Rolf Hinterecker
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Gedankenskizzen 2002 zur Dokumentation der Performance

Aus Zeitgründen handelt es sich bei dieser Textsammlung nicht um ein komplettes Konzept sondern eher um Traktate, Beobachtungen, Thesen, die teilweise pauschal und provokant abgefasst wurden. Gedankenskizzen, mit denen ich bei der Entwicklung meiner Arbeiten ständig konfrontiert werde.

Ich betrachte Performance Arbeiten grundsätzlich als etwas flüchtiges, temporäres das den vor Ort weilenden Zuschauer durch die Präsenz und Arbeit des Künstlers verunsichert, bewegt, verzaubert, oder auch abstößt. Wie immer....Man könnte sie auch als vergängliche Kunst bezeichnen.. Gegen jegliche Art der Dokumentation spricht ein wesentlicher Aspekt der Performance. Anders als bei Theater oder vergleichbaren künstlerischen Ausdrucksformen hat die Performance etwas einmalig authentisches. Die Betrachter sind sich dessen sehr wohl bewusst. Manchmal erzählen sie ihren Freunden und Bekannten von einer solchen Arbeit, schmücken sie aus, fügen eigene Beobachtungen hinzu (und sei es der störende Zufall, der vom Betrachter ganz anders gewertet wurde) Es entsteht eine Geschichte die weiterlebt, transferiert und bestenfalls zu einer neuen Geschichte wird.. vielleicht zu einem modernen Märchen. 
An diesem Punkt wird der Fotograf / Dokumentarfilmer usw. unweigerlich zur Schlüsselfigur. Sein Erscheinen schafft bei aller Diskretion eine offizielle, anonyme Situation. Kann es sich doch in diesem Moment nicht mehr um ein authentisches, echtes Leiden / Lächeln / Kämpfen usw. handeln. Es ist ja geplant berechnet, da jemand von der Presse da ist oder es dokumentiert.. Je nach Auftreten und Präsenz empfindet sich der Betrachter nur noch als ein geduldeter Zuschauer.. . Unter Umständen findet das Ganze lediglich für eine Dokumentation - welcher Art auch immer -  statt?  Bei manchen Performances zerstört der Künstler die eigene Poesie, indem er die Dokumentation über die Gefühle der Betrachter stellt.

Jede Art von Dokumentation bringt zwei weitere Ebenen in dieses Spiel. Man kann sie benutzen oder ablehnen. Die eine Ebene ist das Erscheinen eines dokumentierenden.. auf der Handlungsebene. Eine / oder mehrere Personen die mehr oder minder dezent die eigentliche Performance begleitet. 

Die zweite Ebene stellt das erzeugte Material und dessen Weiterbearbeitung. Sicher unbestritten ist ein Bild, Video usw. etwas völlig anderes als die Arbeit selbst. Es ergibt sich nicht nur theoretisch eine neue Arbeit. durch den subjektiven Blickwinkel des Dokumentierenden, die Hervorhebung eines Momentes (Foto) und seine weitere Bearbeitungen usw. usw...

Plakativ formuliert sollte man einmal bedenken, was für ein immenser Aufwand bei der Erstellung eines Films betrieben wird, um eine kurze, natürliche wirkende Szene,  mittels des Mediums Film zum Betrachter / Zuschauer zu transportieren. Alleine von der 'Location' her, werden ganze  Häuser umgestrichen, Möbel geräumt usw. Hinzu kommt der technische Aufwand von der Beleuchtung, über das Filmmaterial bis hin zum Schnitt....Die Betonung lag auf einer kurzen schlichten Einstellung ohne Effekte. 

Um sich also inhaltlich, als auch formal an die Intention des Künstlers bei einer Performance anzunähern, bedürfte es streng genommen eines ähnlich hohen Einsatzes von Seiten der Dokumentierenden.
Meine Fotografen mögen es mir verzeihen aber provokanter Weise möchte ich formulieren, dass eine Dokumentation die Stimmung einer Performance meist so authentisch wiedergibt, wie das mit Blitzlicht geschossene Bild eines Liebespaares beim Candel light dinner. Die Gnadenlosigkeit einer solchen Aufnahme mit meist roten Augen mag ja ihren Reiz haben.. Aber im Grunde konterkariert  ein solches Dokument die intime, sensible, vielleicht auch  erotische Stimmung des Paares.

Nun gibt es zahlreiche kunsthistorisch bedeutende Bild- und Film-  Dokumente, der ersten Happenings und Aktionen, die heute fast wie Ikonen behandelt werden.. über die Authentizität dieser Bilder im Sinne eines echten Happening Dokumentes zu diskutieren finde ich durchaus wichtig. Zahlreiche Abhandlungen über die Ästhetisierung mittels der schwarz/weiß Fotografie existieren (Du Boris hast es ja auch in Deinem Text erwähnt) Ohne das auch nur annähernd vertiefen zu können, möchte ich auch hier ein krasses Beispiel benennen: Die Geschehnisse des letzen Weltkrieges nahmen wir bis vor kurzem nur in schwarz / weiß wahr. Dies schaffte nicht nur historisch gesehen eine erhebliche Distanz. Die massive Veröffentlichung von Farbfilmdokumenten aus dieser Epoche im letzten Jahr, einschließlich der Leichenberge in den KZs, veränderte die Sichtweise schlagartig.  In welche Richtung wäre ebenfalls eine interessante Forschungsarbeit.

Mich erstaunt in diesem Zusammenhang die Naivität zahlreicher KollegInnen, die die  komplexen Zusammenhänge jeglicher Art von Dokumentation kaum zu reflektieren scheinen. Dabei sind die Folgewirkungen sehr vielschichtig. Als Extrem würde ich sogar so weit gehen und behaupten dass das tragischste was einer künstlerischen Arbeit (Performance) in diesem Kontext groteskerweise geschehen kann, der große Zuspruch in einem Massenmedium bedeuteten würde. Die Arbeit wird benutzt werden und der Spirit der Performance verbrennt.

Zahlreiche Kulturen sind sich der Tatsache bewusst, dass ein zu oft gezeigtes Image einer Sehgewohnheit unterliegt, die das besondere, intime, heilige, schreckliche usw. eines Bildes, Handlung oder Geschehnisses mit jeder weiteren Darstellung ent- mystifiziert. Das Image 'verbrennt'. 
Im Buddhismus gibt es zahlreiche Tempel, in denen das Fotografieren aus diesen Gründen verboten ist. Im Islam geht man viel weiter und untersagt sogar die Darstellung islamischer Persönlichkeiten und Bilder generell. Auch im Christentum steht der Flügelaltar, der an wenigen Feiertagen für Stunden geöffnet wird, in dieser Tradition. Es gibt das Beispiel, in dem ein solches 'Zeigen' z.B. nur alle 10 Jahre stattfindet. 

Das dieser wichtige Aspekt im Medienzeitalter einen noch bedeutenderen Stellenwert hat, sei mit drei jüngeren Beispielen belegt: 
1. Das Vietnamfoto, in dem ein Polizist die Pistole an den Kopf eines Vietkong hält und wohl in dem Bruchteil einer Sekunde des Todesschusses gemacht wurde befindet sich heute in fast jedem Schulbuch und ist als Poster zu erwerben.. Manche Jugendliche finden es cool .. und kaum einer empfindet noch den Schrecken und die Abscheu dieses unglaublichen Bildes das auch als Symbol für die Medienpräsenz in einem Krieg stand.
2. Als zweites Beispiel sei die Verpackung des Berliner Reichstages von Christo und Jean Claude genannt. Ich habe diese Arbeit vor Ort erlebt und es fällt mir schwer die unvorstellbare Energie dieses Projektes zu beschreiben. Die Genialität diesen so  düsteren Klotz deutscher Geschichts-Theatralik mit einem Stoffgewand zu verzurren ohne ihn lächerlich zu machen... ein Spektakel, dass seine Würde bewahrte und im Spiel mit Wind und Licht eine faszinierende, lyrische Poesie entwickelte, gehört für mich zu einer der interessantesten Versuche zeitgenössischer Kunst. Dennoch, die Fotos und Bilder haben ihre Magie verloren. Sie gingen um die Welt und kleben als Hochglanz-Kalenderdrucke in den Zellen von Verwaltungsbüros.. wie trivial . 

3. Als drittes seien die endlos wiederholten Aufnahmen des Terroranschlages vom 11.September 2001 angeführt. Hier scheinen sogar Nachrichten und Medienvertreter begriffen zu haben wie der Konsument reagiert. Zumindest wurde die Abnutzung des Unglaublichen in diesen Fachkreisen diskutiert.

Natürlich spielen bei diesem Phänomen einer 'Abnutzung'  zahlreiche Faktoren zusammen...  Der wichtigste ist jedoch sicherlich die endlose Wiederholung und Verbreitung dieser Bilder.

Neben dem verbrannten Image stelle ich als zweite wichtige Position die Wechselwirkung zwischen Performer, Publikum und dem Dokumentierenden. Das heißt die Dokumentation beeinflusst das Publikum und somit die Arbeit des Performers bereits vor Ort.

Folgerichtig ist die Art der Dokumentation von großer Bedeutung. 

Meiner Ansicht nach gibt es mindestens drei Ebenen, die als Ausgangsbasis einer solchen Diskussion dienen könnten:

A)  Die Art der Performance  Angefangen von inhaltlichen Unterscheidungen
      mit zahlreichen Untergattungen, ob z.B. eine Internetbeobachtung, inter-
      aktive Handlungen usw. vorgesehen sind. 
      Die konzeptionelle und gestalterische  Form (bis hin zu Aspekten,  wie viele 
      Akteure teilnehmen...wie die Art des Ortes / Wetter, Zeitpunkt, usw.)

      1. 'Interaktive Performances' die das Publikum in einen Dialog einbeziehen
      2. 'Klassische Performances', in denen etwas aufgeführt wird u. Zuschauer 
          anwesend sind.
      3. 'Autistische Performances', die unabhängig von Publikum aufgeführt 
          werden. 

B)  Die Art des realen Publikums 
      1. Fachpublikum innerhalb von Kunsträumen
      2. Publikum im öffentlichen Raum
      3. Publikum auf geschlossenen anderen Veranstaltungen

C)  Die Art der Dokumentation (auch hier wieder mit Untergattungen, wie der 
      Auswahl des Mediums / wer dokumentiert usw.)
      1. Fotografie 
      2. Video 
      3. Film
      4. Tonaufzeichnung
      5 Liveübertragung 

D)  Die weitere Bearbeitung der verschiedenen Medien durch Vergrößern / 
      Schnitt / Sampeln usw 

Alleine aus diesen Faktoren ergeben sich bereits hunderte Optionen
Ich denke es gibt bereits zahlreiches Material zu diesen Überlegungen, deshalb skizziere ich hier lediglich einige Punkte, die mir persönlich bemerkenswert erscheinen. 
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A)  möchte ich auf den Bestand des ASA Performancearchivs von Boris Nieslony verweisen, der zu den verschiedensten Arten einer Performance bereits umfangreiche Erfassungen und Untersuchungen vorgenommen hat. Zu all diesen verschiedenen Formen und Arten der Performance müsste man nun die verschiedenen Arten des Publikums berücksichtigen und dieses wiederum unter dem Aspekt einer mehr oder minder starken Beeinflussung durch die diversen Formen einer Dokumentation. 

Nun wird man auch hier wieder mindestens drei Grundpositionen unterscheiden müssen.

1. Arbeitet der Künstler interaktiv mit seinem 'Publikum' ? In diesem Fall beeinflusst jede Form der Dokumentation die Zuschauer und somit die Reaktionen. (Wie man  häufig beobachten kann)

2. Handelt es sich um eine 'klassische' Performance, in der etwas aufgeführt wird und das Publikum als Zuschauer fungiert, dann unterliegt der Performer -mehr oder minder vergleichbar mit der Situation eines Musikers- der Stimmung des Publikums. Der Künstler spürt sehr wohl die Stimmung eines konzentrierten, faszinierten oder im anderen Extrem, übersättigten oder gelangweilten Publikums. 
Deshalb sind der Ort und die Zuschauer von zentraler Bedeutung. Der Künstler kann mit diesem Spannungsfeld durchaus arbeiten, oder es beflügelt ihn oder er leidet darunter.. oder er schert sich nicht drum! Die Dokumentation wird so relativ direkt Einfluss nehmen auf die Stimmung /Qualität der Arbeit des Performers. Die Art der Dokumentation wird bei einer sehr 'leisen Arbeit' zu einer Gradwanderung  führen. Auf der anderen Seite kann die Anwesenheit einer /mehrerer Fotografen Videografen der Arbeit eine zusätzliche Dimension verleihen, sie verstärken. 

3. Handelt es sich um eine 'autistische' Form, in der der Künstler das Publikum bewußt ignoriert.? In diesem – relativ günstigen Fall -  wird der Grad der  'Objektivität' einer solchen Dokumentation von der genauen Planung und der Sensibilität der Akteure bestimmt. Aber selbst hier verzerrt die Anwesenheit einer Person mit einem Fotoapparat / Videocamera das Geschehnis. Und sei es nur dadurch, dass das Publikum zurückhaltender mit eventuellen Bemerkungen oder dem Verlassen des Ortes (bei Langeweile) ist. 

Immer aber beeinflusst jede Art einer Dokumentation diese Stimmungen. Seien sie intim, theatralisch oder gewaltig. Eine Person, die diese Momente festhält wird sie brechen, stören oder auch verstärken. Eine Dokumentation wertet eine Handlung auf, gibt ihr etwas offizielles, nimmt der künstlerischen Performancehandlung ihre Unbefangenheit. 

Nun könnte man auf die Idee verfallen, dass unsichtbar montierte Kameras das Problem lösen könnten. Das dies keine ernsthafte Lösung darstellt liegt nicht nur an dem hohen technischen Aufwand sondern auch an den sehr eingeschränkten Blickwinkeln solcher 'Überwachungen' .Abgesehen davon, wäre noch zu klären, ob dies ohne Aufklärung des Publikums überhaupt zulässig ist (Persönlichkeitsrechte / Datenschutz) 

B)  Das Publikum
Es gilt zu unterscheiden, ob man im Kontext mit:

1 ) Kunstpublikum arbeitet. Das in fast klassischer Reinform in Kunstvereinen, Galerien, Museen usw. anzutreffen ist. 
Dieses Publikum verhält sich meist passiv, sachkundig, geduldig, nach außen unemotionell. Es ist einen solchen Handlungsablauf gewohnt, wird aber eine Dokumentation unter Umständen am ehesten als störend empfinden

2) Passanten, die bei einer Performance im öffentlichen Raum zufällig erscheinen. Begibt sich der Performer an solche Spielorte hat er zahlreiche Vorentscheidungen zu treffen. Bereits die Wahl der Stadt, Fußgängerzone, Siedlung, Straße usw. haben erheblichen Einfluß auf das Publikum und seine Reaktionen. Die Besucher oder auch zufällig erscheinende Passanten sind einerseits relativ leicht manipulierbar, verhalten sich jedoch auch fast völlig unberechenbar. Eine begleitende Dokumentation sanktioniert in diesem Falle die Arbeit des Performers und gibt ihr sogar eine Legitimation.. Das Publikum hat zumindest den Eindruck, dass es sich um ein – wie immer geartetes - seriöses Unterfangen handelt.

3) Publikum auf geschlossenen Veranstaltungen wie Familienfeiern / Firmenfeste zweckgebundene Veranstaltungen wie sie von Parteien, oder sozialen Gruppierungen wie Frauen-, Umwelt- oder 3. Weltgruppen usw ausgerichtet werden und von denen man eingeladen wird.  Der Künstler arbeitet meist mit Themen bezogenen Arbeiten und / oder Zeitvorgaben 
Es gibt eine grundsätzlich positive Einstellung des Publikums, da es sich um einen Beitrag zur Bereicherung handelt, der in einer gewissen Tradition von Hofnarr, Bänkelsänger bis hin zum Zauberer und Laienaufführungen bei Familienfeiern steht (das ist ohne Abwertung zu verstehen) Eine Ausnahme besteht lediglich wenn der Veranstalter den Beitrag so schlecht platziert, dass man eine stimmungsvolle Feier in der bereits heftig getanzt oder diskutiert wird, mit dem Beitrag unterbricht
Von den Zuschauern – da meist kein 'Kunstpublikum' - sind auch hier sehr unberechenbare Reaktionen zu erwarten. Von einfachen Zwischenrufen – die zugegebenermaßen sehr pointiert und witzig sein können, bis hin zur Hilfsbereitschaft der Gutmenschen, die auch einmal ungeplant intervenieren und dem Performer aus dem Klebeband, oder aus anderen vermeintlichen Gefahrensituationen helfen möchten. 
Bei einer derartigen Veranstaltung, wird eine Dokumentierung die sich im üblichen Rahmen verhält, fast als selbstverständlich empfunden und zusätzlich von etlichen Amateuren unterstützt werden. (die sich zwar meist zurückhaltender verhalten, jedoch Wochen später alle Teilnehmer mit unglaublichen Bildern beglücken. Die werden den Performer als Altlast verfolgen, davor sei gewarnt.

Die gleiche Art und Weise einer Dokumentation wird bei den verschiedenen Publikumssituationen völlig verschiedene Auswirkungen haben.

Verändere ich nun das Medium der Dokumentation hin zu einer größeren Video oder Filmcamera, so wird beim Publikum der Eindruck erweckt, diese Arbeit sei der Bestandteil einer komplexeren Arbeit. Es handele sich z.B. um einen Teil aus einem Spielfilm, oder einer Kulturreportage, bis hin zu der 'versteckten Camera' einer beliebten Fernsehserie aus den 70er Jahren, die in modifizierter Form bis heute existiert.

C)  Die Art der Dokumentaion

1. Fotografie / Art der Kamera / Beleuchtung / Blitzlicht / die Auswahl des Filmmaterials / Assistenten / Gebrauch eines Statives,  usw

2. Video / Art der Kamera / die auf der Kamera fest montierte Beleuchtung / die rote Leuchtdiode, die anzeigt, ob das Gerät aufzeichnet usw.

3  Film / Art der Kamera / Filmbreite (8mm, 16mm, 32mm) Licht / Assistenten / Ton  usw. usw. 

4. Tonaufnahmen. Man mag geneigt sein, bei einer vorab installierten Einrichtung keine Einflüsse auf die Handlung zu sehen. Aber abgesehen davon, dass bei einer einigermaßen authentischen Tonqualität mindestens eine Person am Mischpult stehen wird, wird auch das technische Gerät wahrgenommen werden und somit wiederum der Effekt einer begleitenden Autorität (wie sie TV und Film nun einmal sind) erzeugt. In der Regel wird eine solche Aufzeichnung mit Video kombiniert (Joe Jones) 

5. Liveübertragung durch Rundfunk / TV / via Internet. Ich würde behaupten, dass bei einer solchen Performance ein ganz anderer Ansatz zugrunde liegt und die Wechselwirkung hier einem anderen Konzept folgt, als Bilder oder Video einer 'klassischen Performance' zu erstellen. Die Möglichkeiten einer solchen Übertragung sind theoretisch unendlich. In der Praxis sind jedoch die wenigsten in der Lage solche Medienspektakel wirklich sinnvoll zu nutzen. Nicht zufällig fällt mir hier ausgerechnet ein ehemaliger Werbefachmann ein. Man kann ja über H.A. Schult denken wie man will und ob seine Aktionen noch zu der Performance zu rechnen sind ebenfalls, aber er ist in der Lage diese Wege sehr professionell zu bespielen, ohne allerdings je an Mr. Nam June Paik heranzureichen 

D)  Die Weiterverarbeitung
Über dieses Feld wird man auch wiederum Bücher schreiben können (es gibt sie bereits) Darum sei auch dieser Aspekt lediglich der Systematik halber erwähnt, aber nicht weiter ausgeführt

Wie Eingangs erwähnt erlaubt mir mein Zeitrahmen im Augenblick keine tiefere Einlassung. Vielleicht erübrigt sich das ja, weil andere Kollegen/innen dies ausführlich thematisieren. 

Warum also Dokumentation..?  Wenn ich es selbstkritisch reflektiere. Gibt es im Grunde nur wenige überzeugende Argumente:

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1. Die Dokumentation stellt ein Element der Performance selbst dar und ist Bestandteil derselbigen.
2. Man nutzt das Material für eine weitere künstlerische Bearbeitung (Fotoarbeiten / Videoclips usw.) und schafft eine / mehrere neue Arbeiten

3. Die Dokumentation wird genutzt um sich in dem verlogenen Kulturbetrieb zu etablieren und entsprechendes Material für Presse, Medien und Publikationen zu besitzen. (professionell aber künstlerisch nicht ganz unbedenklich)
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Nun also noch einige Zeilen zu meiner eigenen Arbeit:

Die Untersuchung der Lokalität (und sei es in Form einer geschichtlichen /kulturellen Recherche) sind Ausgangsbasis. Hiervon abhängig wird die Entscheidung getroffen, ob ich den Raum / die Lokalität nutze, oder auf in der Nähe liegende "Spielorte ausweiche /das Publikum regelrecht mitführe. Die meisten Performances realisierte ich in der offenen Landschaft  oder im öffentlichen Stadtraum (Straßenbahn / Park / Tiefgarage usw.) 

Normalerweise verzichte ich auf Dokumentationen! Der Besucher vor Ort ist mein Gast, der sich den Unbilden von Wind und Wetter aussetzt, wartet usw. Er teilt meine Erwartungshaltung und unter Umständen sogar diese spezielle Form von Stress.

Jürgen Kisters recherchierte in meinen Unterlagen und stellte fest, dass ich bereits ca. 100 Aktionen und Performances realisierte. Da meine Arbeiten meist sehr aufwendige Vorbereitungen erfordern, war ich selbst erstaunt. Es wurden aber nur  ca. 10% der Arbeiten wirklich dokumentiert! Sonst gibt es nur Spuren in Form von alten Einladungen, ein Amateurfoto usw. 

Fast immer ist die Benutzung von Lampen oder Blitzlicht während meiner Arbeiten untersagt. Da viele Performances mit sehr wenig Licht ausgeführt werden um so eine spezielle Sensibilität und Wahrnehmung zu erzeugen, erübrigt sich ein Verbot für Fotografie und Video. Die meist sehr sensiblen Lichtstimmungen eingebunden in eine Art Dramaturgie mit Geräuschen und Musikfragmenten spielt mit der Wahrnehmung der Besucher. Ich würde sogar die Behauptung wagen, dass ich mir über diese Sensibilsierung des Publikums eine Verbindlichkeit schaffe. Der Betrachter spürt sehr wohl, dass es unangebracht ist z.B. witzige Bemerkungen zu machen oder in anderer Form unsensibel zu reagieren. Diese Situation erlaubt es mir im Gegenzug mich in einer Art und Weise vor fremdem Publikum im öffentlichen Raum zu geben / öffnen,  die sonst undenkbar wäre. 

Kritiker mögen entgegnen, dass es sich partiell bereits um eine Art Zwischenstadium zu einer Inszenierung  handelt, in dem ja auch das Publikum durch Kleidung, Ambiente usw. in eine gewisse Konzentration gezwungen wird. Dem ist nichts entgegenzusetzen. Diese Erwartungshaltung muss auf der anderen Seite jedoch auch vom Künstler erfüllt werden. Das bedeutet  "man legt die Latte sehr hoch"!

Die Arbeiten zu denen ich drei Bilder als Beispiel mitsende gehören zu den klassischen Formen einer Performance in denen das Publikum als Zuschauer fungierte. 

Bei zwei Arbeiten wurde eine Dokumentation nur unter engen Auflagen akzeptiert.
Es handelte  sich um  Arbeiten mit Träumen, Visionen in denen die Fotografen (Catja Vedder / Pietro Pellini)  mit sehr lichtempfindlichem Material arbeiteten.

In der dritten Arbeit – eine Performance zum Thema Tschernobyl -  war die Fotografin indirekt ein Teil der Handlung d.h. Ihre Anwesenheit verlieh der Arbeit eine gewisse Authentizität im Sinne einer dokumentarischen Handlung. Hier wurde die Fotografin auch eingesetzt, um zum Publikum eine Distanz zu schaffen. Dies erschien mir bei dem äußerst schwierigen Thema der Atomenergie eine Voraussetzung, um eine kritische und dennoch, poetische Performance zu entwickeln, ohne kitschig zu werden 

Dies als persönliches Beispiel. Selbstverständlich gibt es zahlreiche Arbeiten wo solch eine Distanz sinnvoll ist und ein Teil der Arbeit sein kann. In jedem Falle nimmt der / die Fotografin mit der Camera usw. einen Teil der Befangenheit, Beklemmung und Unsicherheit des Publikums. Grundsätzliche Regeln lassen sich genauso schwer festlegen wie der Begriff der Performance an sich nicht einfach zu definieren ist. 


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