Rolf Hinterecker
Juck 11/ Freudental Bensberg/ Moitzfeld 51429 Bergisch Gladbach Tel: +49-2204-83884 / Fax:+49-2204-85405 E-Mail: office-for-global-affairs@t-online.de Gedankenskizzen 2002 zur Dokumentation der Performance Aus Zeitgründen handelt es sich bei dieser Textsammlung nicht um ein komplettes Konzept sondern eher um Traktate, Beobachtungen, Thesen, die teilweise pauschal und provokant abgefasst wurden. Gedankenskizzen, mit denen ich bei der Entwicklung meiner Arbeiten ständig konfrontiert werde. Ich betrachte Performance Arbeiten grundsätzlich als etwas flüchtiges,
temporäres das den vor Ort weilenden Zuschauer durch die Präsenz
und Arbeit des Künstlers verunsichert, bewegt, verzaubert, oder auch
abstößt. Wie immer....Man könnte sie auch als vergängliche
Kunst bezeichnen.. Gegen jegliche Art der Dokumentation spricht ein wesentlicher
Aspekt der Performance. Anders als bei Theater oder vergleichbaren künstlerischen
Ausdrucksformen hat die Performance etwas einmalig authentisches. Die Betrachter
sind sich dessen sehr wohl bewusst. Manchmal erzählen sie ihren Freunden
und Bekannten von einer solchen Arbeit, schmücken sie aus, fügen
eigene Beobachtungen hinzu (und sei es der störende Zufall, der vom
Betrachter ganz anders gewertet wurde) Es entsteht eine Geschichte die
weiterlebt, transferiert und bestenfalls zu einer neuen Geschichte wird..
vielleicht zu einem modernen Märchen.
Jede Art von Dokumentation bringt zwei weitere Ebenen in dieses Spiel. Man kann sie benutzen oder ablehnen. Die eine Ebene ist das Erscheinen eines dokumentierenden.. auf der Handlungsebene. Eine / oder mehrere Personen die mehr oder minder dezent die eigentliche Performance begleitet. Die zweite Ebene stellt das erzeugte Material und dessen Weiterbearbeitung. Sicher unbestritten ist ein Bild, Video usw. etwas völlig anderes als die Arbeit selbst. Es ergibt sich nicht nur theoretisch eine neue Arbeit. durch den subjektiven Blickwinkel des Dokumentierenden, die Hervorhebung eines Momentes (Foto) und seine weitere Bearbeitungen usw. usw... Plakativ formuliert sollte man einmal bedenken, was für ein immenser Aufwand bei der Erstellung eines Films betrieben wird, um eine kurze, natürliche wirkende Szene, mittels des Mediums Film zum Betrachter / Zuschauer zu transportieren. Alleine von der 'Location' her, werden ganze Häuser umgestrichen, Möbel geräumt usw. Hinzu kommt der technische Aufwand von der Beleuchtung, über das Filmmaterial bis hin zum Schnitt....Die Betonung lag auf einer kurzen schlichten Einstellung ohne Effekte. Um sich also inhaltlich, als auch formal an die Intention des Künstlers
bei einer Performance anzunähern, bedürfte es streng genommen
eines ähnlich hohen Einsatzes von Seiten der Dokumentierenden.
Nun gibt es zahlreiche kunsthistorisch bedeutende Bild- und Film- Dokumente, der ersten Happenings und Aktionen, die heute fast wie Ikonen behandelt werden.. über die Authentizität dieser Bilder im Sinne eines echten Happening Dokumentes zu diskutieren finde ich durchaus wichtig. Zahlreiche Abhandlungen über die Ästhetisierung mittels der schwarz/weiß Fotografie existieren (Du Boris hast es ja auch in Deinem Text erwähnt) Ohne das auch nur annähernd vertiefen zu können, möchte ich auch hier ein krasses Beispiel benennen: Die Geschehnisse des letzen Weltkrieges nahmen wir bis vor kurzem nur in schwarz / weiß wahr. Dies schaffte nicht nur historisch gesehen eine erhebliche Distanz. Die massive Veröffentlichung von Farbfilmdokumenten aus dieser Epoche im letzten Jahr, einschließlich der Leichenberge in den KZs, veränderte die Sichtweise schlagartig. In welche Richtung wäre ebenfalls eine interessante Forschungsarbeit. Mich erstaunt in diesem Zusammenhang die Naivität zahlreicher KollegInnen, die die komplexen Zusammenhänge jeglicher Art von Dokumentation kaum zu reflektieren scheinen. Dabei sind die Folgewirkungen sehr vielschichtig. Als Extrem würde ich sogar so weit gehen und behaupten dass das tragischste was einer künstlerischen Arbeit (Performance) in diesem Kontext groteskerweise geschehen kann, der große Zuspruch in einem Massenmedium bedeuteten würde. Die Arbeit wird benutzt werden und der Spirit der Performance verbrennt. Zahlreiche Kulturen sind sich der Tatsache bewusst, dass ein zu oft
gezeigtes Image einer Sehgewohnheit unterliegt, die das besondere, intime,
heilige, schreckliche usw. eines Bildes, Handlung oder Geschehnisses mit
jeder weiteren Darstellung ent- mystifiziert. Das Image 'verbrennt'.
Das dieser wichtige Aspekt im Medienzeitalter einen noch bedeutenderen
Stellenwert hat, sei mit drei jüngeren Beispielen belegt:
3. Als drittes seien die endlos wiederholten Aufnahmen des Terroranschlages vom 11.September 2001 angeführt. Hier scheinen sogar Nachrichten und Medienvertreter begriffen zu haben wie der Konsument reagiert. Zumindest wurde die Abnutzung des Unglaublichen in diesen Fachkreisen diskutiert. Natürlich spielen bei diesem Phänomen einer 'Abnutzung' zahlreiche Faktoren zusammen... Der wichtigste ist jedoch sicherlich die endlose Wiederholung und Verbreitung dieser Bilder. Neben dem verbrannten Image stelle ich als zweite wichtige Position die Wechselwirkung zwischen Performer, Publikum und dem Dokumentierenden. Das heißt die Dokumentation beeinflusst das Publikum und somit die Arbeit des Performers bereits vor Ort. Folgerichtig ist die Art der Dokumentation von großer Bedeutung. Meiner Ansicht nach gibt es mindestens drei Ebenen, die als Ausgangsbasis einer solchen Diskussion dienen könnten: A) Die Art der Performance Angefangen von inhaltlichen
Unterscheidungen
1. 'Interaktive Performances' die
das Publikum in einen Dialog einbeziehen
B) Die Art des realen Publikums
C) Die Art der Dokumentation (auch hier wieder mit Untergattungen,
wie der
D) Die weitere Bearbeitung der verschiedenen Medien durch Vergrößern
/
Alleine aus diesen Faktoren ergeben sich bereits hunderte Optionen
A) möchte ich auf den Bestand des ASA Performancearchivs von Boris Nieslony verweisen, der zu den verschiedensten Arten einer Performance bereits umfangreiche Erfassungen und Untersuchungen vorgenommen hat. Zu all diesen verschiedenen Formen und Arten der Performance müsste man nun die verschiedenen Arten des Publikums berücksichtigen und dieses wiederum unter dem Aspekt einer mehr oder minder starken Beeinflussung durch die diversen Formen einer Dokumentation. Nun wird man auch hier wieder mindestens drei Grundpositionen unterscheiden müssen. 1. Arbeitet der Künstler interaktiv mit seinem 'Publikum' ? In diesem Fall beeinflusst jede Form der Dokumentation die Zuschauer und somit die Reaktionen. (Wie man häufig beobachten kann) 2. Handelt es sich um eine 'klassische' Performance, in der etwas aufgeführt
wird und das Publikum als Zuschauer fungiert, dann unterliegt der Performer
-mehr oder minder vergleichbar mit der Situation eines Musikers- der Stimmung
des Publikums. Der Künstler spürt sehr wohl die Stimmung eines
konzentrierten, faszinierten oder im anderen Extrem, übersättigten
oder gelangweilten Publikums.
3. Handelt es sich um eine 'autistische' Form, in der der Künstler das Publikum bewußt ignoriert.? In diesem relativ günstigen Fall - wird der Grad der 'Objektivität' einer solchen Dokumentation von der genauen Planung und der Sensibilität der Akteure bestimmt. Aber selbst hier verzerrt die Anwesenheit einer Person mit einem Fotoapparat / Videocamera das Geschehnis. Und sei es nur dadurch, dass das Publikum zurückhaltender mit eventuellen Bemerkungen oder dem Verlassen des Ortes (bei Langeweile) ist. Immer aber beeinflusst jede Art einer Dokumentation diese Stimmungen. Seien sie intim, theatralisch oder gewaltig. Eine Person, die diese Momente festhält wird sie brechen, stören oder auch verstärken. Eine Dokumentation wertet eine Handlung auf, gibt ihr etwas offizielles, nimmt der künstlerischen Performancehandlung ihre Unbefangenheit. Nun könnte man auf die Idee verfallen, dass unsichtbar montierte Kameras das Problem lösen könnten. Das dies keine ernsthafte Lösung darstellt liegt nicht nur an dem hohen technischen Aufwand sondern auch an den sehr eingeschränkten Blickwinkeln solcher 'Überwachungen' .Abgesehen davon, wäre noch zu klären, ob dies ohne Aufklärung des Publikums überhaupt zulässig ist (Persönlichkeitsrechte / Datenschutz) B) Das Publikum
1 ) Kunstpublikum arbeitet. Das in fast klassischer Reinform in Kunstvereinen,
Galerien, Museen usw. anzutreffen ist.
2) Passanten, die bei einer Performance im öffentlichen Raum zufällig erscheinen. Begibt sich der Performer an solche Spielorte hat er zahlreiche Vorentscheidungen zu treffen. Bereits die Wahl der Stadt, Fußgängerzone, Siedlung, Straße usw. haben erheblichen Einfluß auf das Publikum und seine Reaktionen. Die Besucher oder auch zufällig erscheinende Passanten sind einerseits relativ leicht manipulierbar, verhalten sich jedoch auch fast völlig unberechenbar. Eine begleitende Dokumentation sanktioniert in diesem Falle die Arbeit des Performers und gibt ihr sogar eine Legitimation.. Das Publikum hat zumindest den Eindruck, dass es sich um ein wie immer geartetes - seriöses Unterfangen handelt. 3) Publikum auf geschlossenen Veranstaltungen wie Familienfeiern / Firmenfeste
zweckgebundene Veranstaltungen wie sie von Parteien, oder sozialen Gruppierungen
wie Frauen-, Umwelt- oder 3. Weltgruppen usw ausgerichtet werden und von
denen man eingeladen wird. Der Künstler arbeitet meist mit Themen
bezogenen Arbeiten und / oder Zeitvorgaben
Die gleiche Art und Weise einer Dokumentation wird bei den verschiedenen Publikumssituationen völlig verschiedene Auswirkungen haben. Verändere ich nun das Medium der Dokumentation hin zu einer größeren Video oder Filmcamera, so wird beim Publikum der Eindruck erweckt, diese Arbeit sei der Bestandteil einer komplexeren Arbeit. Es handele sich z.B. um einen Teil aus einem Spielfilm, oder einer Kulturreportage, bis hin zu der 'versteckten Camera' einer beliebten Fernsehserie aus den 70er Jahren, die in modifizierter Form bis heute existiert. C) Die Art der Dokumentaion 1. Fotografie / Art der Kamera / Beleuchtung / Blitzlicht / die Auswahl des Filmmaterials / Assistenten / Gebrauch eines Statives, usw 2. Video / Art der Kamera / die auf der Kamera fest montierte Beleuchtung / die rote Leuchtdiode, die anzeigt, ob das Gerät aufzeichnet usw. 3 Film / Art der Kamera / Filmbreite (8mm, 16mm, 32mm) Licht / Assistenten / Ton usw. usw. 4. Tonaufnahmen. Man mag geneigt sein, bei einer vorab installierten Einrichtung keine Einflüsse auf die Handlung zu sehen. Aber abgesehen davon, dass bei einer einigermaßen authentischen Tonqualität mindestens eine Person am Mischpult stehen wird, wird auch das technische Gerät wahrgenommen werden und somit wiederum der Effekt einer begleitenden Autorität (wie sie TV und Film nun einmal sind) erzeugt. In der Regel wird eine solche Aufzeichnung mit Video kombiniert (Joe Jones) 5. Liveübertragung durch Rundfunk / TV / via Internet. Ich würde behaupten, dass bei einer solchen Performance ein ganz anderer Ansatz zugrunde liegt und die Wechselwirkung hier einem anderen Konzept folgt, als Bilder oder Video einer 'klassischen Performance' zu erstellen. Die Möglichkeiten einer solchen Übertragung sind theoretisch unendlich. In der Praxis sind jedoch die wenigsten in der Lage solche Medienspektakel wirklich sinnvoll zu nutzen. Nicht zufällig fällt mir hier ausgerechnet ein ehemaliger Werbefachmann ein. Man kann ja über H.A. Schult denken wie man will und ob seine Aktionen noch zu der Performance zu rechnen sind ebenfalls, aber er ist in der Lage diese Wege sehr professionell zu bespielen, ohne allerdings je an Mr. Nam June Paik heranzureichen D) Die Weiterverarbeitung
Wie Eingangs erwähnt erlaubt mir mein Zeitrahmen im Augenblick keine tiefere Einlassung. Vielleicht erübrigt sich das ja, weil andere Kollegen/innen dies ausführlich thematisieren. Warum also Dokumentation..? Wenn ich es selbstkritisch reflektiere. Gibt es im Grunde nur wenige überzeugende Argumente: ___________________________________________________________________ 1. Die Dokumentation stellt ein Element der Performance selbst dar und
ist Bestandteil derselbigen.
3. Die Dokumentation wird genutzt um sich in dem verlogenen Kulturbetrieb
zu etablieren und entsprechendes Material für Presse, Medien und Publikationen
zu besitzen. (professionell aber künstlerisch nicht ganz unbedenklich)
Nun also noch einige Zeilen zu meiner eigenen Arbeit: Die Untersuchung der Lokalität (und sei es in Form einer geschichtlichen /kulturellen Recherche) sind Ausgangsbasis. Hiervon abhängig wird die Entscheidung getroffen, ob ich den Raum / die Lokalität nutze, oder auf in der Nähe liegende "Spielorte ausweiche /das Publikum regelrecht mitführe. Die meisten Performances realisierte ich in der offenen Landschaft oder im öffentlichen Stadtraum (Straßenbahn / Park / Tiefgarage usw.) Normalerweise verzichte ich auf Dokumentationen! Der Besucher vor Ort ist mein Gast, der sich den Unbilden von Wind und Wetter aussetzt, wartet usw. Er teilt meine Erwartungshaltung und unter Umständen sogar diese spezielle Form von Stress. Jürgen Kisters recherchierte in meinen Unterlagen und stellte fest, dass ich bereits ca. 100 Aktionen und Performances realisierte. Da meine Arbeiten meist sehr aufwendige Vorbereitungen erfordern, war ich selbst erstaunt. Es wurden aber nur ca. 10% der Arbeiten wirklich dokumentiert! Sonst gibt es nur Spuren in Form von alten Einladungen, ein Amateurfoto usw. Fast immer ist die Benutzung von Lampen oder Blitzlicht während meiner Arbeiten untersagt. Da viele Performances mit sehr wenig Licht ausgeführt werden um so eine spezielle Sensibilität und Wahrnehmung zu erzeugen, erübrigt sich ein Verbot für Fotografie und Video. Die meist sehr sensiblen Lichtstimmungen eingebunden in eine Art Dramaturgie mit Geräuschen und Musikfragmenten spielt mit der Wahrnehmung der Besucher. Ich würde sogar die Behauptung wagen, dass ich mir über diese Sensibilsierung des Publikums eine Verbindlichkeit schaffe. Der Betrachter spürt sehr wohl, dass es unangebracht ist z.B. witzige Bemerkungen zu machen oder in anderer Form unsensibel zu reagieren. Diese Situation erlaubt es mir im Gegenzug mich in einer Art und Weise vor fremdem Publikum im öffentlichen Raum zu geben / öffnen, die sonst undenkbar wäre. Kritiker mögen entgegnen, dass es sich partiell bereits um eine Art Zwischenstadium zu einer Inszenierung handelt, in dem ja auch das Publikum durch Kleidung, Ambiente usw. in eine gewisse Konzentration gezwungen wird. Dem ist nichts entgegenzusetzen. Diese Erwartungshaltung muss auf der anderen Seite jedoch auch vom Künstler erfüllt werden. Das bedeutet "man legt die Latte sehr hoch"! Die Arbeiten zu denen ich drei Bilder als Beispiel mitsende gehören zu den klassischen Formen einer Performance in denen das Publikum als Zuschauer fungierte. Bei zwei Arbeiten wurde eine Dokumentation nur unter engen Auflagen
akzeptiert.
In der dritten Arbeit eine Performance zum Thema Tschernobyl - war die Fotografin indirekt ein Teil der Handlung d.h. Ihre Anwesenheit verlieh der Arbeit eine gewisse Authentizität im Sinne einer dokumentarischen Handlung. Hier wurde die Fotografin auch eingesetzt, um zum Publikum eine Distanz zu schaffen. Dies erschien mir bei dem äußerst schwierigen Thema der Atomenergie eine Voraussetzung, um eine kritische und dennoch, poetische Performance zu entwickeln, ohne kitschig zu werden Dies als persönliches Beispiel. Selbstverständlich gibt es zahlreiche Arbeiten wo solch eine Distanz sinnvoll ist und ein Teil der Arbeit sein kann. In jedem Falle nimmt der / die Fotografin mit der Camera usw. einen Teil der Befangenheit, Beklemmung und Unsicherheit des Publikums. Grundsätzliche Regeln lassen sich genauso schwer festlegen wie der Begriff der Performance an sich nicht einfach zu definieren ist. |
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