: der
Mensch muß lernen, seine Schemata in Elemente aufzulösen und
darüber hinauszukommen, diese Elemente immer in der alten Ordnung zu
reproduzieren. Und er tut es auch, denn er lernt, die konstituierenden Teile
seiner eigenen Schemata anzuwenden, und sich in seinen Handlungen nicht
bloß durch die Natur der Schemata, die als unveränderliche Einheiten
fungieren, bestimmen zu lassen. Er lernt, seine eigenen Schemata zu reflektieren
— eine Leistung, die durch das Bewußtsein, im exakten Sinn des Wortes.
möglich wird. und die dem Bewußtsein seine überragende Rolle
verleiht“
*
Diese geringe Bewußtheit der Teilvorgänge besteht insbesondere
im Bereiche der Tätigkeiten, die stark in der Körperorganisation
verankert sind, und im Bereiche der Automatismen. Ein Beispiel der ersteren
sind die Wahrnehmungsvorgänge: Zwar wissen wir in der Regel sehr genau,
was wir suchen oder betrachten, aber wie wir das tun, können wir nicht
sagen. Ebenso bei einem Automatismus wie z. B dem Tanzen oder dem Nachsprechen
eines Satzes: Das Wie unseres Vorgehens können wir nicht beschreiben.
Wir sprechen in diesen Fällen von Tätigkeiten: von Wahrnehmungstätigkeiten
und von automatisierten Tätigkeiten, in Anlehnung an den Sprachgebrauch
der Physiologen und der Marxisten.
Gelegentlich ergibt sich die Notwendigkeit. von abgegrenzten Einheiten des
Tuns zu sprechen. Wir verwenden dazu den Begriff des „Aktes, der an Aktivität,
Tätigkeit erinnert. Ein Akt wäre daher das abstraktere Gegenstück
zum Handlungsschema, der abgegrenzten Einheit des Handelns. (BARTLETT)
* |
25
- als Ort, Raum, Stelle, Architektur |
als
ortloses
|
*
Räumlich und zeitliche Vernetzung von Handlungsketten ( N. Elias)
*
Damit sind wir in Gibsons Cyberspace angekommen. Sechs Jahre hat es gedauert
von der Science-Fiction bis zu ihrer technischen Umsetzung. Aus dem Turingschen
Punktuniversum ist eine reiche und dichte Erlebnis- und Handlungsdimension
gewachsen, eine home.wrl. Das Koordinatensystem dafür liefert die
Mathematik, der Turing-Text die operativen Modelle. Aus der Theater-Metapher
stammen die darstellenden Künste und die Bühneneffekte. Aus dem
Spiel kommen das teilnehmende Element und die Herausforderung durch das,
was auf dem Spiel steht Anerkennung für Meisterschaft, geistreiche
Äußerungen, Stil, integrative Qualitäten und die Verrücktheit,
sich etwas einfallen zu lassen, was noch nie jemand zuvor getan hat.
...
Der Doppel-Horizont ist Spiel-, Handlungs-, Erlebnisraum. Ein vierdimensionaler
Cyberspace als Grundlage für Arbeit, Vergnügen, Lernen und Community.
Das Problem des Interface-Designs wird eher zu einem der Innenarchitektur.
Aller Rede vom Verschwinden des Menschen zum Trotz erhält dieser sich
dennoch als Maß der Dinge, verschwindet allenfalls der gutenbergianische
Mensch. Die Punktwelt ist bewohnbar geworden, ein Habitat. Und wir teilen
sie nicht nur miteinander, sondern auch mit kybernetischen Zeitgenossen.
Turing hat uns eine Welt-Maschine beschert. Der heranwachsenden „Nintendo-Generation"
dagegen, die die Kontemplation über Texte nicht zu ihrer grundlegenden
Kulturtechnik zählt, sondern eine hohe Zahl von Interaktionen pro
Minute mit virtuellen Bild- und Klangwelten gewohnt ist, bereitet diese
Vorstellung keine Schwierigkeiten (Volker R. Grassmuck)
*
„Bevor das Handeln selbst überhaupt beginnen konnte, mußte ein
begrenzter Raum fertig- und sichergestellt werden, innerhalb dessen die
Handelnden dann in Erscheinung treten konnten, der Raum des öffentlichen
Bereichs der Polis,.. " (H. Arendt)
*
Das Verhältnis von Faktizität und Transzendenz läßt
sich, in basaler Form, schon an der unserem "Körperschema" eigenen
Räumlichkeit aufzeigen: In den unthematischen Vollzügen des Umgangs
mit den alltäglichen Dingen sind diese nah oder fern, neben oder hinter
mir, unterhalb oder oberhalb meiner eingezeichnet in eine Räumlichkeit,
die meine Leiborganisation selbst mit sich führt. Indem ich diese axiale
Raumstruktur, gesättigt durch lebensweltliche Erfahrungen, immer schon
"mit mir bringe", ist es auch möglich, mich im dunklen Raume zu orientieren.
Selbst wenn ich mich stoße, erlebe ich dies nicht lediglich als schmerzhaftes
Ereignis auf meiner Körperoberfläche, sondern erfahre es als Widerstand
gegen meinen gerichteten Bewegungsentwurf : Die raumgliedernde Intention
kommt nicht zur Erfüllung. (Rudolf Süsske)
*
Handlungen, die so zum Bild werden sind in der menschlichen Aufmerksamkeit,
in der menschlichen Kommunikation existentieller als Informationstransfer,
Wissensaneignung, etc. Sie ist die Berührung zwischen den Menschen,
der Ort wo wesentliche Ereignisse in der ‘Mittlung’ liegen. Die ontische
Polis.
* |
26
- als Bewegung |
als
Inszenierung, ( Zeit, Partitur) |
*
Die Bewegungs-intentionen eröffnen mir allererst einen Raum
*
Wenn wir einen Dialog haben, finden Handlungen statt - Handlung heisst
nicht immer action, sondern: Zwei Leute - wir - sitzen am Tisch.
Sie haben eine Zigarette in der Hand. Es würde schon was aussagen,
wenn ich Ihnen kein Feuer gegeben hätte. Jetzt habe ich Ihnen
aber Feuer gegeben. Solches muss man jeweils entscheiden. Gebe
ich das Feuer? Wie gebe ich das Feuer? Wie nehmen Sie die Zigarette?
*
Kulthandeln - Gesten der Bewegung
Prokrustometrie im weiteren Sinne des Wortes ist jedoch nicht nur als ein
Bett, auf welches lediglich Tote gespannt werden, sondern auch als Mikrokosmos
des lebendigen Menschen zu verstehen. Alle Lebewesen, die sich auf
dieser Welt bewegen und ihre eigene Architektur bauen, unterliegen den Gesetzen
der Prokrustometrie. Die sechsfüßigen Insekten bzw. die
Bienen bewegen sich so, daß sie sich jeweils auf 2 x 3 Fußwerkzeugei
stützen, weshalb man vielleicht die These aufstellen könnte, daß
sie. deshalb auch eine hexagonale Architektur bauen, während die vierfüßigen
Wirbeltiere, die sich jeweils auf 2 x 2 Beine aufstützen, vielleicht
gerade deshalb eine quadragonale Architektur bevorzugen.
Der Mensch als kultisches Wesen unterliegt den Gesetzen seiner inneren genetischen
Struktur, und dieser Genotypus diktiert die Konstituierungsregeln des Phänotypus
beziehungsweise des Verhaltens und der Haltung in der Ruhetage und in der
Bewegung. Die Anzahl der möglichen Handlungen und Haltungen ist
beschränkt und kann so geordnet werden, daß keine inneren Widersprüche
in dieser Ordnung auftreten. Aus der Kultur von Lepenski vir ist eine
Reihe solcher Haltungen und Verhaltensweisen überliefert und durch
materielle Funde dokumentiert, wie etwa die Haltung der Toten in den Gräbern
oder die Haltung der aufgefundenen Skulpturen. Die Architektur der
äußeren Raumgestaltung, vor allem aber der Innenräume kann
durch ihre Funktion auf gewisse notwendige oder günstige Körperhaltungen
hinweisen, Durch Analogien kann man aufgrund dieser bekannten und überlieferten
Haltungen auch die übrigen, bisher unbekannten Verhaltensweisen rekonstruieren,
um so sukzessive eine widerspruchsfreie Serie von Axiomen für Verhaltensweisen,
kultische Bewegungen und Kulthandlungen aufzustellen.
Diese Haltungen, Verhaltensweisen und Handlungen können in fünf
Grundtypen eingeteilt werden:
1. Gehen
2. Stehen
3. Sitzen
4. Liegen
5. Essen
*
Spielhandlung? Das Spiel „ergänzt“ in der Inszenierung
den Text.
Der Text allein ist vollkommen langweilig! Der Schauspieler erinnert
sich ja auch in der Vorstellung nicht an den Text, sondern an seine inneren
und äusseren Handlungen. Er hat innere Handlungen,
gedankliche Handlungen und emotionale Handlungen. Wenn
wir einen Satz sagen, denken wir nicht nur den Satz. Ich kann zum
Beispiel, während ich hier mit Ihnen über Regietheater rede, darüber
nachdenken, wie ich es organisiere, dass Sie diesen Raum möglichst
nicht mehr verlassen. Das ist der sogenannte Subtext. Ich hecke
was aus, und obendrüber rede ich scheinbar ganz normal. Jetzt
heckt der Mensch aber nicht nur eine Sache aus, sondern «denkt»
noch an andere Dinge. Sie sind ihm nicht bewusst. Dem Schauspieler
müssen sie bewusst sein: Er muss Ihnen vorspielen, dass Sie glauben,
es sei ihm nicht bewusst. Das ist die Schwierigkeit des Probierens.
*
Handlungsbewußtseins. Spiegelneuronen aktivieren also im Beobachter
diejenigen motorischen Neuronen, die auch aktiviert würden, wenn er
selbst diese Handlung ausführen würde. Spiegelneuronen sind aussichtsreiche
Kandidaten für die neuronalen Grundlagen der Intersubjektivität.
Man erkennt, was der andere vorhat, wenn die Handlung, die man ihn ausführen
sieht, im eigenen Gehirn in denselben Strukturen abgebildet wird, die sie
auch hervorbrächten, würde man selbst handeln. Dies stellt sämtliche
gängigen Erklärungen des Handlungsverstehens auf den Kopf: Das
Problem, das das Gehirn zu lösen hat, ist nicht, wie man dem anderen
per Analogieschluß oder Verwendung einer alltagspsychologischen Theorie
Handlungsabsichten zuschreibt.
(MANUELA LENZEN)
*
Ich vertrete die These, daß diese Entwicklung vom »untitled
event« in gewisser Weise vorweggenommen wurde. Es vermischte
die Grenzen zwischen den Künsten, indem es für alle den performativen
Modus nicht nur dominant setzte, sondern als geradezu konstitutiv auswies.
Das Verhältnis zwischen Theater und den anderen Künsten wurde
so grundsätzlich neu bestimmt. Da alle als Performance vollzogen
und beschrieben wurden, läßt sich die These aufstellen, daß
sie sich - zwar nicht in einem Wagnerschen Gesamtkunstwerk, jedoch - im
Theater bzw. als Theater vereinigten. Damit sind sowohl Theater als
auch die anderen Künste neu definiert: Theater ist als performative
Kunst par excellence zu begreifen. Denn es konstituiert sich durch
das Zusammenspiel eben jener Faktoren, die aus meiner Sicht heute die Performance
als modellbildend und den Begriff des Performativen als einen Schlüsselbegriff
erscheinen lassen: eine spezifische Art der Raumwahrnehmung, ein besonderes
Körperempfinden, eine bestimmte Form von Zeiterlebnis sowie eine neue
Wertigkeit von Materialien und Gegenständen. Es konstituiert
und manifestiert sich hier eine bestimmte Weise des leiblichen In-der-Welt-Seins,
das schöpferische Prozesse der Gestaltung und Umgestaltung fokussiert,
in denen es die Performanz ist, über die man zur Referenz gelangt.
D. h. die Generierung von Bedeutungen erfolgt in Abhängigkeit von den
Veränderungen, die durch wirklichkeitskonstituierende Handlungen -
Sich-Bewegen, Sprechen, Wahrnehmen - hervorgebracht werden. Die Kreativität
des Handelns, wie Joas es in seiner Handlungstheorie genannt hat, tritt
hier in den Vordergrund.
Erika Fischer-Lichte
* |
27
- als Prozess, der Akt, Handlung |
als Film |
*
Die Verfechter der dynamischen Systeme in den Kognitionswissenschaften schließlich
beanstanden den statischen Charakter der klassischen Repräsentationen.
Ein dynamisches System kehrt nie in einen vergangenen Zustand zurück.
Repräsentationen, sofern man überhaupt noch von solchen sprechen
kann, verändern sich ständig in Abhängigkeit vom wahrnehmenden
System und seiner Umwelt. Dynamische Prozesse, so ihre Verfechter,
beschreiben die plastischen Kognitionsvorgänge besser als das klassische
Modell. Auch werden sie individuellen Unterschieden in kognitiven
Vorgängen besser gerecht.
*
Handlungstheorien des Übersetzens
- In Handlungstheorien des Übersetzens verlagert sich das Schwergewicht
von den Texten (Sprache) und von den kognitiven Prozessen (Strategien/Methoden)
zum Individuum Übersetzer
- im Vordergrund stehen soziale Handlungen des Translators, die er ausführen
muß, um zu einer interkulturellen Vermittlungsleistung zu kommen
- in solchen Theorien wird der Übersetzer als professioneller Experte
verstanden, der seine Situation analysieren muß, um zu einer adäquaten
Übersetzung zu gelangen
- Folglich muß die Übersetzerin in der Lage sein, mit Welten,
Handlungen, Sachverhalten und Strategien professionell umzugehen, wobei
erst die Welten aufzubauen sind und die Worte dann folgen. Daher ist translatorisches
Handeln ein mentaler Transfer der TRL (des Translators – H.S.) in den Welten
von AT und ZT, wodurch der AT seine Autonomie verliert, während der
ZT den Sinn hat, Sachverhalte in Denkräumen-in-Situationen zu kulturieren.
(Horn-Helf 1999: 89 über Holz-Mänttäri 1988)
- die Handlungstheorie des Übersetzens besagt bei extremer Auslegung,
daß Übersetzen vor allen Dingen interkulturell adäquates
Neuschöpfen ist, zudem können Prozesse des AT-ZT Übersetzens
mit der eigentlichen Herstellung des AT zusammenfallen (wie z.B. in der
technischen Dokumentation, im technischem Schreiben).
* |
28
- als Bedeutungssetzung, Interpretation, Pragmatik |
als
Diskurs, Symbol |
*
Prosaisches Handeln
Reale Personen gehen vor und zurück; sie entscheiden sich zwar für
allgemeine Handlungsstrukturen, modifizieren diese aber unter Umständen.
*
pragmatische Handlung,
..., dass das Prinzip zum Verständnis des Menschen die Handlung ist,
weil nur der Mensch mit intelligenten Handlungen die Tatsachen der äusseren
Welt verändert. Wir wollen heute diesen Problemen nachgehen.
Man kann mit Prof. de Maday die Handlungen in zwei Klassen einteilen: Erstens
in solche, welche als Mittel zur Herstellung von Tatsachen dienen.
Diese Tatsachen wiederum sollen künftigen Bedürfnissen des Menschen
zur Verfügung stehen. Zweitens in solche, welche eine unmittelbare
Befriedigung oder ein unmittelbares Vergnügen mit sich führen.
Diese Handlungen sind also keine Mittel, sondern Zwecke in sich selbst.
Sie sind in gewisser Weise irrational. Es ist weiter wichtig, dass
die Handlungen der einen Klasse in die der anderen übergehen können,
so dass wir noch sprechen müssen über drittens die Transformationen
zwischen beiden Klassen.
(A. Gehlen)
*
Das TOTE-Schema wird damit zum Baustein des Handelns. Es ersetzt das Reflexmodell.
Es umfaßt die Prüfung der Situation, die Wirkreaktion, die Prüfung
des Ergebnisses und eine Rückkopplungsschleife, die die Wirkreaktion
so lange und so oft auslöst, bis Ist- und Soll-Zustand kongruent sind.
*
Der Mensch ist das zur Entsagung fähige Tier. Wer weiß,
daß er morgen tot sein wird, mag essen und trinken nach Herzenslust.
Wer hingegen den harten Winter vor Augen hat, den er und die Seinen bestehen
müssen, läßt sich vom Augenblick und dessen Bedürfnissen
nicht gefangennehmen. Er sorgt vor. Damit handelt er rational.
*
Gestützt auf "unsere lebensweltlichen normativen Argumente und unsere
Alltagspraxis", bezeichnet Nida-Rümelin es deshalb als die "Grundintuition"
seiner Konzeption struktureller Rationalität, daß Gründe
für eine generelle Handlungsweise zugleich auch Gründe für
diejenige singuläre Handlung seien, die dieser Handlungsweise entspreche.
Die Hintertür der die Folgen des eigenen Handelns im Einzelfall bewertenden
und vergleichenden Klugheit ist den Handelnden damit versperrt...
... nach der Konzeption der strukturellen Rationalität werde eine Handlung
gewählt, nicht weil sie einer aktuellen Neigung der handelnden Person
entspreche, sondern weil sie Teil der von dieser Person gewünschten
Struktur sei. Insofern sei die Handlung autonom.
*
"Wir alle spielen Theater" lautet der deutsche Titel eines modernen
Klassikers der Soziologie, mit dem der Autor
Erving Goffmann in die soziologischen Erklärung alltäglicher Interaktionen
eingeführt hat. WIe der Titel unschwer erahnen lässt, handelt
es sich bei Interaktionen nicht um 'herrschaftsfreie Diskurse', sondern
um ein 'Spiel' mit bestimmten und bestimmbaren Regeln und Rollen. Goffmanns
Ansatz, der Begriffe wie "Rolleninstanz", "Interaktionsritual"
und "Verhaltensmuster" benutzt, lässt an Konzepten der Authentizität
grundsätzlich zweifeln.
Einiges von der Perspektive findet sich in neueren Entwicklungen der Systemtheorie
wieder. Mit ihr wird es möglich, einerseits die Eigendynamik von Interaktionssystemen
zubeobachten und andererseits die für die Kommunikation und in diesem
Fall für Interaktionen relevanten Faktoren aufzuzeigen. Überdies
wird es möglich, Bezüge zwischen Interaktionssystemen und Bewusstsein
herauszustellen.
* |
29
- als soziale Rolle, Ritual, |
als
anthropologisches, ethnologisches Handeln |
*
Symbolisches Handeln akkumuliert Legitimitätshandeln
Wie befangen muß ein Publizist sein, der eine Handlungstheorie vorträgt,
die den Begriff des Unterlassens nicht kennt und mit der Möglichkeit
der Wahl zwischen Handeln und Unterlassen auch das Recht des öffentlichen
Räsonnements verneint?
Fragt PATRICK BAHNERS Denn "wir können nur als selbst Handelnde kritisieren,
und letztlich nur Handelnde sein". (K. H. Bohrer)
"das Appeasement-Ritual der angedeuteten Kreise"
*
Habermas unterscheidet vier grundlegende soziologische Handlungsbegriffe:
das instrumentelle, das strategische, das normenregulierte und das dramaturgische
Handeln. Zu dieser Unterscheidung gelangt Habermas, indem er fragt, aus
welcher „Quelle“ sich das Handeln erklären läßt.
Der Aktor bezieht sich in seinen Äußerungen immer auf ein Referenzobjekt,
sei dies nun die objektive Welt existierender Sachverhalte, die normative
Welt interpersonaler Beziehungen oder die subjektive Welt von Erlebnissen.
(T. Altwicker)
*
Milieuforschung. Es erfasst, wie das Leben im Überfluss seine eigenen,
kaum für möglich gehaltenen Integrationsmuster schafft, wie Oberflächenphänomene
tiefenwirksam und bindungsmächtig werden. Und es erklärt
so, warum Individualisierung nicht notwendig Auflösung bedeutet.
Lebensstilforschung, Erlebnisgesellschaft. Gesellschaftlichen Grossgruppen
und ihre objektiven Bedingungen des Handelns.
limitierende, also Schranken setzende und disponierende Bedingungen. Feldtheorie,
sozialer Ort, soziale Schichten und situative Abhängigkeiten.
Erlebnismilieu, Niveaumilieu, Harmoniemilieu, lntegrationsmilieu, Selbstverwirklichungsmilieu,
Unterhaltungsmilieu. Jedem Milieu schwebt sein eigenes, spezielles Nonplusultra
vor, und kaum etwas lässt die Unterschiede zwischen ihnen sinnfälliger
hervortreten als dieses jeweilige "Erlebnisparadigma" im Handeln. (Gerhard
Schulze)
*
Typische Meme sind für Dawkins solche, die mit Verhalten zu tun haben:
Ideen, Melodien, Redewendungen, Modetrends, wie wir Zähne putzen, Kaffeekannen
formen oder Boote bauen. Wie biologische Organismen könnten Meme leben
und sterben, aber vor allem können sie sich vermehren, indem sie andere
anstecken. Je öfter sie wiederholt werden, desto größer
wird die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich noch schneller verbreiten, bis
sie zukünftig auftauchende Meme blockieren.
Ideen können ansteckende Meme werden. Doch Ideen und Innovationen verbreiten
sich, genau wie Viren, nicht von selbst. Sie brauchen soziale Interaktionen,
um sich in neuen Umgebungen zu replizieren, und ihre Botschaft muss sich
verankern. Solche Ideenviren nutzen zu ihrer Vervielfältigung und Verankerung
verschiedene Motivationen, Bedürfnisse und Verhaltensweisen. Lachen,
Spielen, Erschrecken, Belohnen, Kommunizieren sind nützliche Haken
zur Verankerung von Marketingviren.
*
Allen Handlungen ist der Grundzug gemeinsam, daß sie in die Welt eingreifen,
eine Wirkung erzielen, was sie von den "Operationen" unterscheidet.
"basic action" (A.C. Danto),
In seiner (Habermas) Konzeption eines "sozialwissenschaftlichen Handlungsbegriffs"
werden den "Mechanismen der Handlungskoordinierung" und den Bedingungen,
"unter denen Alter seine Handlungen an Egos Handlungen ‚anschließen’
kann" , d. h. der Frage, wie soziale Ordnung aufrechterhalten wird, größte
Beachtung geschenkt. Zusammen mit dem steten Bemühen, den Aporien einer
privativen Bewußtseinsphilosophie zu entgehen, erwächst die Tendenz,
das konkrete, leiblich-sinnliche, situierte Individuum zu übergehen.
*
Der Autor Werner Kremp geht von der Vermutung aus, dass politisches Denken
und Handeln sowohl der Bürger wie ihrer politischen Repräsentanten
in einem gewissen, nicht unbeträchtlichen Ausmaß davon mitbestimmt
werden, wie sie ihre Endlichkeit erfahren und wie sie diese Erfahrung verarbeiten.
*
Efferveszenz (aufbrausen, aufwallen)
Dieser in hohem Maße von Performativität gekennzeichnete Zustand,
welcher sich in der existentiellen Communitas entfaltet, weist eine Parallele
zu Durkheims Begriff der Efferveszenz auf einem durch verdichteten Aktionismus
herbeigeführten Zustand kollektiver konzentrierter Erregung, in der
vorübergehend die Grenzen zwischen dem Exterioren und Interioren aufgehoben
sind und auf dem Wege dieser hoch expressiven Überschreitungen die
Gemeinschaft bestätigt und bestärkt wird.
Monika Wagner-Willi, „Liminalität und soziales Drama“, in: Christoph
Wulf u. a. (Hrsg.), Grundlagen des Performativen. Eine Einführung in
die Zusammenhänge von Sprache, Macht und Handeln, Juventa Verlag, Weinheim
2001. |
30
- als Magie, Katharsis, Ritual |
als
Therapie, Behinderung, Trieb, Symbol |
*
Symbolische Gebärden Die Konventionen der altägyptischen Kunst
schlossen die Anwendung von Verkürzungen absolut aus.Jede menschliche
Figur mußte in einer klaren Silhouette gezeigt werden, die für
uns etwas verzeichnet aussieht, denn jeder Körperteil ist so gedreht,
dass er uns seinen klarsten „vorstelligen" Aspekt zeigt. Diese Forderung
bereitete (zum Teil aus anatomischen Gründen) bei der Darstellung von
Tieren und ihren Bewegungen weniger Probleme als bei Menschen und ermöglichte
dadurch dem Künstler unseres Beispiels, die kleine Tragödie so
rührend darzustellen. Aber wo Menschen aufeinander durch lebhafte Körperbewegungen
reagieren, sei es bei gemeinsamen Tätigkeiten, sei es in Kampfszenen,
kommt es manchmal durch diese Anforderung der "Lesbarkeit" zu derart gewaltsamen
Verrenkungen und Verdrehungen, daß eine überzeugende Wiedergabe
ausdruckshaltiger Bewegungen sehr erschwert ist. Wo bei Beziehungen zwischen
Menschen die gesellschaftliche Stellung eine Rolle spielte, konnte man durch
Anwendung einer sozialen Symbolik Klarheit erzielen. Es ist bekannt, daß
in der ägyptischen Kunst ein Vornehmer größer dargestellt
wird als ein Mensch auf einer niedrigeren Stufe der sozialen Hierarchie.
Oft ist er auch mit einem Zepter oder anderen Insignien ausgerüstet,
während diejenigen, die er anführt oder überwacht, in unterwürfigen
Stellungen dargestellt werden. Es ist überdies, bekannt, daß
alle Zivilisationen standardisierte symbolische Gesten entwickelt haben,
die beinahe dem Vokabular einer Gebärdensprache gleichkommen. Ich habe
weiter oben die Ansicht ausgesprochen ", daß diese ritualisierten
Gesten, die beim Beten, bei der Begrüßung, beim Unterrichten
oder als Ausdruck von Trauer oder Triumph, also bei Leichen- beziehungsweise
Siegesfeiern angewandt werden, zu den ersten gehören, die man in der
bildenden Kunst vorfindet. Sie lassen sich viel leichter den Konventionen
eines vorstellen Stils anpassen als die spontanen Bewegungen, mit denen
Menschen aufeinander reagieren. Solche zeremoniellen Handlungen sind ja
eigentlich zeitlos! Der König steht vor seinem Gott, der Adlige empfängt
Tribute, die Toten werden beweint: In allen diesen Fällen handelt es
sich um ein Nebeneinanderstellen, was sich selbst in einem Stil, der eine
realistische Darstellung eines bewegten Körpers ausschließt,
eindeutig wiedergeben läßt. Wie man weiß, hat erst die
griechische Kunst die Bezwingung der Erscheinung erreicht. Ich habe in meinem
Buch Kunst und Illusion die Ansicht vertreten, daß das Streben, die
Realität zu meistern, damit zusammenhing, daß der Kunst innerhalb
der griechischen Kultur allmählich die Funktion zufiel, die Sagen und
Mythen, von denen die epischen Dichter sangen, zu illustrieren und uns gleichsam
vor Augen zu stellen." Wie immer das gewesen sein mag, sicher ist, daß
die griechische Kunst Methoden entwickelte, das fehlen der Bewegung nicht
durch Symbole, sondern durch die Schaffung von Bildern maximaler Instabilität
zu kompensieren... Nicht-Handeln, Handeln ohne zu tun..
*
Aber nun sah ich zum ersten Mal wieder einen Priester im Magnetfeld es Altars.
Was er sprach und sang, glitt an mir ab. Ich empfand es als weniger wichtig.
Wichtig war der Eindruck, dass er etwas tat. Dies Stehen und Armeausbreiten
und Kreuzemachen war ein Tun. Der Priester arbeitete dort vorn. Was er mit
den Händen tat, war ebenso entscheidend wie seine Worte. Und seinen
Taten waren Gegenstände zugeordnet: weiße Leinentücher,
ein goldener Kelch, ein goldener kleiner Teller, Wachskerzen, Kännchen
für Wasser und Wein, die mondhafte weiße Hostie, ein großes
in Leder eingebundenes Buch. Die Messdiener bedienten ihn in zeremonieller
Weise, sie schlugen die Buchseiten für ihn um, übergossen seine
Fingerspitzen mit Wasser und reichten ihm ein kleines Handtuch. Nachdem
er die Hostie in die Höhe gehoben hatte, vermied er, mit Daumen und
Zeigefinger noch etwas anderes zu berühren, und legte sie deshalb zusammen,
auch wenn er den Kelch anfasste oder den goldenen Tabernakel aufschloss.
Es gibt gute Gründe, den Glauben, dass menschliche Handlungen irgendetwas
bewirken, als Größenwahn zu betrachten. Von solchem Größenwahn
kann der Gang über das wüste Gelände kurieren, auf dem einmal
eine antike Großstadt gestanden hat, eine hellenistische Metropole
voller Kunst, Geld, Energie und Erfindungsgeist. Und doch meinen viele,
die sich weigern würden, an Engel zu glauben, dass, was in einer solchen
Stadt gedacht und geschaffen worden sei, unfassbar, aber höchst wirksam
weiterlebe und ein sich immer wieder materialisierendes Fundament für
Neues bilde, das ohne diese Grundlage nicht entstehen könne. Von einer
solchen Vorstellung ist es nur noch ein Schritt, eine Auswirkung materieller
Handlungen auf rein geistige Regionen anzunehmen. Die Völker aller
Kulturen haben dies geglaubt und deshalb als ihre höchste Handlung,
den Inbegriff jeden Handelns, da mit der höchsten Wirksamkeit verbunden,
angesehen. Das Opfern ist eine materielle Handlung, die eine geistige
Wirkung anstrebt. Dieser Sprung ist aber nur für Idealisten absurd.
Für Materialisten der steinzeitlichen Prägung ist alle Materie
ohnehin so von Geist und Leben erfüllt, dass es aus ihr geradezu herausstrahlt.
Martin Mosebach
*
Kulthandeln
Die Zirkelmessung in Makrodimensionen
Die Vermessung war bei den alten Ägyptern wahrscheinlich ein uralter
und hochgeschätzter Kult, der in jedem einzelnen und im Gesamtkollektiv
verankert war. Sie war eine Handlung, die nur von Auserwählten,
eigens dafür Geweihten, ausgeübt werden durfte, während das
Geheimnis Gott selbst, dem Pharao, vorbehalten blieb. Im Laufe der
Zeit hatte sich diese kollektiv-unterbewußte Idee akkumuliert und
in grandiosen Proportionen Gestalt angenommen, die, wenigstens nach dem
heutigen Stand des Wissens, nicht mehr aus einem Vermessen mit Hilfe von
Stock und Schnur erklärbar ist. Dies beweisen die allgemein als
solche identifizierten Pflöcke, die der Vermessung der Grundstücke
dienten. Unter den erhaltenen Typen von Pflöcken gibt es einige,
die in bezug auf ihre Bearbeitung und Fertigung aus Stein eine frappierende
Ähnlichkeit mit dem Schraubdrehstein von Lepenski vir aufweisen.
Allerdings, wie man mit rationell-technischen Methoden nicht erklären
kann, weshalb die Cheopspyramide genau den zehnmillionsten Teil des Erddurchmessers
hoch ist, so kann man auch nicht erklären, weshalb sie gleichzeitig
auch das Zentrum darstellt, von welchem aus das Nildelta abgezirkelt werden
konnte, wobei natürlich infolge der Möglichkeiten, die das sogenannte
heilige ägyptische Dreieck 3,4,5 bot, der abgeschlagene Kreisbogen
unter einem Winkel von 90° vermessen wurde und nicht, wie in Lepenski
vir, unter einem Winkel von 60°.
*
Er arbeitet an seiner Seele wie ein Operateur, der sich ohne Betäubung
ins eigene Fleisch schneidet. Auch das Schauerlichste nimmt er an
aus Gottes Hand. Gott in allem finden: Darauf kommt es ihm an.
Am Anfang glaubt er noch, er müsse zur Ehre Gottes das Irdische verachten.
Er beginnt seine geistliche Laufbahn als Asket, will Kartäuser werden
und nur noch Kräuter essen, schenkt seine Edelmannsgewänder einem
Armen und kleidet sich in einen Sack, duzt die Vornehmen, will sich tothungern,
bleibt nächtelang wach, läßt sich Haare und Nägel wachsen,
schneidet sich bei Winterbeginn Löcher in die Schuhe, verweigert Hilfs-
und Begleitungsangebote, um ausschließlich auf Gott angewiesen zu
sein. Das alles hat er selbst im "Bericht des Pilgers" überliefert.
Er ist damals zweifellos eine Art Gottesnarr. Aber er lernt
viel daraus. "In dieser Zeit behandelte Gott ihn auf die gleiche Weise,
wie ein Schullehrer ein Kind behandelt, wenn er es unterweist." Ignatius
ist ein gelehriger Schüler. Er beobachtet sich mit kühlem
Verstand. Die inneren Regungen, Trost oder Trostlosigkeit, sollen
ihm zeigen, was richtig ist. Er entwickelt Regeln zur Unterscheidung
der Geister. Welchen Einflüssen ist zu folgen, welchen nicht?
In welchen spricht Gott zu mir, in welchen die ungeordneten Begierden? Er
gilt als Mystiker.
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Handlungstechniken: Gnosis, Tantrik, Schamanismus. |
31
- als Erinnerungstheater, Gedächtnisraum, Mythologie |
als
Inhalt |
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32
- als Theater - als Philosophie. Theatralisches Handeln, |
als
Inszenierung, Schau-Spiel |
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Die Philosophie ist keine Lehre, sondern eine Tätigkeit, hat Ludwig
Wittgenstein vorgeschrieben
Er (Bieri) strebte nach einer "philosophischen Genauigkeit", deren analytische
Überzeugungskraft aufs engste mit den lebensweltlichen Erfahrungen
verbunden ist, die jeder mit sich selbst macht, ohne sie klar artikulieren,
wirklich verstehen und begründet billigen zu können.
Diesen Stil, der sich an den Werken Platons und Wittgensteins orientiert,
hat Bieri als "Handwerk" charakterisiert.
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Der Regisseur Ernst M. Binder über seinen Zugang zur Theaterarbeit:
"Im Theater muss man das Geld beim Fenster hinaus- schmeissen, ohne den
Hintergedanken, es möge bei der Tür wieder hereinkommen. Eine
Gemeinschaft MUSS sich Theater leisten, um nicht zur Gesellschaft zu verkommen.
Denn Theater kann die Spannung zwischen dem Lärm der Straße
und der Stille des Über-etwas-Nachdenkens wahrnehmbar und nachvollziehbar
machen. Theater soll den Seiltanz des aus Kalkül Schweigenden mit
dem in sich Hineinhörenden wagen. Theater muss den schmalen Grat
vom lustvoll taumelnden Grenzgänger zu jenem, der bereits am Strick
hängt, zitternd überschreiten. "We got the sky to talk about
/ And the world to lie upon." Ja, lieber alter Townes Van Zandt, deine
Krücke war nie der Stock, auf den du dich stützen musstest am
Ende deines Wegs, deine Krücke war immer das Verlorensein in dieser
Wüste aus Sand und Eis: "Come mornin / I ll be through them hills
and gone."
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Gerrit Confurius
"Mehr als das war nicht herauszubekommen. Es war seine Arbeit. Er war
wie ein Gott – schiere Anwesenheit, schiere
Wirkung." - Ein Satz aus einem Kriminalroman schwedischer Schule, von
Arne Dahl, mit dem Titel "Böses Blut".
Confurius begibt sich auf Spurensuche bei Tschechow, Pessoa, Jane Bowles,
Patricia Highsmith, Shakespeare und Ovid: "Wir haben die Politiker und
die Mörder, die wir verdienen. Sie sind das Personal unserer eigenen
Inszenierungen."
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Lutz Ellrich
VOM POLITISCHEN THEATER ZUM THEATER DER POLITIK
Metamorphosen der Souveränität.
Die gegenwärtige Gesellschaft wird zunehmend als Gesellschaft des
Spektakels beschrieben. Begriffe wie Aufmerksamkeit, Prominenz, Verwischung
von öffentlicher und privater Sphäre, Ästhetisierung, Medialisierung
etc. sind im Umlauf. Man spricht sogar von einer Wiederkehr jener Theatralität,
die für das Barockzeitalter charakteristisch war.
Dabei wird freilich oft die unterschiedliche Funktion der so erstaunlich
ähnlichen ‚Aufführungen’ übersehen. Die Theatralik der
klassischen Souveränität, die einst auf den Bühnen ästhetisch
dargestellt und reflektiert (und dadurch auch untergraben) wurde, hat
eine andere Funktion als die medial inszenierte Demokratie, die heute
so viele Kritiker findet. Es geht hier um neue Formen der Macht und um
eine veränderte Beziehung von sichtbaren und unsichtbaren Mechanismen
sozialer Kontrolle. Die entscheidende Frage lautet jetzt, ob und auf welche
Weise die aktuelle politische Performance die Macht schwächt, steigert
oder transformiert.
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Platon trägt, bis heute vorbildlich, seine Philosophie in Dialogen
vor. Darin läßt er, meist unter Führung von Sokrates,
charakteristische Individuen in charakteristischen Situationen leitende
Begriffe des alltäglichen Denkens und Handelns erörtern. Die
Ergebnisse sind in der Regel keine Lehren, die beliebig übertragbar
wären, sondern Orientierungen, die die Gesprächspartner
instandsetzen, die Begriffe in unterschiedlichen Situationen angemessen
zu gebrauchen. Es geht, bis heute, nicht einfach um Wissen, sondern
um den rechten Gebrauch von Wissen. Im Dialog Lysis wird unter dem
Thema, wie man Freundschaft gewinnen kann, zunächst erörtert
und vorgeführt, wie Wissen erfolgreich oder erfolglos gebraucht werden
kann. Im Dialog Charmides wird dann unter dem Thema der Besonnenheit weitergefragt,
worin Wissen dann
selbst besteht, in einem ausdrücklichen, sprachlich artikulierten
Wissen von diesem Wissen oder eben in seinem angemessen Gebrauch. Im Dialog
Phaidros schließlich wird unter einem nicht mehr ohne weiteres zu
identifizierenden Thema - es geht um Natur, Schrift, Liebe, Schönheit
und Wahrheit, vor allem aber um das Reden selbst - entfaltet, wie Dialogpartner
im Dialog selbst Gebrauch voneinander machen können.
Platon führt vor, wie Sokrates im Dialog mit Phaidros im Bann des
Eros zu einer für ihn selbst überraschenden Bestimmung der Wahrheit
kommt, nach der sie sich als Schönheit zeigt. So kann man den Phaidros,
der bis heute zum Faszinierendsten gehört, was die europäische
Philosophie hervorgebracht hat, als Dialog über den Dialog selbst
lesen. Dafür spricht auch, daß der Dialog mit der berühmten
Schriftkritik
schließt, nach der die Philosophie schriftlich fixierte "Lehren"
vermeiden muß.
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Brenda Laurel hat die Theater-Metapher für das Interface-Design
nutzbar gemacht. „ Das Interface ist nicht einfach das Mittel, durch
das sich ein Mensch und ein Computer einander repräsentieren; vielmehr
ist es ein gemeinsamer Kontext für Handlungen, in denen beide als
Aktoren fungieren." „ Das Design dieser Benutzeroberfläche dürfe
nicht an einer Bildschirm-Metapher ansetzen, sondern daran, was Leute
darin machen wollen. Designer sollten eine Bühne bereitstellen für
" vollständige Handlungsabläufe mit multiplen Aktoren ".
Programme stellen, anders als die zur Schau gestellten Inszenierungen
des Theaters, den Benutzer ins Zentrum der Handlung. (Volker R.
Grassmuck)
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Vielmehr beschreibt „Geist“ die spezifische Art und Weise, wie Menschen
in der Welt sprechen und handeln. Normative Artikulation meint in
diesem Sinn, dass geistige Wesen sich über die Regeln klar werden
können, denen sie als Handelnde folgen, weil sie sie anerkennen;
„inferenziell“ gegliedert ist alles, was sich nicht blind und naturwüchsig
vollzieht, sondern in den „space of reasons“ eintritt: Wir können,
so Brandom, für unser Tun und unsere Sätze Gründe liefern
und fordern gleichzeitig die Gründe anderer Akteure und Sprecher
ein.
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Neben der reflexiven Dimension besitzt das Theater auch eine illusorische
und täuschende Kraft. Sie findet in unseren Tagen vor allem in den
Medien, der Werbung und auch der Politik ihre ausgeklügelte, operative
Verwendung.
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Darstellung erwiese sich dann als eine Dimension, in der das zur Äquivalenz
kommt, was in solchen Doppelungen auseinander-gespannt ist. Da diese
vom Spiel bewirkt werden, bildet Spiel die Infrastruktur der Darstellung.
Denn Darstellung ist eine Figuration dessen, was sich im Spiel als die
Verbindung des Gegenläufigen gezeigt hat. Die Figuration ist
daher weder das Bild einer nachgeahmten Gegenständlichkeit noch reine
Erfindung eines Sachverhalts, da sie auf Gegebenheiten aufruht, mit denen
allerdings im Spiel etwas geschieht. Sowenig diese Figuration in
einer bestimmten Position des Textes gründen kann, dessen Repräsentation
sie dann wäre, so wenig ist sie strukturlos. Dafür sorgt
das Spiel sowohl durch die Form seiner Anlage als auch durch sein Gespielt
werden. Die Figuration wird folglich die Gegebenheiten aller Positionen
des Textes sowie deren wechselseitiges Überspieltwerden gleichermaßen
umfassen, wodurch Darstellung als Performanz Geschehenscharakter gewinnt.
Ist Darstellung eine durch Spiel gelenkte Performanz, so fragt es sich,
wie die von ihr hervorgebrachte Figuration zu qualifizieren sei. ...
W. Iser
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