Ingolf Keiner zu Performance und Fotografie, Berlin, 18.8.2002

- Raum war der Rohstoff der Vergangenheit, heute ist es Zeit. Bald wird es Licht sein. -

Die Erinnerung eines wachen Augenblicks ist zeitlos.

Der erfahrene Beobachter verbindet in seiner Wahrnehmung alle Sinneseindrücke und Empfindungen in voller Aufmerksamkeit zu einer komplexen Erfahrung. Diese Erfahrung kann jederzeit durch eine Anregung nur eines Teiles der Wahrnehmung wachgerufen werden.
Wie sich zum Beispiel an eine Fotografie, bei derem Entstehen man anwesend war, vielfältige Erinnerungen knüpfen kann. So kann auch ein Geruch, eine Körperhaltung, irgend ein Detail einer Performance zum Erinnerungsträger für einen ganzen Handlungsablauf sein.

Entscheidend ist, daß im Akt des Beobachtens, wie auch im Akt des Fotografierens und schließlich im Agieren der Performance die gesamte Persönlichkeit in das gewählte Medium einfließt. Sei es der eigene Körper in Licht und Raum oder das gespeicherte Licht eines Fotos.
Die Performance beginnt und ist irgendwann zuende; das hat sie mit dem Fotografieren auch gemeinsam.
Die Linse öffnet und schließt sich, die Transformation ist erfolgt.
Die Funktion der Linse auf das Auge des Betrachters übertragen hieße, er würde sich dem Geschehen in klarer Offenheit und wertfreiem Aufnehmen hingeben.

Interessant sind die Beschreibungen zwischen Fotograf und Betrachter derselben Performance. Der Zoom und das lichtverstärkende Videoobjektiv ermöglichen dem Fotografen die Wahrnehmung von Details, die sonst kein anderer Betrachter sehen kann. Die Möglichkeit Bedeutsames verpassen zu können, versetzt ihn in permanente Spannung. Ein guter Fotograf kann nach der Performance gar nicht sagen, was er gesehen
hat, da alles in den Apparat geflossen ist.
Der wahrnehmende Betrachter dagegen kann die Augen schließen und alles in sich aufnehmen.
Meist wird für einen Dritten, der nicht anwesend war, das Geschehene erst durch Fotografie und Erzählung transparent. Daher plädiere ich für das Aufnehmen der Performance mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln, wenn diese vom Künstler später in ein sinnvolles Verhältnis gebracht werden.
Licht bewegen und Licht speichern

Performance ist Licht bewegen - Fotografie speichert es - der Betrachter des Fotos bringt es wieder in Bewegung.

Von der analogen zur digitalen zur intelligenten Fotografie der Zukunft

Die Wirklichkeit in zunächst kristalline, jetzt pixelartige Teilchen zu trennen ist analog zum Denken. Denken zerteilt Welt in Bilder, Ideen oder Begriffe. Fotografie hat also eine Nähe zum Denken und kann Denken anregen.

Jetzt kommt aber der Wille des Betrachters dazu.
Er will das Erlebte interpretieren, zu sich selbst in ein Verhältnis setzen, Bezug nehmen. Das interaktive Moment bei einer Performance - jeder kann auf das Geschehen Einfluß nehmen -  hat sich im Bereich der Fotografie durch die Technik des Digitalisierens entwickelt: Mehr Bilder können in der Kamera gespeichert werden, Ansicht des Bildes mit Selektion vor Ort und die mannigfaltige Beeinflussung des virtuellen Bildes, bei der einem schnell klar wird, was man alles nicht will.
Oft ist das Manifestieren des Bildes im Abzug gar nicht mehr nötig, die virtuelle Ebene genügt, das Bild bleibt abstrakt gespeichert.
Dieser Prozeß des Einflußnehmens auf Bilder wird sich noch fortsetzen. Das intelligente Fotopapier zeigt Raum und Schall gleich mit, Video und Audio verschmelzen mit Fotografie. Die visuelle Wahrnehmung der Bildoberfläche wird von der Wirklichkeit kaum zu unterscheiden sein. Fotos sind dann wie Fenster, durch die  man Möglichkeiten von Welt erstellen und kommunizieren kann.

Es werden die Erfahrungen, die die Menschen mit der Fotografie gemacht haben, zu einer Fähigkeit führen, die geistige Zusammenhänge zu komplexen Sinneinheiten schnürt. Diese können dann zwischen den Menschen auf Lichtbasis ausgetauscht werden. In ferner Zukunft wird die Fotografie also wieder in ihr eigentliches Medium zurückgeführt, ins Licht.

Die Zukunft der Performance
Die Zukunft der Performance hängt davon ab, ob es gelingt folgende Faktoren in Einklang zu bringen:
- Die permanente Wiederbelebung künstlerischer Werte und Inhalte
- Integration der Performance in sämtliche gesellschaftliche Kontexte
- Der Performer ist sich als entwickeltes Medium seiner geistigen Inhalte bewußt
- Zusammenarbeit zwischen individuell ausgeprägten Performancekünstlern

Die Performance hat das Potential sich zu einer höchsten Kommunikationsform zwischen Menschen zu entwickeln.

Was Fotografie der Performance voraus hat

Objektivität im Augenblick - Lichtspeicherung über Jahrzehnte - Reduktion und damit Konzentration der Wirklichkeit - der unwiderrufliche Moment des Entscheidens - Reproduzierbarkeit, globale Berührung – das immer wieder neu erkennen können des Betrachters.
Fotografie ist Freund der Erinnerung.

Was Performance der Fotografie voraus hat

Synästhetische Ereignishaftigkeit - Veränderung des Zeitflusses - lebendiger Wirklichkeitsbezug – freie gegenseitige Einflußnahme - Einbringen aller Persönlichkeiten - hohe energetischer Austausch. Performance ist Freund des Augenblicks.


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