Wiener Aktionismus und Film
Mitte der sechziger Jahre wird der Filmemacher Kurt Kren von Otto Muehl
und Günter Brus eingeladen, ihre Aktionen aufzuzeichnen. Ab 1964 realisiert
er zehn Aktionsfilme, die aufgrund ihrer Verbindung von avantgardistischer
filmischer Gestaltung und spektakulären Bildinhalten sehr schnell
breite internationale Anerkennung finden.
Kren zerlegt sein Ausgangsmaterial und ordnet es neu, ohne jedoch thematische,
inhaltliche Zusammenhänge gänzlich zu missachten. Durch Cut-up-Techniken
(Kurzschnitt, rhythmische Kaderreihen und Einzelkaderserien) wird der Film
von seiner konventionellen Abbildfunktion befreit und als eigengesetzliches
Material und Gestaltungsmittel, das nun unmittelbar mit den Materialaktionen
zu korrespondieren vermag, erlebbar. Krens rigorose Fragmentierung unterbindet
zudem jene voyeuristische und genießerische Wahrnehmung der Aktion,
die möglich wird, wenn die direkte Konfrontation entfällt und
die Auseinandersetzung aus sicherer. technisch gewährleisteter
Distanz erfolgt. Geht es bei Kren darum, die Materialität des Films
als Ausdrucksmittel zu nutzen, um sie in neuer Form auf die Materialarbeit
von Muehl und Brus zu beziehen, so zielt die Destruktion des Filmbildes
durch Ernst Schmidt jr. primär auf die Kritik bestehender Repräsentationsformen
und Ordnungen. Schmidt jr. fordert Filme, die die Gesetze manipulierter
Ästhetik, moralischer oder politischer Richtlinien nicht anerkennen
und den illusionistischen Charakter des Films entweder schonungslos offen
legen oder zerschlagen. Der Aktionsfilm Bodybuilding bringt sein anarchistisches
Vorgehen beispielhaft zum Ausdruck. Auf Muehls radikale Behandlung des
Körpers als formbares Material antwortet Schmidt jr. mit der Zersetzung
des Bildmaterials durch Positiv- und Negativelemente, Fehlbelichtungen
und eingebaute Weißkader sowie einer asynchronen und zerkratzten
Tonspur, auf der u. a. bruchstückhafte Kommentare zu Kunst und Gesellschaft
zu hören sind .
Während die Filmer in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre
ihre antiillusionistische Materialarbeit weiterentwickeln, die Leinwand
verlassen und zu Expanded Cinema
Aktionen im physischen Raum gelangen, nehmen Brus und Muehl um 1966
die
Verfilmung ihrer Aktionen in die eigenen Hände. Besorgt um die
adäquate
Vermittlung der dramaturgischen Strukturen sowie der skandalösen
Inhalte ihrer
Aufführungen, schneiden sie entweder die Filme selbst , oder aber
sie zeigen
das Geschehen streng dokumentarisch, möglichst ungeschnitten und
mit starrer
Kamera. Im Mittelpunkt dieser Aktionsfilme stehen die Darstellungen
und
Ereignisse vor der Kamera. Fragen filmischer Repräsentation und
Materialität treten
demgegenüber in den Hintergrund. (MM, Wien, Begleitheft)
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