Peter Wolf 

Performance und Fotografie

Durch meine Arbeit als Performer und Fotograf sind mir beide Positionen vertraut. Im Folgenden möchte ich die meines Erachtens wesentlichen Aspekte zu diesem Thema auf der Basis meiner persönlichen Erfahrungen als Performer erläutern.
 
Für die optimale fotografische Dokumentation von Performances gibt es kein allgemeingültiges Rezept – so wenig, wie es die Standard-Performance gibt. Es gibt sicher Standardsituationen innerhalb von Performances, also Situationen, die in verschiedenen Performances so oder ähnlich immer wieder auftauchen. Ebenso werden immer wieder Elemente bzw. Formen vergangener Performances bewußt oder unbewußt wiederholt. Dennoch ist jede performative Situation im Gesamtzusammenhang gesehen individuell verschieden. 
Performances können kurz oder lang, einfach oder komplex, rein körperlich oder requisitenbefrachtet sein. Jede Performance stellt individuelle Erfordernisse nicht nur an den Performer, sondern auch an den jeweiligen Fotografen. Wie bei jedem Teamwork kommt es daher auf die optimale innere und äußere Einstellung an. In der Regel sollte der Performancefotograf wie ein Bildjournalist bzw. Dokumentarfotograf arbeiten. Es sei denn, der Performer will ausdrücklich eine individuelle Sicht des Fotografen und integriert dessen persönliche, z.B. experimentelle Bildinterpretationen vorab als Variable und potentiell dynamische Erweiterung für die Dokumentation in seine Pläne. 

Was erwarte ich als Performer vom Fotografen? Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass ein Fotograf bei der Dokumentation eine dienende Funktion haben sollte. D.h. er arbeitet im Hintergrund und sorgt dafür, dass die Performance nicht oder so wenig wie möglich durch die fotografische Aktion und deren Umstände (Blitzlicht/Arbeitsgeräusche) gestört wird. Sein persönliches Interesse an Performance-Kunst setzte ich voraus. Wichtig ist die geistige und körperliche Beweglichkeit des Fotografen. Er sollte ein feines Gespür haben für Situationen, Interaktionen und Überraschungsmomente. Denn manche Performances (z.B. Gruppenperformances) haben oft eine Eigendynamik, die zu Überraschungen selbst bei dem (den) beteiligten Performer(n) führen kann oder soll.

Wie kann ich als Performer zum Gelingen einer guten fotografischen Dokumentation beitragen?
Grundsätzlich lassen sich im Vorfeld einer Performance durch gründliche Planung und professionelle Strategien unnötige Fehler oder Versäumnisse seitens des Fotografen vermeiden. So erhält der Fotograf von mir wenn möglich die nötigen Basisinformationen zu Schauplatz, Ablauf, Schlüsselbildern und Besonderheiten. Damit kann er sich vorbereiten, die richtige Ausrüstung wählen, später zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein und dort ggf. auch noch mitdenken und entsprechend agieren. 
Ein weiterer Schritt ist mein Bemühen als Performer, dem Fotografen im Vorfeld meine Vorstellungen und Wünsche so genau wie möglich bzw. nötig zu vermitteln, um sicher zu stellen, dass das Ergebnis so nah wie möglich meinen Vorstellungen entspricht. 

Ein alternative Strategie kann in diesem Zusammenhang sein, sich vertrauensvoll auf die persönlichen, intuitiven Qualitäten eines Fotografen zu verlassen und keine oder nur wenige Vorgaben zu machen. Das Zulassen einer individuellen Art des fotografischen Vorgehens ermöglicht im Idealfall Ergebnisse, die über die Vorstellungskraft des Performers hinausgehen und die Intensität oder Besonderheit der Performance im Rahmen der Dokumentation ggf. noch zu steigern vermögen. 

In jedem Fall entscheidend aber ist das Vertrauensverhältnis zwischen den Beteiligten. Nicht jede Performance findet vor Publikum statt. Manche Aktion wird erst durch die Dokumentation rezipierbar. Oft ist der Kameramann oder Fotograf der einzige Zeuge und Verbündete. In solchen Fällen besteht auf beiden Seiten eine besondere Verantwortung, wenn eine möglichst authentische Dokumentation gelingen soll. Authentisch bedeutet für mich in diesem Zusammenhang, daß die Absicht, die der Performer mit seiner Arbeit verfolgt, über die eigentliche Aktion hinaus festgehalten und transportiert werden kann, also in/auf den resultierenden Fotos potentiell erkennbar und nachvollziehbar wird. 

Ob die Dokumentation einer Performance nun ein gut vorbereitetes Team erfordert oder „nur“ einen  Fotografen, der mit Beweglichkeit und sachlichem Blick unmittelbar auf die performerischen Aktivitäten reagiert: Die Qualität von Performance-Dokumentationen ist eine Frage der richtigen Einstellung, sorgfältiger Vorbereitung und des besonderen Bewußtseins für Ausnahmesituationen.

August 2002


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