BORIS NIESLONY
F.Aalders: Performance ist Leben, worauf ein
Medium gerichtet ist.
B.Nieslony: Das einzige Medium mit Qualität ist jeder andere Mensch.
(1980?)
- Im Januar dieses Jahres haben mich zwei Dinge schlagartig niedergeworfen,
die Grippe Berner Ausmasses und der Titel " Performance - Gedankenstrich - Qualität
". Nun bin ich gerne mit Menschen zusammen, führe mit Lust Performances auf und sehe
mir mit Vorliebe Performances an. Und, Gedankenstrich, Geld ist hilfreich, achtenswert und
segensvoll.
- Also dann, aufgerappelt. Und dann sah ich sie schon von fern, dann ganz
nah und dann über mir, die leidigen Diskussionen der letzten 30 Jahre, die vertanen
Energien in den Symposien, die selbstreferentiellen Diskurse, die verpatzten
Gesprächsrunden aber auch die Sternschnuppen großer Einsichten: -kometenhaft tauchten
sie aus dem Nichts auf, um in die Bücher der geflügelten Worte einzugehen,- und doch,
meiner Natur entsprechend, habe ich sie alle vergessen.
- In der Kunst kann man nichts beweisen und wenn ja, dann nicht sie,
- und wenn sie, dann nicht mir. ( Autor ???)
- Gut, beginne ich mit einem anderen Ansatz. Zur Einübung 4 Statements
- 1. Performance ist Qualität.
- Da Performance eine Eigenschaft ist, enthebt sie dies der Fragestellung
Eigenschaften haben zu müssen. Performance kommt, wie alle Künste, -dem Werte nach- und
dies entspricht auch dem Wort Leistung. Tautologisch muß reflektiert werden: was ist die
Performance einer Performance in der Performance-Art. Dies sollte der Beginn des Diskurses
sein.
- 2. Qualität ist eine Behauptung.
- Zweiter Hauptsatz selbstreferentieller Systeme. Behauptungen, Entwürfe,
Ideen, Spekulationen etc. müssen deckungsgleich realisiert werden. Realitäten sind die
Kopien der Ideen, und Qualität ist der Gradmesser, die statistische Genauigkeit, das
System der Variablen, die Muster mit Wert aus der Bedeutungslosigkeit jeder großen Idee.
- 3. Qualität ist eine Erscheinung.
- Sie ist keine Aussage über die Elemente, Funktionen oder die
Beschaffenheit eines Systems, sie ist die Gesamterscheinung dieses, im Blick liegenden,
Systems.
- 4. Qualität ist Macht.
- Als Macht ist sie "die Meinung und der Stellvertreter". Sie
ermöglicht das großartige Sein im Nichts.
- Es gibt keine gute Kunst, wie es auch keine schlechte Kunst gibt:
- es gibt Dinge, die Kunst sind und es gibt Dinge, die keine Kunst sind,
- es gibt Dinge, die gemacht sind und es gibt Dinge, die nicht gemacht
sind.
- ( irgenwie aus der Fluxus-Szene, vielleicht Robert Filliou )
- Doch noch einen anderen, den gefälligen Ansatz.
- Nun war es an der Reihe des Herrn N., er sollte nun Stellung nehmen zu
diesem hitzigem Thema des heutigen Abends. Aus dem Stehgreif zieht er ein Objekt hervor
und dem verehrtem Publikum wird mit einem Schlage die Sachlage bekannt. Herr N. beginnt
seine handlichen Erläuterungen, die sichtbar in das Bewußtsein dringen. Der Rahmen ist
gesteckt, die Erwartungen groß. Herr N. zieht das zweite Objekt hervor und erzielt die
gleiche Wirkung mit einigen zusätzlichen Lachern, er ist in seinem Element. Die
Anschaulichkeit macht einen wirksamen, günstigen Eindruck, die zur Folge zwingt. Das
dritte Objekt kommt zum Einsatz, er ist der Flop. Die peinliche Pause, sie sitzt.
- Herr N. wird fahrig, er ist irritiert, er sucht den Faden, flucht
innerlich, daß er nicht das andere, das vierte Objekt gewählt hat, da hat er doch seine
Erfahrung, er wurde damit nie enttäuscht, das Ding, das war immer der Treffer. Nun die
Überspielung, weitschweifende Erklärungen folgen, die Aussage ist verfehlt, die Meinung
triumphiert, der Schwamm "jeder redet" gewinnt die Oberhand und dann die
präzise, die erlösende Frage aus dem Publikum, die Aufmerksamkeit ist wieder
hergestellt. Herr N. kann einpacken, Herr N. packt ein.
Der Gedankenstrich. Er ist die unbekannte Größe, ein völlig
unverantwortlicher Partner, infam wird er schweigend den Saal verlassen oder diese
Broschüre mit einer Meinung zuklappen, die meist etwas endgültiges hat.
Boris Nieslony / Köln 1997
Der Verzicht auf Wahrheit macht die Geste zum Garanten der Aussage -
Michel Foucault
- Einfügende Anmerkungen, Fund- und Stücke, anfallende Fragmente der
täglichen Beschäftigung mit einem geliebtem Thema und dies ohne gedankliche
Vollzugskonsequenz, der freie Flug vom März bis Oktober 1997
-
- Jede Schrift muß in dem Geiste erklärt werden, der sie entstehen ließ.
Das ist das fundamentale Gesetz der Kritik. - Emerson
- Eine Freie Rede führen über das Verrückendste und
Bedrückendste in einer Performance, die Qualität.
- Das Denken nur geschieht, wenn ein Gedanke dem anderen Platz macht.
- Die souveräne Ausführung ( Idee) und die souveräne Handhabung der
Mittel und Materialien ist Qualität
- Das Wissen altert. In den neuen Wendungen liegt das Rohe der Leiber.
Etwas muß doch in das Bewußtsein gebracht werden, der Schock des Bewußtseins: in dem
Maße, wie der Mensch nicht nur Leib ist, hat er auch einen Leib (Körper ?), ist er
Qualität und hat eine Qualität.
- Heinz Foerster äußerte einmal: Ethische Feststellungen kann man nur zu
sich selbst treffen, zu anderen geäußert, werden sie moralisch. Ich bin geneigt, diese
Feststellung auch auf die Qualität zu beziehen. Man kann nur von sich selbst Qualität
fordern. Als Maßstab an Anderen ist sie Übertragung oder Statistik, belehrende
Statistik.
- Und das nur das Übermaß an Dichte den Ideen erlaubt in die Materie zu
fallen, sich in die Materialisation zu fügen, die alte Diskussion der Gestalt, der Form
und des Design. Die gleichen, richtenden und richtigen Fragen in die verschiedenen
Bedingungen gedacht, zeigt dort das Klaffen des Mißverstehens.
- Eigenschaften an Lebendem, an einem SEIN, vielleicht sogar an einem
Menschen, zur Anschauung gebracht, ist einem Licht, einem Schlaglicht ausgesetzt, dem
Stil.
- Stil ist ein Kriterium der, u.a., zwei Pole bedingt:
- a - die Einzigartigkeit einer Handlungsweise einer Person
- b - die imperativen Kategorien
- Dazwischen oszillierend, die Identitäten, zeitlich gebundene Formen der
Masken. (Orlan)
- Qualität ist investierte Zeit.
- Schönheit, Ästhetik, das Authentische, das große Spektrum der
Wertesysteme haben nichts, oder nur bedingt mit Qualität zu tun, denn diese Bereiche
können instrumentalisiert werden, sie werden instrumentalisiert.
- und nun zum Sakrileg, die direkte Bezeichnung.
- Wer unterscheiden möchte zwischen Gut und Schlecht erhebt Ansprüche,
will sein Territorium besetzen. Das Zeichen setzen. Egal welche Handlung ein Mensch
vollzieht, er berührt die existentielle Norm des Territoriums, die Norm der Existenz.
Deshalb ist die erste und unbedingte Frage in einer Qualitätsdiskussion eine Rechtsfrage,
die Frage nach dem Recht. Menschen die mit künstlerischen Mitteln nicht die Produktion
oder den Markt mittragen, also die Legitimation des Gemeinen, All-Gemeinen nicht
beanspruchen, sind zwangsläufig mit den Fragen des Rechts konfrontiert. Normen des
Rechts, geschriebene und ungeschriebene müßen aufgezeigt sein oder/und verletzt werden,
um das Sein der Wirksamkeit menschlichen Handelns geschehen zu lassen. Dies ist eine
Gravitation der Kultur, ihr Nous, das zu bindende Band und ist ein ganz eigenes Thema der
Betrachtung, an anderer Stelle. Das Augenmerk möchte ich auf das Fragen richten, womit
ein Sehen auf Brüche und Überschreitungen gerichtet werden soll.
- Mit welchem Recht steht ein Mensch vor einem anderen und sagt dieses,
macht jenes, greift sogar ein (wie?) etc.
- Dieses Recht kann in das Ent-Setzen fallen oder gleichermaßen in das
Ver-Stehen.
- Am 16.09. saßen Margret, Johan, Larry und ich bei Maria, in Ihrem
Vesuvio, bei Wasser, Wein, Bier, bei Tagliatelli mit Steinpilzen, Salat und Brot und
sofort, unvermeidlich, die Gespräche, ja gewünscht, dann die gezielte Frage, diesmal von
Larry, der Satz aus dem Periphären direkt in das Zentrum: welche Rolle spielt das
Publikum in deiner Performance. Zu laut tönt der Leistungsträger Gesang. Doch einige
Einblendungen, dies unbedingt.
- ??? Das Spiel der Kommunikation, dieses Spiel will nun kurz angespielt,
das Publikum spielt keine Rolle.
- Da sie ein Teil des Spiels sind und sich ebenso den kulturellen Regeln
unterwarf, wie die Performer auch, ist dies mehr das Spiel der Repräsentanten. Ein
voyeuristischer Geist zwingt Kunst und Publikum allemal, ein egoistischer auch. ??? Die
Negierung der Langeweile.
- Zurück, wieder die Frage: Warum dann die Beschäftigung mit handelnden
Werken in einer Öffentlichkeit?
- Fragen stellen sich ein. Die Absagen an die Angst, an die Furcht durch
psychische und physische Konditionen? Die Verweigerung von sozialen Konditionen oder
politischen Konditionen wie Agitation oder Ignoranz oder gesellschaftsbildende Ein- und
Ausgrenzungen etc. Hier steht ein Engel.
- Das Publikum spielt eine Rolle. Was ist dann Rolle. Rolle als ein aktiver
Bestandteil der Teilnahme? Die Rolle wird dem Publikum zugeteilt, oder die Rolle fällt
ihm zu? Die Rolle ist eine Vermittlung?
- Immer wieder sich dieser Frage stellen: wen meine ich, wem trete ich
gegenüber, wer ist der der mir ein Gegenüber ist? Ist es nicht so, daß jede Performance
eine Zwiesprache ist und sich von dem Entertainment in dieserm Fall unterscheidet, das in
der Zwiesprache ein Gespräch geführt, während im Entertainment eine Haltung (die des
Publikums, die der herrschenden Meinung) bestätigt wird. Entertainment als Parallelität
des gleichen Dramas? Das Zwiegespräch, das nicht auf einer sozialen Sprache basiert,
harrt welcher Sprache? Die der Geste?
- Welches Recht steht auf meiner Seite ein Gespräch zu führen in der
Geste? Das parallele Versetzen meines Selbst in der Zwiesprache mit einem Anderen, der
sich selbst auch versetzt? Wer fällt in die Begegnung? Zeit und Raum wie Martin Buber
behauptet? Ist dies das Recht, dem ich als Performer verpflichtet bin?
- Einverleibung und Verkörperung
- Und doch ist Performance kein Sich-Eigen-Seiendes, sondern einfach eine
Formulierung unserer grammatikalischen Gewöhnung, welche zu einem Tun einen Täter setzt.
- Das ein Werk, das sich in die Performance Art setzt, durch Einverleibung
Gestalt nimmt. Was kann z.B. vom Fluxus, von den Futuristen, etc. einverleibt werden, das
Bild? Das Symbol? Was wird es dann?
- Ein weiterer Ansatz des Blicks auf das Publikum, von der Qualität aus
gedacht. ??? Ist nicht ein schlagendes Argument, daß vieles, was in den Performances
gezeigt wird, von denen, die das Publikum sind, im täglichen Leben intensiver,
intelligenter und umfassender praktiziert, gelebt und erlebt wird? Hier dann die setzende
Unter scheidung von Handlungen, die in der Performance Art und denen, die dann das Leben
sind.
- Diametral gesetzt: Es geht diesen Individuen darum, heil aus der Sache zu
kommen. Die Performance ohne Referenten wird zum erschreckenden Sprung und geht mit dem
Ent-Setzen einher. Gewöhnung ist, sich der Referenten zu vergewissern und wenn es nur der
Nächste ist, der zum Klatschen ansetzt.
- Der voyeuristische Geist z.B. das hatten wir oben schon.
- Die totale Entfesselung (was meint dies) des Leibes im Leistungsport,
oder im Breitensport geht einher die tota-
- le Entfesselung des Körpers in den Medien, Talk-Shows etc., die
Ver-Öffentlichung (Präfixe richten). Kann die Performance als künstlerisches Ereignis
in diesem gesellschaftlichen Raum noch fesseln? Besonders wenn sie dem Nous abgesagt? Ist
Qualität die mentale Bindung ansich?
- Es werden soviele Hoffnungen und Aufmerksamkeiten an das Publikum
gerichtet. Dass das Publikum Publikum ist, verbirgt es, Traum oder Utopie. Keiner (einer)
Realität entsprechend? Respekt? Der Engel des Respekts, der aus dem Publikum erst
Menschen werden läßt.
- Die Idee der Griechen, das in das Licht treten des Souverän, die
politische Idee ansich, der Souverän, der in diesem
- Akt die Gemeinschaft aufzeigt als das Gegenüber des souveränen
Individuums (Hannah Arendt - Vita Activa). Geschieht noch in der Kunst dieses
Souverän-werden, dann haben die Performancekünstler und Künstlerinnen möglicherweise
sehr hohe Anteile daran. Das gleichzeitig Souverän-werden des Publikums im Akt der
Teilnahme.
- ????Und immer wieder das Zurückkommen und Einkreisen, warum benötigt
die Performance Kunst das Publikum. Der Unterschied zum Bildbetrachter eines Gemäldes
oder Skulptur in einem Museum? Oder in einem intimen Raum (die Geburt des Sammlers ?)
- In Frankreich erlebte ich, daß mir Bilder, die ich sehen wollte in einem
extra Raum gezeigt wurden, also aus der Sammlung geholt und für diese Zwiesprache in
diesen Raum gestellt und mit mir alleingelassen.
- Durch die eben gestellten Gedanken richtet sich das Augenmerk auf das
Werk, auf das Stück, etwas unscharf.
- ???Da sich die Tiefe einer Performance an der Tiefe des Risses des
Mißverstehens ermessen kann, setzt die Anteilnahme, eines Publikums voraus.
- Was ist das Recht eines Werkes? Das Alltägliche passiert dazwischen, es
hat kein Wesen, es entzieht sich. Es geht um eine Ordnung, die nicht einfach in den
Dingen, in den Handlungen vorausliegt, noch in ihnen angelegt ist, sondern mit den Dingen,
mit den Handlungen entstehen. Das Event, bei den Fluxus-Künstlern pures Nervengerüst, in
der heutigen Performance Kunst umkleidet. Ein heutiges Publikum mag selten dieses pure
Sein betrachten. Langeweile, auch dies ist unscharf. Die Erziehung der Medien entwickelte
Erwartungshaltungen der besonderen Art. ???Das Wissen der Distanz ohne irgendeiner Nähe.
- Standortwechsel, das Springen in den Werteleitsystemen, Hmmm. Die
Betrachtung eines Werkes in der Performance Art, diesmal nicht von Künstler oder
Künstlerin eingerichtet, auch nicht vom Werk aus oder der Kommunikation, auch nicht in
der kulturellen Referenz und auch nicht vom Publikum aus angestellt, sondern
ausschließlich nur vom Begehren her. Eine Ahnung möchte Gewissheit werden.
- Was die Performance in der Performance Art leisten kann, ihre Performance
also, ist die Entwicklung eines kritischen Instrumentariums, welches jeden und jede in die
Lage versetzt, ein verbindliches Fragen im Sprechen und Sehen zu ermöglichen
- Wir brauchen eine Revolution, keine in Politik oder Gesellschaft oder in
der Kunst, sondern eine ganz andere.
- (Esther Ferrer) Eine mentale.
- Das Verrücken eines Zeitverlaufs und das Entrücken physikalischer
Ordnungen in der Sehe, gesehen in den Skulpturen von Johan Lorbeer.
- Ein weiteres Phänomen, die Relikten-Jäger. Zu-treffende Unterscheidung.
- Diese starke Beziehung zu den Restbildern der Welt.
- Das Geheimnis der Welt ist die Bindung zwischen Persönlichkeiten und
Ereignissen. (Emerson)
- Wie Performer, Schreiber oder Sprecher ein Ende gestalten, das
Schlaglicht, das Schlagbild, im Jetzt oder als wesentlicher Ausblick in die Zukunft, die
Zeit sollte richtig gewählt sein.
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