HANS-JÖRG-TAUCHERT
PERFORMANCE GESELLSCHAFT

Performance ist ein englischer Begriff, der alle Tätigkeiten, von Akrobatik über Kabarett bis Zirkus im Sinne von "Auftreten vor einem Publikum" zusammenfaßt, (Er bedeutet darüber hinaus Leistung, Tat und auch Werk). Schwerpunkt der Performance-Gesellschaft bildet die Kunstperformance, vereinfacht eine Synthese aus bildender Kunst und Theater. Performance-Gesellschaft bedeutet aber keine dauerhafte Organisation, die dann mit den üblichen bürokratischen Mitteln der Mitgliedschaft, Satzung und Vorstand, Kunst in den Griff bekommt. Das paßt nicht zur (Kunst)-Performance, die sich ihre eigene Organisationsform bei jeder Veranstaltung vereinsübergreifend selbst neu bildet, durch wechselnde Produzenten und Gruppen, für jedermann offen. Performance-Gesellschaft liefert dafür nur den Namen, das einzige, was bei Auftritten gleichbleiben könnte. Die kurzzeitige Organisation paßt sich der Performance an und ähnelt ihr. Ganz unabhängig voneinander und in Selbsthilfe kann der Name Performance-Gesellschaft von Performance-Künstlerinnen und -Künstler übernommen und weitergereicht werden, inklusive einer Liste mit Adressen von Performance Künstlern. Jeder entscheidet selbst, ob er sich dazu zählen will, nur indem er seinen Namen in der "Gelben Liste, Performance für überall" einträgt. Der leichte Zugang soll Interessierte auffordern, selbst Kunst-Performances zu realisieren und so einen Nachwuchs fördern helfen. Immer sind Performance Künstler aufeinander angewiesen. Die Adressenliste war als Hilfsmittel gedacht, Produzenten und Helfer zu finden, die sich an den notwendig arbeitsteiligen Vorbereitungen zur Durchführung von Performances beteiligen. Mißbrauch durch Werbung usw. kann dabei nicht verhindert werden. Der Name ist Programm und kann zu vielen kleinen Gesellschaften führen, die die Grenzen üblicher Organisationsformen wie z.B. Kunstvereine usw. überwinden, dezentral auskommen und die jedem offenbleiben, zur Verbreitung dieser Kunstrichtung. Die (Kunst)-Performance birgt noch ein weitgehend ungenutztes Potential an Möglichkeiten und erfüllt einige Voraussetzungen, als künstlerische Massenbewegung die bisherige Exklusivität zu sprengen. Es bildet sich eine Unterhaltungsform heraus, die jeder ohne langjährige Übung beginnen kann, die ohne besondere Räumlichkeiten und oft mit wenig Materialaufwand auskommt und die langfristig vielleicht sogar als ein Fernsehersatz dienen könnte. Der Name Performance-Gesellschaft beschreibt auch die Neubildung und Auflösung wechselnder Gruppen.
Dieser Prozeß erleichtert Kennenlernen und Zusammenarbeit und hilft damit, Konkurrenzdruck zu verringern. Die Liste soll möglichst auch angeben, welche Art von Performance jeder bevorzugt (Tanz, Puppenspiel, Fußball, Kunstperformance / Clown, Redner, Schauspieler usw.) und außerdem sollen die "gelben Seiten" mit den Adressen geeigneter Orte für Performance und Adressen von Performance-Vermittlern ergänzt werden. Wenn jeder in eigener Regie die Liste fortführt, auch mit neuen Vorschlägen und Ideen und als Kopie weiterreicht, verbreiten sich Name und Idee der Performance-Gesellschaft automatisch und unkontrolliert, es entsteht so eine Gesellschaft von Performance-Künstlern, als künstlerische Kraft.


HANS-JÖRG-TAUCHERT
PERFORMANCE GESELLSCHAFT

1. Wer sitzt alles im Performance Boot?
 
Das englische Wort Performance hat viele Bedeutungen. Im Taschen-Wörterbuch von Friedrich Köhler (ca. 1900) stehen allein acht: Vollziehung, Verrichtung, That, Vorstellung, Spiel, Vortrag, Leistung und Werk.
Der Ausdruck Performance wird auch im Deutschen in genau diesen verschiedenen Bedeutungen verwendet. Wobei oft erst der Textzusammenhang eine Bestimmung des Begriffes zuläßt. So heißt es in einem kurzem Programmhinweis vom 6.6.97 in der kölnischen Rundschau: Performances und neue Kompositionen von Anna Ikramova, Michael Riessler und Sabine Schäfer sind ab 20 Uhr im kleinen Sendesaal des WDR zu hören". Diese Art Performance ist also nur zum Zuhören geeignet und wird per Radio übertragen. Gemeint ist wohl Performance in der Bedeutung von WERK.
Auch eine Bank benutzt Performance für ihre Reklamezwecke, wenn sie schreibt "Investment mit Performance", was wohl Investment mit LEISTUNG bedeuten soll. Und im Kölner Stadtanzeiger heißt es von einer Aufführung: "Hals über Kopf stürzt sich die gefeierte Performance-Komikerin Charla Drops im Atelier Theater in ihr gleichnamiges Soloprogramm. Charla watschelt, boxt, tanzt und schafft so eine neue Art der Performance, die das Lachen geradezu herausfordert". Performance könnte hier mit dem gar nicht neuen Wort VORSTELLUNG übersetzt werden.
Alte Künste kleiden sich mit dem alten Begriff Performance neu ein, weil der englische Begriff so unverbraucht neu erscheint. Wie so oft muß ein englisches Wort im Deutschen zur Attraktivitätssteigerung herhalten. Theateraufführungen, Kabaretts, Musikveranstaltungen benutzen immer häufiger das Wort Performance. Was so als Mode erscheint, ist allerdings nur die konsequente Anwendung des englischen Begriffes Performance. Das muß für viele ein rätselhaftes Wort bleiben, denn auch die häufige Anwendung des Wortes Performance klärt nicht darüber auf, was denn eigentlich mit dem Wort gemeint ist. Über die Frage was eine Performance ist, braucht sich also niemand zu wundern. Noch lange wird man sie hören und beantworten müssen.
Auch die bildenden Künstler entdeckten die Performance und erklärten ihre Art Performance zu machen zur Performance-Art, also Kunstperformance. Das Zusatzwort Art bzw. Kunst eignet sich aber sehr schlecht als Unterscheidung zu anderen künstlerischen Tätigkeiten wie Theater, die auch eine Kunst zu sein beanspruchen. Bleibt nur noch die Möglichkeit über Vorsilben eine bessere Abgrenzung und genauere Bestimmung zu erreichen. Tanz,-Trink-, Sprech-, Lach-, Schrei-, Lese-, Spiel-, Tisch-, Parallel-, Massen-, Simultanperformance sind dafür Beispiele. Hier sind wirklich noch jede Menge Erweiterungen möglich. Trotz aller Vor- und Nachsilben wird man aber die Mehrdeutigkeit des Wortes Performance nicht los.
Künste, die etwas vorstellen oder vollziehen, können gemäß eingangs gegebener Übersetzung sich alle Performance nennen und sitzen deshalb alle in einem Boot. Kein Wunder, daß das leicht den falschen Schluß zuläßt, alles mögliche wäre Performance.
Das Wort Performance mit allen Vor- und Nachsilben ist für eine Abgrenzung zu anderen Künsten ungeeignet. Als ein mehrere Künste übergreifender Begriff, wird eine Gemeinsamkeit zwischen vielen Kunstgattungen hergestellt. Performance kann von keiner Kunst für sich beansprucht werden. Nur die Performance, die sich einen neuen Namen zulegt, könnte das gemeinsame Boot verlassen, und ein eigenes Boot besteigen.
Falls die Kunstperformance einmal zu einem neuen Namen findet, könnte ihr das gelingen. Der Wunsch nach einem eigenem Namen, scheint vorhanden zu sein. Die Performance-Gesellschaft möchte sich diese grenzüberschreitende Eigenschaft in der Weise zunutze machen, daß auch die Grenzen zwischen Gruppen, Vereinen und sonstigen Organisationen, mit nur einem einzigen Wort überwunden werden, ohne nun selbst wieder eine Organisation zu bilden. Allein der Name Performance-Gesellschaft sollte ausreichen, diese Gemeinsamkeit vereinsüber- und -unterschreitend herzustellen. Das kann ein widersprüchliches Unternehmen werden, weil der Name schon automatisch den Charakter von Organisation vermittelt und damit zu neuer Konkurrenz herausfordern könnte, was gerade vermieden werden sollte.
 
2. Absichten der Performance-Gesellschaft
2a. Vermeidung einer dauerhaften Organisation
 
Auch das Wort Performance-Gesellschaft gibt keine Auskunft darüber, ob eine bestimmte Art von Performance als Gesellschaft auftritt, vielmehr ist der Begriff so weit gefaßt, wie es der englische Begriff ausdrückt. Die Performance-Gesellschaft kann gar keine Abgrenzung herstellen, sondern alles, was vor Publikum "auftritt" könnte zu einer Performance-Gesellschaft erklärt werden, zwangsläufig, durch den angestrebten Umfang, ein ziemlich größenwahnsinniges Unternehmen.
Aber nicht jede Performerin und jeder Performer kommen mit diesem Konzept in Kontakt, und dazugehören wollen sicher auch nicht alle. Einen Schwerpunkt in der Performance-Gesellschaft bildet jedoch die Kunstperformance als eine Form der Unterhaltung, die ohne viel Aufwand auskommen kann. Weiterhin war vorgesehen, auf gar keinen Fall zu einer permanenten Organisation heranzuwachsen. Vielmehr sollte nur soviel organisiert werden, wie zur jeweils geplanten Performance gerade nötig ist, danach verschwindet die Organisation und damit auch die jeweilige Performance-Gesellschaft mit ihren jeweils wechselnden Mitwirkenden. Gedacht war
an eine Selbsthilfe. Immer sind ja, auch bei einer einzigen Performance, mehrere Arbeitskräfte nötig, für Pressearbeit, Räume usw., jedoch nicht in der Form fester Ensembles wie beim Theater. Vereine, Institutionen, und sonstige Organisationen neigen dazu, sich zu verselbstständigen. Kunst wird zur verwalteten Kunst, hauptsächlich damit beschäftigt in idiotischer Abhängigkeit von Sponsoren, auch noch staatlichen Richtlinien genügen zu müssen. Gerade Kunstperformance müßte jedoch möglichst unorganisiert und eigenständig auftreten. Eine Performance bildet sich bei jeder Veranstaltung ihre Organisation selbst jedesmal neu, mit wechselnden Produzenten und Gruppen, für jedermann offen.
Performance-Gesellschaft liefert dafür nur den Namen, das einzige was bei Auftritten gleichbleiben könnte. Insofern liefert die Performance-Gesellschaft nur ihren Namen, für kleine, wechselnd und dezentrale Gruppen. Die Performance-Gesellschaft möchte kurzfristig eine Gemeinsamkeit herstellen, Organisationsfesseln vermeiden und sich immer neu fragen, wie eine Organisation aussehen kann, die immer mehr der Performance ähnlich wird?
 
2b. Austausch und einfaches Schneeballsystem=bildet Performance-Gesellschaften
 
Es tauchen eben viele kleine Performance-Gesellschaften auf, parallel zu ihrer Performance-Veranstaltung. Wechselnde Gruppen können in immer neuen Kombinationen unter einem gleichen Namen für Performance-Ereignisse zusammenkommen. Ein Austausch unter immer demselben Namen. Bürokratie ist auf ein Mindestmaß beschränkt und ein Austausch zwischen Gruppen, Vereinen und Einzelpersonen möglich gemacht. Kurzfristig kommt es zur Bildung einer Performance-Gesellschaft. Dabei geschieht das autonom. Unabhängig voneinander und auch ohne, daß sie voneinander wissen müssen, kommen kleine Performance-Gesellschaften zustande. Eine Zentrale gibt es nicht. Es ist auch nicht nötig einen genauen Überblick zu behalten, wer sich alles zur Performance - Gesellschaft erklärt hat. Alles geschieht ja unabhängig. Niemand hat einen genauen Überblick. Jeder, der möchte, kann dieses Programm mit dem Namen Performance-Gesellschaft vollständig übernehmen, weiterführen und weiterreichen. Man kann also den Namen Performance-Gesellschaft benutzen und die Sache selbst weiterführen und auch selber wieder für eine Verbreitung sorgen. Ein Schneeballsystem, das mit ganz wenigen Mitteln auskommt käme dann zustande. Alle Beteiligten werden automatisch zu Urhebern. Das Programm ist nur ein Name, der jeweils selber mit Realität gefüllt werden muß. Für die notwendige Organisation liefern Eigenschaften der Performance das Vorbild, so daß die Organisation selbst Performance-Charakter annehmen könnte. Wie das im Einzelnen aussehen könnte, ist jeder Performance-Gesellschaft selbst überlassen.
 
2c. Konkurrenzabbau
 
Durch die freie Verwendung des Namens Performance-Gesellschaft könnte die Konkurrenz zwischen Künstlern, Institutionen usw. vielleicht etwas eingedämmt werden. Zwischen Gleichen ist der Konkurrenzdruck gemildert, es besteht wenigstens dem Namen nach Gleichberechtigung. Die Performance-Gesellschaft ist ein Programm zur Minderung der Konkurrenz zwischen Performance - Künstlerinnen und -Künstlern, allein durch Verbreitung des Namens, den jeder, der möchte, übernehmen und als Programm fortführen kann, ebenso wie die dazugehörigen gelben Seiten.
 
2d. gelbe Seiten Performance
 
Ein praktisches Beispiel sind die gelben Seiten, eine Liste mit Adressen von Personen die meinen sie hätten etwas im weitesten Sinne mit Performance zu tun.
Schauspieler, Disk Jokeys, Redner, Politiker, Komiker, Fußballer, Rennfahrer, Tänzer, Büttenredner, inklusive der Adressen von Michael Jackson und Harald Juhnke wären dort zu finden. Das ergäbe ein Verzeichnis von hunderttausenden von Adressen, alphabetisch geordnet, wie in einem Telephonbuch. Es besteht aber nicht die Absicht, ein vollständiges Verzeichnis von "Auftretern" vorzulegen. Dazu bräuchte es eine Organisation, was die Performance-Gesellschaft nicht sein möchte.
Trotzdem könnten im Laufe der Zeit umfangreiche Listen kursieren. Der Umfang der Listen wird aber dadurch eingeschränkt, daß die Eintragungen aus eigenem Entschluß erfolgen sollten. Nicht jede Performerin und nicht jeder Performer erfährt von der Existenz solcher Listen und nicht jeder möchte möchte dort verzeichnet sein.
Die Adressen im Heft unterscheiden leider nicht, wer sich mit welcher Art Performance beschäftigt. Alle reihen sich unter dem sehr umfassenden Begriff Performance ein. Wir möchten aber, soweit möglich, in Zukunft bei jeder Adresse auch nähere Bezeichnungen einführen, wie Puppenspielerin, Musiker, Kind, Spieler, Tänzerin... Jeder kann diese gelbe Liste mit Namen vertreiben. Auf diese Weise könnten die Listen auf verschiedenen Wegen zirkulieren. Wir haben nur den Anfang gemacht. Aber jeder kann das genauso nachmachen und weiterführen, also selber in die Hand nehmen und auch weitere, andere Informationen hinzufügen, wie Performance-Vermittler, Performance-Orte usw. .
Die Adressen können leider für alle möglichen Zwecke, wie Werbung mißbraucht usw. werden, was nicht zu verhindern ist. Die Bedingungen, die geboten werden, muß jeder selbst prüfen. Die Listen entstehen in einem bestimmten Umfeld, jeder kann sie weiterführen. Da wir mit Kunstperformance anfingen, sind auch hauptsächlich Adressen von Kunstperformerinnen und -performern darin zu finden. Die Adressenliste war als Hilfsmittel gedacht, Interessierte zu finden, die sich an den notwendig arbeitsteiligen Vorbereitungen zur Durchführung von Performances beteiligen. Performance ist angewiesen auf Arbeitsteilung, weniger umfangreich als beim Theater, aber umfangreicher als in der bildenden Kunst. Oft liegt die Organisation von Performances in den Händen von Selbsthilfegruppen, was auch in Zukunft eher zunehmen wird. Immer sind Performance - Künstler aufeinander angewiesen. Sie sind oft so zahlreich an der Organisierung beteiligt, daß sie das Publikum vermehren und oftmals auch selbst ganz stellen. Die gelben Seiten mit den Adressen von allen möglichen Performance Künstlern sollen eine Zusammenarbeit erleichtern und vereinfachen. Die ursprüngliche Idee, über die gelben Listen eine Sammlung von Performance-Beschreibungen zu erhalten, trennen wir von den gelben Seiten ab und sammeln gesondert davon Beschreibungen der Produzenten als eine Dokumentation, die nicht wie sonst fast nur auf Fotos und Videos aufbaut. Die Eintragung in die gelben Seiten ist gleichzeitig die Aufnahme in die Performance-Gesellschaft, die denkbar einfachste Aufnahme. Keine Prüfung, keine Jury, keine Lebensläufe, nur die eigene Absicht zählt. Das zeigt schon, daß hier keine Organisation am Werk ist, sondern ein durch Performance verbundener Kreis, das Gegenteil einer Elite, die immer danach strebt, Autorität durchzusetzen. Der Mangel an einer verbindlichen Organisationsform imponiert natürlich wenig. Organisationen eröffnen ja immer auch eine Chance auf Karriere, verbunden mit Geld und Ruhm, Herrschaft und Unterordnung. Die Performance-Gesellschaft bietet dazu so gut wie gar nichts.
 
2e. Erfahrungen
 
In 5 Jahren Praxis ist vom Angebot, das Programm Performance-Gesellschaft zu verbreiten, soweit überhaupt nachprüfbar, nicht viel Gebrauch gemacht worden.
Das mag an der Schwierigkeit liegen, das Angebot überall bekannt zu machen und richtig darzustellen. Eine klare Formulierung, was mit Performance-Gesellschaft gemeint ist, ließ zu wünschen übrig. Immer wieder gab es Änderungen. Eigeninitiative ist nötig. Außerdem bilden sich sowieso schon immer neue Gruppen, die nicht noch zusätzlich bloß einen Namen in ihr Programm aufnehmen möchten. Auch wenn das Konzept sich nicht schlagartig und erfolgreich umsetzen läßt, vermittelt es doch das Bewußtsein einer Gemeinsamkeit. Wir werden deshalb weiterhin das Programm Performance-Gesellschaft verbreiten.
2f. Förderung der Performance, speziell der Kunstperformance mit Hilfe der Performance-Gesellschaft
Übertriebene Anpreisungen von Performances aller Art können hohe Erwartungen auslösen, die in der Realität nicht in Erfüllung gehen. Enttäuschungen wären die Folgen. Kunstperformances sind weder Action-Filme noch Opern etc., sie beschränken sich auf einfache Handlungen, denen eine künstlerische Absicht zugrunde liegt. Sowas gibt es nicht im Fernsehen. Offenbar ein Vorzug auf den man hinweisen müßte. Indem mehrere Performer hintereinander oder zusammen auftreten, kann ein abendfüllendes, unterhaltsames Programm entstehen. Dann kommen solche Formen wie Parallel - Performances, Simultan - Performances, Massenperformances oder auch Performance - Festivals zustande. Kunstperformances brauchen nicht auf Elemente der Unterhaltung zu verzichten, aus Angst vielleicht in eine andere Kunstform zu geraten, wie Kabarett oder sonstige Shows. Die Zahl der Anhänger der Kunstperformance ist nicht sehr groß. Die Kunstperformance ist eine ziemlich unbekannte Spezies, bei der man im großen Ganzen "unter sich" ist. (Fast schon zu einer Definition geeignet). Es bleibt ein kleiner Kreis, dem anscheinend gar nicht soviel an einer Vergrößerung liegt. Auch die Unterstützung durch Medien, Presse, Handzettel erweist sich oft als wirkungslos. Das Publikum will einfach nicht wesentlich zunehmen und setzt sich analog zur Vernissage oft nur noch aus Künstlern zusammen. Die Gefahr, daß die Kunstperformance versauert und in Heimspielen mit dem immer gleichen Personal untergeht, erscheint nicht so abwegig. Die Performance in Form von Nachwuchs zu fördern, war deshalb das Ziel der Performance-Gesellschaft, kombiniert mit der Verbreitung des Namens. Die leichte Aufnahme in die Performance-Gesellschaft soll anzeigen, daß auch die Vorführung einer Performance nicht unbedingt eines großen Aufwandes bedarf und eigentlich jederdazu in der Lage sein könnte. Für diese These spricht, daß nicht immer lange, eingeübte Auftritte wie beim Theater nötig sind. Eine langjährige Ausbildung in Performance braucht es auch nicht. (Jedenfalls noch nicht). Viele Performances kommen ganz ohne Übung aus, andere bedürfen schon einiger Vorbereitungen. Aber den Schwierigkeitsgrad kann sich jeder selbst gestalten. Es handelt sich ja um keine Sportart, die monotone Übungen vorschreibt. Um im Sport oder auch musikalisch aufzutreten, braucht es oft schon ein jahrelanges Training. Für Performance braucht man keinen gekonnten, einstudierten Ablauf zu zeigen, denn Performance kann ganz einfach sein und jede Übung daran überflüssig machen. Alles in allem sind das keine Eigenschaften, die die Performance zu einer exklusiven Angelegenheit machen. Der Einstieg in Performance dürfte also nicht schwer fallen, besonders dann nicht, wenn zur Performance animiert wird, was ja die Performance-Gesellschaft mit ihrer Form einer einfachen Gesellschaft unterstützen will. Anders kann gar kein Nachwuchs entstehen. "Macht alle Performance" muß das Motto lauten. Erst daraus erwächst dann ein Interesse an der Sache. Übung und Erfahrung führen natürlich auch zu schwierigen Performances. Es gelten aber auch für Performance die gleichen Qualitätskriterien wie für das Theater.
 
3. Die Kunstperformance, eine Synthese aus bildender Kunst und Theater:
 
Bildende Kunst ------ > Kunstperformance < ---------- Theater
Zur Vereinfachung sei angenommen, daß die Kunstperformance sich in zwei Bestandteile trennen lasse: bildende Kunst und Theater. Beide tragen mit unterschiedlichen Eigenschaften zur Performance bei. Der Einfluß des Theaters ist jedoch aufgrund der Zeitkomponente viel größer und gravierender als der Einfluß der bildenden Kunst. Die Performance steht damit dem Theater am nächsten.
Beide Einflüsse zeigte Esther Ferrer in idealer Weise. Während einer telephonischen Zeitansage, die verstärkt zu hören war, benutzte Esther Ferrer nach einem geplanten Ablauf Materialbilder.
So streng wie beim Theater, in geordneter Sitzweise, muß es bei der Performance nicht zugehen. Es überwiegt die lockere Form der Vernissage, die Zuschauer versammeln sich um eine Performance, als wäre es ein Bild, das gemeinsam von allen Seiten betrachtet wird. So kurze Zeit, wie es gegebenenfalls zur Betrachtung eines Bildes braucht, kann eine Performance dauern. 1 Minute nur dauerte jede der 100 Performances an einem Abend im Urania Theater Köln. Hier grenzt sich die Performance von Aufführungen des Theaters ab.
Die Zuschauer der bildenden Kunst, die vorher starre Bilder anschauten, sind jetzt in der Lage, gemeinsam zur selben Zeit, lebende Bilder anzuschauen. Für die bildende Kunst ist damit eine neue Organisation der Aufmerksamkeit erreicht. Die Performance- Bilder erreichen eine konzentriertere und kontrolliertere Aufmerksamkeit, als
es oft Bilder in einer Ausstellung vermögen. Für viele Künstler wird deshalb die Performance als eine Alternative zur Malerei angesehen. Vorausgesetzt man sieht in der Performance eine schlichte Kunstform, die ohne viel Material auskommt. Wiederholungen von Performances, eine Grundeigenschaft des Theaters müssen nicht die Regel sein. Einen festgelegten Ablauf, der jede Bewegung und jeden Satz vorschreibt, wie in einem Drama von Shakespeare, gibt es seltener. Dieselben Vernissagen werden ja auch nicht wiederholt.
 
4. Geldquellen der Performance, speziell Kunstperformance
 
4a. Für Kunstperformance gibt es keinen Markt wie für bildende Kunst
 
Performer stellen kein Produkt her, das von ihnen verkauft werden könnte. Die Herstellung von Bildern bleibt am Produzenten gekoppelt. In der bildenden Kunst lassen sich Bilder, Objekte separat verkaufen, weil diese haltbar sind. Und da die Performance zerfällt, kann sie nicht als Kunststück verkauft werden. Es gibt deshalb keine Sammler und keine Museen im herkömmlichen Sinne für Performance. Ein Markt ist gar nicht möglich. Deshalb gibt es auch für Performance keinen Stand auf Kunstmessen, das lohnt nicht.
Mit dem Verlust ihrer existenziellen Grundlage geht eine ganz wichtige Eigenschaft der bildenden Kunst verloren. Man muß sich nicht Sammlern bzw. dem Markt anpassen, sondern den Zuschauern oder auch nicht. Die Sache verschwindet, außer ein paar Relikten bleibt vielleicht nichts Originales, auf das es in der bildenden Kunst so wesentlich ankommt, zurück.
Es ist unangemessen, wenn sich die Performance-Kunst elitär gibt. Einen Markt, für den eine Elite schafft, gibt es nicht. Eine so ausgeprägte Hierarchie, wie sie die bildende Kunst hervorbringt, kann sich unter diesen Umständen nicht ausbilden. Die Kunstperformance ist noch ziemlich waagerecht organisiert. Ein Markt ist keiner da, deshalb zahlt auch niemand eine Million für eine Performance, wie eventuell für ein Bild. Das Original existiert, aber zerfällt sofort. Das ist kein Nachteil, sondern eine wichtige Qualität. Diesen Zerfallsprozeß direkt zu erleben oder direkt zu gestalten. Wichtig ist, daß dieser Prozeß ungetrübt abläuft. Spannend ist der Augenblick. Dadurch kommt überhaupt Leben ins Bild. Dieses Lebenselement gilt es zu fördern. Das originale Kunstwerk taucht wieder als Originalerlebnis auf und wird als solches bezahlt. Das Original gibt es also weiterhin. Die Originalität liegt hier
woanders, nämlich gerade in der Einmaligkeit des Ereignisses. Verständlich, daß nun der Versuch gemacht wird, die Sache mit allen Mitteln haltbar zu machen, um am verkäuflichen Original wieder anknüpfen zu können. Eine wichtige Methode dazu ist die Aufnahme der Performances auf Video. Es entsteht eine handelbare Ware als Kunstobjekt, das oft wichtiger als die Performance selber wird.
Zur besseren Unterscheidung, sind deshalb 2 Begriffe entstanden. Eine Performance verbunden mit der Aufnahme auf Video bekommt den Namen "Elektropanz" und eine Performance ohne Aufzeichnung nennt sich "Ultipance", zusammengesetzt aus Ultimate und Performance.
Man kann sowohl Zuschauer als auch Performer und sogar beide völlig durch Maschinen ersetzen. Das entspricht dem Übergang von der Ultipance zur totalen Elektropanz. Definition: Die Ultipance stellt eine absichtliche Aufmerksamkeit her, die sich direkt zwischen Menschen, Performer und Zuschauer, abspielt, unter Verzicht von technischen Mitteln, die diese Realität beeinträchtigt. Es geht nicht darum, mit künstlichen Bildern zu imponieren, sondern mit realen, lebendigen Bildern. Eine Ultipance beschränkt sich auf menschliche Kommunikation.
 
4b. Die einzige langfristige Geldquelle: Einnahmen wie beim Theater
 
Die bezahlte Nachfrage nach Kunstperformances ist nicht sehr groß. Die Nachfrage wird von den Performance- Künstlern noch weithin selber wachgehalten. Ihre ökonomische Existenz kann die Performance nur vom Theater übernehmen, in der Hauptsache durch Eintrittsgelder. Ein spezielles Publikum, wie beim Theater gibt es kaum. Es gelingt natürlich ab und zu vom Staat, der einzige, der dafür in Frage kommt, auch größere Gelder locker zu machen, aber der Kuchen langt nur für einige wenige, die dann allen Grund haben, am Ball zu bleiben. Das züchtet ein kleine Elite heran, die eine künstliche Nachfrage des Staates unter sich aufteilt. Dieser Markt kommt natürlich allein zurecht. Es bedarf keiner weiteren Performer. Das ist in der Kunst allgemein so. Die berühmten 4% reichen da leider völlig aus. Elite schließt eben aus, sonst wäre sie keine. Wo käme sie sonst hin?
Aber sobald die Gelder aufhören, kontinuierlich zu fließen, bleibt die Existenz der Kunstperformance wieder nur auf Eintrittsgelder angewiesen. Mit Performances lassen sich keine großen Summen an Eintrittsgelder herausschlagen. Deshalb wird die Kunstperformance auch nicht sonderlich verwertet. Einen Performance-Star aufzubauen lohnt nicht. Darum gibt es keinen Michael Jackson der Kunstperformance. Es scheitert an den geringen Gewinnmöglichkeiten. Was ja auch eine geringe Ausbeutung bedeutet, weil keine Veranstalter und andere Zwischenhändler mitfinanziert werden müssen.
Trotzdem könnten unspektakuläre Performances gedeihen, denn als lebendige und einfache Kunstform befriedigen sie ein Bedürfnis, das wenig Geld erfordert. Viele könnten sie ausüben und in den Alltag integrieren. Ich sehe die Performance als eine einfache Unterhaltung, ein Stück Wirklichkeit, theoretisch dazu in der Lage, dem Fernsehen das Wasser abzugraben. Wirklichkeit kommt im Fernsehen nicht vor. Kneipen oder Cafés sind weniger geeignete Treffpunkte als früher. Es müßten aber neue Orte entstehen, die für menschliche Kommunikation geeignet sind. Man trifft sich, sieht einer Performance zu, spricht darüber und geht wieder nach Hause. Ein Ziel, das sich aber nur verwirklichen ließe, wenn viele auch dieses Bedürfnis erkennen. Einen Ort, der längerfristig ohne viel Aufwand und lange Anmeldung dazu dienen soll, Performances zu realisieren, bietet die Ultimate Akademie in Köln. Die Reihe "Tischperformance in der Ultimate Akademie" existiert seit Dezember 1995 in Köln und findet in einem kleinen Raum von nur ca. 20 m2 statt, gerade groß genug für einen Tisch und ca. 20 Stühle. Der Abstand Performer zum Publikum ist kleiner nicht möglich. So entsteht eine intime Atmosphäre. Nach der Performance kann diskutiert werden. Warum sollte es solche Orte nicht viel mehr geben? Sie brauchen nicht komfortabel sein und könnten sogar in Privaträumen eingerichtet werden.
Diese Orte könnten ebenfalls in der Adressenliste gelbe Seiten aufgeführt werden.

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