Lieber Boris
Hier die vollständige Antwort. Ich hatte den Schluß vergessen
Kunstperformances sind ohne Dokumentation undenkbar
Fotografen und Videografen gehören zur festen Ausstattung einer
Performance. Ohne diesem "Zubehör" kommt anscheinend kein Performer
mehr aus, so daß, noch bevor irgend was passiert, eine Performance
sich bereits am äußeren Erscheinungsbild ankündigt. Eine
Kunstperformance muß, wenn nicht mit den neuesten Techniken, so doch
mindestens per Fotografie kopiert werden. Das wird so radikal befolgt,
als gelte es einer gesetzlichen Vorschrift zu befolgen. Bevor Kunst - Performances
irgendwas sonstiges sind, existieren sie ideell im voraus bereits
als Foto - und Videoperformances. Andernfalls bleibt schließlich
von einer Performance nichts zurück, sie verschwindet bedauerlicherweise
schon während
des Vorführens. Und die gespeicherten Eindrücke der Zuschauer
zählen nicht viel.
Aber das eigene Performance Werk während der Aufführung kopieren
zu lassen, sei es ausschnittweise als Foto oder in ganzer Länge als
Video, bloß um später ein Andenken zu besitzen, dafür wird
der Aufwand nicht betrieben. Das eiserne Bedürfnis nach Kopien kommt
deswegen zustande, weil jeder Performer Material für Bewerbungen braucht
und um der Presse Fotos liefern zu können. Dokumentationen sind zuerst
unverzichtbare Werbemittel, die Aufmerksamkeit vor und auch noch nach der
Performance herstellen sollen. Nach diesem Gesichtspunkt werden Fotos ausgesucht.
Und das ist noch gar nicht mal ihr Zweck, sondern sie dienen als unsicheres
Mittel, damit ein zukünftiges Einkommen zu erzielen. Schließlich
muß zum Besuch von Performances, sollen sie Einnahmen erzielen, durch
möglichst interessante Fotos animiert werden. Darüber soll sich
für die Performance für Künstlerinnen und Künstler
bezahlt machen. Und damit gerät Performance unter Notwendigkeiten,
die
sich immer ergeben, wenn was verkauft werden muß, um an Geld
zu kommen.
Fotografen und Videografen sind oftmals so einsatzfreudig, daß
der Eindruck entsteht, sie gehörten zur Performance dazu, aber das
tun sie ja auch mehr oder weniger. Verhindern könnte das nur der Künstler
selber, und der will das ja gerade nicht. Also muß das Publikum Dokumentierende
aller Art in Kauf nehmen. Auch fotografieren einige Zuschauer im Publikum
unaufgefordert aus eigenem Interesse. Der Fotograf wird darüber nicht
zum Mitspieler auch nicht zum unfreiwilligen. Eine Einbeziehung in die
Performance wäre möglich, aber er bleibt doch dabei Fotograf.
Er soll Fotos machen. Das ist alles.
Frage 1 Sind Fotos von Performances eigenständige Werke?
Was heißt eigenständig? Hier ist wohl gemeint, daß
die Fotos möglicherweise keine Eigenständigkeit besitzen, weil
sie Kopien einer Performance sind und deshalb die Performance als das eigentliche
und eigenständige Kunstwerk zu gelten hat.
Es geht also um höchste Anerkennungsfragen.
Performer und Fotograf einigt erstmal das Interesse an der Verbreitung
des Dokumentationsmaterials nach dem Motto: möglichst viele sollen
es sehen. Dabei kommen aber vielleicht andere Medien ins Spiel.
Die Verbreitung kostet Geld oder sie bringt Geld. Ansonsten könnten
sich ja beide locker einigen.
Solange die Dokumentierenden nicht darauf aus sind, ihre Fotos zu verkaufen,
sie also nicht als Kunstwerke beglaubigt zu bekommen, geht alles seinen
harmonischen Gang. Aber mit Kaufen und Verkaufen und schon weit früher,
in Vorbereitung darauf, beginnen die Schwierigkeiten, die das Eigentum
mit sich bringt. Wem gehören die Rechte zum Kopieren, das Copyright?
Wem gehört das Original? Kurz, wer darf von was profitieren? Diese
Fragen führen direkt in die harte Welt des Eigentums. Deshalb die
Signaturen unter Kunstwerken, die den Produzenten als Ersteigentümer
ausweisen. Und der Kreis mit dem C drin ist sowieso unübersehbar.
Denn wer was verkaufen will, muß sich vorher als Eigentümer
ausweisen können. Existenzen hängen davon ab. Infolgedessen wird
dauerhaft um Eigentum gestritten. Das ist so häufig und gebilligt,
daß es als normal angesehen wird. Die Frage, wie das Copyright gehandelt
wird, geht schon vom Eigentum aus und fragt nach den Techniken des Gelderwerbs
(zu finden in den dicken roten Büchern), die aus dem Eigentum irgendwie
resultieren, jedoch gleichzeitig für die meisten eine Menge Schäden
verursachen, deren Ursache sie in falsch angewandten Techniken suchen sollen
und nicht im Eigentum selbst.
Grundsätzlich kann jeder behaupten, und muß das als Künstler
auch, daß seine Badewanne oder sonst was, Kunst wäre. Das nützt
aber nichts. Zur offiziellen Anerkennung als Kunstwerk braucht es eine
Bestätigung von außen. Eine Beglaubigung, die nicht in einer
Begutachtung liegt, die voll des Lobes ist, sondern die nur der Verkauf
erbringen kann, der ja einwandfrei besagt, daß ein Bedürfnis
nach dem Werk vorlag, das dann durch den Kauf befriedigt wurde. Bei häufigen
Verkäufen von Kunstwerken ein und desselben Künstlers kommt dann
ein Marktwert zustande und die Werke landen unter Umständen als
eigenständige und anerkannte Kunstwerke im Museum mit dem Prädikat
Qualitätsvoll", an dem niemand so leicht zu zweifeln wagt, egal was
der einzelne Geschmack auch dazu sagen mag.
Zur anerkannten Eigenständigkeit eines Kunstwerkes ist es also
ein weiter Weg, der von Anfang an und während jeder Phase beabsichtigt
sein muß. Bei dem Verfahren wandern die meisten Werke, trotz Eigenständigkeit,
in den Müll, weil sie nicht verkauft wurden. Das und nichts anderes
entscheidet über ihre Existenz als Kunstwerk. Der langwierige und
verlustreiche Vorgang reicht aber dafür aus, daß der Staat und
ein paar Reiche was Schönes an der Wand haben, mit dem sie zeigen
können, wie viel sie für Kultur übrig haben.
Aber zurück zu Frage 1
Dokumentationen von Performances eignen sich wegen der größeren
Haltbarkeit als Handelsware besser als die flüchtige Performance selber.
Sollte das dazu führen, daß die Dokumentierenden mehr verdienen
als die Performer?
Aber da läßt sich was ändern. Man mache die Performance
zum Performance-Film und schon ergibt die größere Anzahl potentiell
zahlender Zuschauer auch größere Einnahmen und der Performer
kann auf eine feste Gage hoffen.
Werdet Schauspieler!.
H.-J. Tauchert |