High-Art, Low-Tech. Fotografie und Performance
Performance und Aktionskunst sind auf entscheidende Weise von technischen
Medien abhängig. Zwar bedeutet die dokumentierende Aufzeichnung des
Ereignisses immer schon eine Verschiebung - einerseits, weil die entstandenen
Bilder dem Ereignis nicht äquivalent sein können, und andererseits,
weil allein die Anwesenheit eines Fotografen
oder Filmers (Filzners) die Aktion beeinflusst. Aber um überhaupt
jenseits des einmaligen Ereignisses kommunizierbar sein zu können,
kommen sie ohne eine Dokumentation nicht aus Die in Performance und Aktionismus
implizierte Kritik an der Bildlichkeit mündet dabei unausweichlich
wieder in ein Bild. (1) Unausweichlich deshalb, weil auch die Attacke
gegen den Kunstbetrieb von der Position des Künstlers aus geführt
wird und daher auf dessen Bedingungen der Ausstellbarkeit und Reproduzierbarkeit
angewiesen bleibt. Performances und auch Body Art sind daher als Befragungen
des Bildlichen im Bereich des Bildes zu verstehen. Sie setzen dabei an
die Stelle des Kunstwerks technische Bilder, denen qua ihrer Herkunft aus
dem Bereich populärer Medien und der Gebrauchskunst immer etwas Unkünstlerisches
anhaftet. Umso erstaunlicher, dass die dilletantistischen Fotobilder, die
im Zeichen der Entauratisierung des Kunstwerks entstanden sind, heute wie
Reliquien erscheinen und ihnen in besonderer Weise der Charakter eines
Originals anhaftet. Man kann einen Grund für diese Re-Auratisierung
in der zeitlichen Verschiebung sehen, in der wir heute die Fotografien
betrachten. Darüber hinaus beruht er aber auch auf einer strukturellen
Ähnlichkeit von Performance bzw. Aktionskunst und Fotografie: Denn
das fotografische Bild verweist als Medium der Spurensicherung auf die
unwiederholbare Präsenz des Ereignisses, sie zeigt, um es mit einem
Wort Roland Barthes zu sagen: Es-ist-so-gewesen.(2) Die Schnitte in die
Haut, die sich Rudolf Schwarzkogler, Günter Brus, Vito Acconci, aber
auch Gina Pane und Marina Abramovic zufügen, sind dabei als Spuren
lesbar, die ein Ereignis auf dem Körper hinterlässt, als Verweis
auf eine Präsenz, die immer schon vergangen sein wird.
Im Rückblick ist festzustellen, dass die veränderte Wertigkeit
der Bildtechniken, also die Akzeptanz des Gebrauchsmediums Fotografie im
Kunstbetrieb, nicht von der Kunstfotografie - die seit der Jahrhundertwende
für sich Kunstwert reklamierte - eingeleitet wurde, sondern von Aktionskunst
und Performance. Technische Bilder und mediale Kunstformen haben sich inzwischen
zu neuen Meisterdisziplinen entwickelt. Mit ihnen ist seit einigen Jahren
eine handwerkliche Präzision verbunden, die sich zum Beispiel in tafelbildähnlichen
Grossformatfotos zeigt
1 – Neben der dokumentarischen Nutzung von Fotografie und Video sei
hier noch auf die „Closed-Circuit-Installationen hingewiesen, welche die
Videocamera in die Performance integriert und so eine Kontrolle des Körperbildes
in Echtzeit ermöglicht, zum Beispiel bei Friederike Pezold, Ulrike
Rosenbach, u.a.
2 – Die Kunsthistorikerin Rosalind Krauss hat schon 1977 auf den indexikalischen
Charakter der Kunst der siebziger Jahre hingewiesen. Das Verhältnis
von Performance, Land-Art, Body-Art usw. zur Fotographie besitzt nicht
nur dokumentarischen Charakter. Dies Kunstformen verstehen sich selbst
als Ereignisse und Spuren. R.Krauss: Notes on the Index (1977) in R.Krauss”
The Originality of the Avant-Garde and Other Modernist Myths 1994
Grundtext „Sein eigener Kursleiter sein“ von Kathrin Peters
Der Text ist veröffentlicht in Missing Link. Menschen-Bilder in
der Fotografie, hrsg. v. Christoph Doswald, Kunstmuseum Bern, 1999. |