WALTER SIEGFRID
DER MENSCHLICHE TANZ AUS ETHOLOGISCHER SICHT
UND EINIGE ASSOZIATIONEN ZU DEN PERFORMANCE ARTS

Vortrag gehalten am Colloque International Theatre et Sciences de la Vie.
Performance Arts and Life Sciences, Maison des Cultures du Monde, Paris, June 1984
EINLEITUNG

Der menschliche Tanz ist ein durch alle Kulturen hindurch anzutreffendes Verhalten und ist wegen seiner Reichhaltigkeit Forschungsgegenstand verschiedenster Disziplinen. Diese unterschiedlichen Zugangsweisen werden offensichtlich in der erregten Diskussion um J.L.HANNAs Artikel Movements toward Understanding Humans through the Antropological Study of Dance", in welchem eine umfassende Definition des Tanzes durch vier Komponenten vorgeschlagen wird. Current Anthropology, die Zeitschrift, in welcher diese Diskussion geführt wurde, vereinigt viele Wissenschaftszweige und doch hat man das Gefühl, dass gerade bei diesem spezifischen Thema Tanz noch mehr Zugangsweisen denkbar wären. So fehlt zum Beispiel der Bezug zur Architektur, der v.a. seit den Studien von Oskar SCHLEMMER , E.T.HALL und R.DEUTSCH als Phänomen bekannt ist, und der in diesem Text kurz aufgegriffen werden wird. Ausserdem fehlen die ethologischen Perspektiven auf den Tanz, wobei dies weniger erstaunt, da in diesem Bereich noch wenig Arbeiten vorliegen.
Schliesslich könnte man sich durchaus auch eine etwas fülligere philosophische Diskussion vorstellen, da die im Tanz sich exemplarisch darstellende Beziehung des Menschen zu seiner Leiblichkeit immer ein philosophenwürdiges Thema war und besonders von den Phänomenologen - etwa H.PLESSNER, J.P.SARTRE, M.MERLEAUPONTY - erneut belebt wurde. Ein neueres faszinierendes Beispiel solcher Reflexion über den Tanz, jetzt allerdings auch die Erfahrungen der Frankfurter Schule integrierend ist R. zur LIPPEs `Naturbeherrschung am Menschen'.
Diese Reihe, die noch lange fortgesetzt werden könnte, zeigt, wie sehr der Tanz von Kultur und Geschichte geformt wird. Diese kulturelle Vielfältigkeit des Tanzes kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Tanzen eine jener Verhaltensweisen zu sein scheint, die in allen Kulturen angetroffen werden, was etwa vom Theater nicht durchwegs behauptet werden kann. So stellt sich die Frage, ob unter der kulturellen Variation eine universelle Basis zu finden ist, die als kleinster gemeinsamer Nenner allem Tanzen zugrunde liegt.
Liesse sich diese universelle Basis nachweisen, dann würde sich auch die Frage nach dem Sinn dieses Verhaltens aufdrängen und mit ihr die Frage nach seiner Entstehungsgeschichte. Wo, so müsste man fragen, lassen sich Anfänge des Tanzes in der Evolutionsgeschichte entdecken? Lässt sich eine Phylogenese des Tanzes schreiben? In welchen Funktionszusammenhängen tritt dieses Verhalten auf? Lassen sich formale Analogien zwischen verschiedenen Tiergruppen aufweisen oder lassen sich sogar homologe Entwicklungslinien vom Tier zum Menschen ziehen?
Weit davon entfernt, hier endgültige Antworten auf solch weitgefasste Fragen geben zu können, geht es beim vorliegenden Text bloss darum, Beobachtungen aus verschiedenen Disziplinen zusammenzutragen, um ein konkreteres Gerüst um diese Fragestellungen herum aufzubauen. Ziel ist es, durch diese integrative Sichtweise möglichst sinnvolle Fragestellungen an die Einzeldisziplinen zurück stellen zu können.
Zunächst wird es darum gehen, den Zusammenhang zwischen Ethologie und Tanz aufzuweisen, um so die Zone zu definieren, wo die Lehre des Verhaltens etwas zum Verständnis des Tanzes beitragen kann. Zwei Wege werden sich zeigen, nämlich derjenige der funktionellen Ähnlichkeiten zwischen gewissen tierischen Verhaltensweisen und dem menschlichen Tanz und derjenige der formalen Ähnlichkeiten. Da die Meinungen über die Funktionen weit mehr auseinandergehen als jene über die formale Beschreibung, wird sich der Text vorwiegend der letzteren zuwenden. Dazu muss das reiche Phänomen Tanz soweit abstrahiert werden, dass es der Blickweise der Verhaltensforschung zugänglich wird. Das heisst, dass der Tanz auf der Ebene gemeinsamen Verhaltens definiert werden muss und zwar so, dass diese Verhaltenselemente beobachtbar und beschreibbar werden. Dieser Abstraktionsprozess stösst meist auf viel Widerstand bei den Tanzforschern, weil er eben vieles vernachlässigen muss.
Nichtsdestoweniger ist er für eine Studie aus ethologischer Perspektive unerlässlich.
Aus dieser formalen Analyse wird eine Basisdefinition tänzerischen Verhaltens erarbeitet sein, die die am tierischen Verhalten aufgewiesenen Interaktionselemente integriert. Über eine differenziertere Diskussion anhand dieses Tertium comparationis - nämlich dem Umgang mit der Anschauungsform von Bewegung in Raum und Zeit wird nach Zusammenhängen in den Funktionen der Ritualisierung und dem Tanz gefragt. Das beiden Bereichen gemeinsame, allgemeine Funktionsfeld von Aufmerksamkeiterregen, Bandstiftung (Kohäsion) und Kommunikation ist dabei Ausgangspunkt. Es wird eine Stufung verschiedener Kommunikationsformen sichtbar, welche Übergänge zwischen tierischer und menschlicher Kommunikation suggeriert. Der Umgang mit Raum und Zeit in der Ritualisierung ist dabei Verbindungsglied zwischen der punktuellen Kommunikation im Signal-Reaktions-Verhalten und der projektiven Raum-Zeit-Struktur im Tanz, die eine lineare kontinuierliche Kommunikation erst ermöglicht. Das generelle Funktionsfeld steht insofern mit den Performance Arts in Beziehung, als es den Aufbau von Aufmerksamkeit und bindender Energie zwischen Kommunikationspartnern beinhaltet. Deswegen wird abschliessend gefragt, wie aus den Elementen der Basisdefinition das Entstehen von Aufmerksamkeit, Bindung und Kommunikation im Bereich der Performance Arts wieder provoziert werden könnte.

ETHOLOGIE UND TANZ
Seit langer Zeit schon werden Brücken geschlagen zwischen Biologie und Geisteswissenschaften, wobei die Aesthetik in ihrem ambiguen Begriff zwischen Lehre der Sinneserkenntnis und "Theorie des Schönen" besonders deutlich auf diesen Grenzbereich verweist.
Man darf wohl sagen, dass die meisten Theorien über die Kunst sich am WERK orientiert haben, ob dies nun der Roman, das Bild, die Architektur oder das Gedicht gewesen ist. Ja sogar bei den ausgesprochenen Zeitkünsten" wie etwa Drama und Musik, hat man lange Zeit mehr dem Text und der Partitur abgelauscht als der aktuellen Aufführung. Erst Hans-Georg Gadamer wies immer wieder auf die Wichtigkeit des Vollzugs, des Aktes, des Spiels hin (GADAMER, H.-G- 1970). Im allgemeinen aber stand das Werk im Vordergrund.
So wird denn der Vergleich zur Natur auch meist über ein Werk, ein `materielles Objekt' (vgl.dazu OTTO, F. 1979) vollzogen. Wurde also etwa behauptet, die Natur sei das Vorbild für die Kunst, dann eben im Sinne ihrer Werke, etwa dem Kristall, der Muschel, dem Blatt usw. Diese Auffassung der Natur als Kunstwerk, fand ich schockierend zusammengefasst auf einem Emailplättchen an einem wunderschönen alten Baum in der Nähe des Münchner Bahnhofes, anlässlich meines ersten Besuches in dieser Stadt - und dieses Plättchen hätte mich beinahe zum Umkehren bewegt, da stand nämlich drauf in schönen Buchstaben: NATURDENKMAL.
Nun geht es aber an diesem Kongress weniger um die Kunst als Werk, sondern vielmehr um die Kunst als Handlung, als Akt, als Vollzug. Im englischen Titelstichwort 'Performance Arts' ist dies jedenfalls sehr deutlich ausgesprochen - über das französische 'theatre' und dessen genaue Definitionen kann man sich eher streiten (vgl. Beitrag von KERCKOVE). Wenn solcherart die Aktion im Vordergrund steht, muss auch von der biologischen Seite her nach dynamischeren Modellen gesucht werden. Die Ethologie, als Wissenschaft vom Verhalten, bietet den idealen Ansatzpunkt.
Man könnte in Anlehnung an Spinoza formulieren, dass die Ethologie sich mit der natura naturans, also eben der Natur in ihrem Wirken beschäftigt, während die Skelett- und Organbiologie die Werke der Natur, die natura naturata (SPINOZA, B. ) zum Gegenstand hat.
Will man nun den Tanz nicht als Werk, sondern als dynamischen Vollzug verstehen, so drängt sich dieser ethologische Zugang auf. Gibt es im tierischen Verhalten, dem Gegenstand der Ethologie - etwas, das mit dem Tanz der Menschen in Beziehung gesetzt werden könnte?
Der Volksmund spricht oft von Tiertänzen und meint damit meist auffällige, hervorstechende Verhaltensweisen zweier oder mehrerer Tiere - manchmal auch von vereinzelten Tieren. Gerade diese aus dem Fluss des Verhaltens herausfallenden Momente, die dem menschlichen Auge wegen ihrer Stereotypie und ihrer Prägnanz auffallen, wurden von den Ethologen zuerst untersucht (WHITMAN, Ch.0.1898 / HEINROTH, 0. 1910 TINBERGEN, N. 1940 / LORENZ, K. 1951). Sie stellten fest, daß diese markanten Bewegungen im Dienste der Kommunikation zwischen den beteiligten Organismen stehen. Die gestalthaften Elemente fallen also auch dem Tier auf, ja, sie wurden um dieser Auffälligkeit willen überhaupt erst entwickelt, indem die Tiere durch diese signalartigen Bewegungen aufeinander aufmerksam machen. Im Interesse möglichst prägnanter Signale wurden so jene seltsam anmutenden, tänzerischen Bewegungen im Laufe der Evolution favorisiert.
Die systematische Beobachtung solch wiederkehrender Bewegungsweisen stand am Anfang des Konzeptes einer vergleichenden Verhaltensforschung, denn immer klarer zeigte sich, dass Bewegungsmuster ebenso verlässliche Merkmale von Verwandtschaftsgruppen sein können, wie irgendwelche körperlichen Charaktere (vgl. LORENZ, K.1977, 26o).
Man hat verschiedene Termini für diese spezifischen Bewegungsweisen vorgeschlagen. In allen ist der tänzerisch-theatrale Charakter irgendwie präsent. Heinroth spricht von Zeremonie, Selous von Formalisation und Huxley von Ritualisation, wobei dieser letzte Begriff der historisch erste ist (HUXLEY,J. 1914)
Die Definition der Ritualisierung fällt schwer; sie kann nach Lorenz nur injunktiv gefasst werden, das heisst, daß der Begriff durch eine grössere Anzahl von Eigenschaften bestimmt ist, die nur in ihrer Vielheit und gewissermaßen durch ihre Summation konstitutiv für den Begriffsinhalt sind" (LORENZ, K. 1966:6). Als wichtigste teilkonstitutive Eigenschaften werden von ihm in diesem Aufsatz drei formale genannt, nämlich der Funktionswechsel, die funktionsbedingte Formveränderung und die Verselbständigung des Ritus zu einer Instinktbewegung - und eine funktionelle - nämlich die Kommunikation, aus der sich sekundär die Nebenfunktionen der Aggressionshemmung und der sozialen Bindung ergeben. In anderem Zusammenhang (LORENZ, K.1977:261ff.) werden die funktionellen Leistungen ausführlicher beschrieben und in vier Punkten zusammengefasst. Bei Eibl-Eibesfeldt schliesslich wächst die Liste auf neun mögliche teilkonstitutive Eigenschaften an. (EIBL-EIBESFELDT, I. 1980 :160).
Der Ritualisationsbegriff bleibt schillernd und braucht vielleicht vorläufig diese Offenheit, um aus ihr das Zusammenwirken der einzelnen Anteile besser zu verstehen. Für das spezielle Anliegen dieser Untersuchung ist eine genauere Festlegung des Begriffes ohnehin nicht zwingend. Zwar befasst sich die Studie mit dem Phänomen der Ritualisation, jedoch in der Weise, daß es in Beziehung gesetzt wird mit dem menschlichen Tanz, so daß nur die vergleichbaren Momente interessieren. So werden auf der formalen Seite die funktionsbedingten Formveränderungen im Zentrum stehen, also jene Elemente, die ein Signal möglichst einprägsam und unverwechselbar machen; besonders die Wiederholung des Signales, seine typische Intensität und seine räumliche Orientierung (vgl.:LORENZ,K. 1966:9f.). Was die Funktionen der Ritualisierung betrifft, wird in dieser Studie besonders von der Kommunikation zu handeln sein.
Auch wenn schon seit langem von tanzenden Tieren gesprochen wird, so wurde doch die im Wort Tanz sich ausdrückende Beziehung zum Menschlichen selten Gegenstand einer spezifischen Analyse. Zwei Texte, die vertieft den Zusammenhang zwischen tanzähnlichen Bewegungsweisen bei Tieren und dem menschlichenTanz erörtern, seien kurz vorgestellt:
Etienne SOURIAU beginnt seinen Aufsatz in der Revue d'esthetique (1948, III), in welchem er über die Kunst bei den Tieren handeln will, mit einer ausführlichen Passage über den Tanz. Das wichtigste Ergebnis dieses ersten Teiles wird in den folgenden Sätzen zusammengefasst: "Mais ce qui est remarquable, c'est que cet exercice est organise socialement et prend la forme d'une sorte de rite collectif et spectaculaire." (224) J'appelle danse une activité de mouvement .... qui comporte vection psychique vers un temoin (ne serait-ce que par réciprocité, au sein d'un groupe d'exécutants coopérateurs, à la fois acteurs et spectateurs)." (222) Ces danses seraient donc peut-être un effet spontané de la seule excitation amoureuse. Mais trés probablement il s´y mêle un besoin de maintenir, par ces exhibitions étranges, une sorte de prééminence et d'envoûtement psychiques: c'est un rite de possession et un moyen d'ascendant." (225)
"Ich nenne jene Bewegungsaktivität Tanz, welche ... eine psychische Dynamik auf einen Zeugen zu hat ( auch wenn dieses Zeugesein nur gegenseitig ist, etwa innerhalb einer Gruppe von ausführenden Kooperanten, die dann gleichzeitig Handelnde und Zuschauer sind)." (222)
"Aber was bemerkenswert ist, ist dass diese Übung sozial organisiert ist und dass sie die Form eines kollektiven und spektakulären Ritus annimmt." (224)" Diese Tänze wären dann also vielleicht ein spontaner Effekt der blossen sexuellen Erregung. Aber sehr wahrscheinlich mischt sich darein das Bedürfnis, durch diese seltsamen Verhaltensweisen eine Art Vorrang zu behalten, einen gewissen psychischen Bann aufrecht zu erhalten: es ist ein Ritus des Besitzens und ein Mittel der Autorität (Macht/Einfluss)." (225)
Einige Jahre später schreibt Konrad LORENZ einen Text Über tanzähnliche Bewegungsweisen bei Tieren" (1952), in welchem drei Elemente, die die Analogien zwischen menschlichen Tänzen und bestimmten Bewegungsweisen höherer Tiere betonen, beschrieben werden: "Da die tierischen Verhaltensweisen, die in Frage kommen, Auslöser mit optischer Funktion sind, muss ein prägnanter, signalartiger Eindruck erzeugt werden, der zu oberflächlichen Ähnlichkeiten mit dem Tanz führt. Die instinktmässigen Elemente des Droh-,Imponier- und Balzverhaltens (oft im Zentrum der ritualisierten Tierbewegung ) spielen auch beim Tanzen des Menschen eine sehr wichtige Rolle, wenn auch überlagert durch Erworbenes.
Durch den Funktionswechsel in der Ritualisierung, werden Bewegungsweisen mit ursprünglich anderer Funktion jetzt zum Ausdruck im engeren Sinne, der oft an menschliche Tänze erinnert."
Fasst man die Resultate der beiden Studien zusammen, so ergeben sich folgende Schwerpunkte für die ritualisierte Tierbewegung im Zusammenhang mit dem menschl. Tanz:
1. Der Ausdruckscharakter
2. Die Dynamik auf einen Partner zu
3. Der Signalcharakter, der Aufmerksamkeit erregen soll
4. Die Macht und Autorität, diese Aufmerksamkeit zu behalten.
Man kann generalisierend sagen, dass die ritualisierte Bewegung anscheinend möglichst kontinuierlich die Aufmerksamkeit eines Partners erregen soll, um so mit ihm in Verbindung zu bleiben und eine Chance zu haben, sich ausdrückend mitzuteilen:
AUFMERKSAMKEIT - KOHÄSION - KOMMUNIKATION
In diesen drei Stichworten soll der Funktionskreis im folgenden zusammengefaßt sein.
Die beiden erwähnten Arbeiten über Tiertänze sind alt und die Ethologie hat inzwischen das Studium der Ritualisierung weit fortgetrieben und dabei differenzierte Erkenntnisse gewonnen. Am Beispiel der gut untersuchten Albatrosse (Diomedeidae) kann gezeigt werden, dass diese neuen Erkenntnisse den grundsätzlichen nicht widersprechen, sondern sie in gewisser Weise bereichernd bestätigen: Die sogenannten Tänze der Albatrosse haben verschiedene Funktionen, die aber alle unter dem Generalaspekt der Kommunikation gesehen werden können.
So hypostasiert Earl MESETH (1975), dass der Tanz der Diomedia immutabilis unter anderem die Funktion hat, die Aggression gegenüber dem Weibchen an einem bestimmten Ort zu mildern, so dass dieses dorthin zurückkehrt und eine Bindung an Ort und Partner aufbaut (p.255). A. BERRUTI (1981), der mit der anderen Gattung der Albatrosse gearbeitet hat (Phoebetria), zeigt, wie der Tanz verhindert, dass die beiden Arten (Phoebetria fusca und Phoebetria palpebrata) sich mischen, indem die Anfangselemente des paarbildenden Tanzes bei den beiden Arten zu verschieden sind als dass der Tanz zwischen Partnern der nicht gleichen Art fortgesetzt würde (p.98). Schliesslich betont P. JOUVENTIN (1982) dass der Tanz der Phoebetria fusca so komplex sei, um bei den nicht an bestimmte Nistplätze gebundenen Vögeln trotzdem die ausserordentliche Treue zu ermöglichen (p.79).
In diesen Beispielen meinen die ritualisierten Bewegungen immer etwas; sie teilen dem Partner etwas mit, das heißt, sie bleiben im oben generell umrissenen Feld der Kommunikation. Was dann jeweils an konkreten Inhalten transportiert wird, kann variieren; die ritualisierte Bewegung hat zunächst Trägerfunktion. Wir befinden uns damit gleichsam im Vorfeld der Kommunikation, da nämlich, wo zunächst die Organismen aufeinander ausgerichtet werden, um überhaupt erst einmal die Zeichen, die da ausgesendet werden, als Zeichen für sich wahrnehmen zu können. Ohne diese bindende Ausrichtung, die gleichsam die kommunizierenden Individuen zusammenhält*), wären die ausgesendeten Zeichen sinnlos und die `Empfänger' würden in ihrem wahllosen Aufnehmen der fülligen Zeichenwelt verloren sein.
Es gibt zwei Situationen, in denen es besonders wichtig ist, daß die beteiligten Organismen die Zeichen, die der Partner aussendet, als Zeichen für sich wahrnehmen**): die Situation des Kampfes und die Situation der Paarbildung. In beiden Situationen wurden Höchstformen der Ritualisierung entworfen: Die Kommentkämpfe und die Balztänze. Über diese in den Extremsituationen geforderte Konzentration der Aufmerksamkeit ist eine Art Kohäsion entstanden, die die notwendige Grundlage zur Kommunikation schafft: eine kontinuierlich ausgerichtete Aufmerksamkeitsenergie (vgl.S.16ff.).
*)Mehr als Kuriosum denn als Beweis sei darauf hingewiesen, daß im Wort Kommunikation das lateinische moene,-is enthalten ist, das soviel wie Ringmauer, Befestigung bedeutet und also gut in diesen Sinnbereich von Zusammenhalten passt.
**)Sieht man vom Hin und Her der kommunikativen Situation ab, gibt es natürlich noch weitere Momente, in denen es wichtig ist, dass ein Organismus die Zeichen seiner Artgenossen als Zeichen für sich vernimmt: etwa Momente der Gefahr oder solche, in welchen Nahrung gefunden wurde (vgl. `Futterlocken' SCHENKEL, R. 1956). Aber hierbei handelt es sich eben um eine Art `Einwegkommunikation'.
Zusammenfassend lassen sich zwei Bereiche beschreiben, in welchen Zusammenhänge zwischen ritualisierten Bewegungen und menschlichem Tanz bestehen: Zum einen der funktionelle Bereich, wobei hier weniger von der ausgefächerten Inhaltsebene auszugehen ist, als vielmehr vom oben beschriebenen globalen F.-Feld `Aufmerksamkeit-Kohäsion-Kommunikation'. Zum andern der formale Bereich, in welchem verschiedene Elemente aufgewiesen werden können, die sowohl beim Tier als auch beim Menschen auftreten (Symmetrie, rhythmische Wiederholung, Regelmässigkeit, typische Intensität, etc.).
Wie in der Einleitung erwähnt, steht das Formale im Vordergrund dieser Untersuchung. Zwar hat die Ethologie schon viele formale Beschreibungen erarbeitet (z.B. SCHLEIDT, W. 1983) jedoch ging sie dabei vorwiegend von der Verhaltensanalyse einzelner Tiere aus. In diesem Text dagegen, in dem ja besonders der kommunikative Aspekt interessiert, soll der Schwerpunkt auf das Verhältnis der Interagierenden zueinander gelegt werden. Noch einmal hilft dabei der Blick auf die Ritualisierung, in der dem unbefangenen Beobachter zwei Dinge bezüglich der Interaktion auffallen
1.Die Interagierenden bewegen sich oft so, daß man das Gefühl einer zeitlichen Abgestimmtheit hat. Manchmal geht dies soweit, daß man einen gemeinsamen Rhythmus vermutet.
2.Die Interagierenden stehen meist in ausgesprochen markanten räumlichen Beziehungen zueinander (vgl.zB. RIEDE,K.1979)
Was hier in zwei Punkte zerlegt wird, ist in Wirklichkeit als Einheit zu denken und fällt mit dem zusammen, was Lorenz als eine der Wurzeln begrifflichen Denkens beschrieben hat: `Die Anschauungsform von Bewegung in Raum und Zeit'(LORENZ,K. 1983:67). In früheren Texten sprach er allerdings von zwei Kategorien (LORENZ,K. 194 :403 /1977:156). Besonders mit dem Zusammenhang von Denken und Räumlichkeit hat er sich mehrfach ausführlich befasst.
EINE DEFINITION TÄNZERISCHEN VERHALTENS
Wie steht es nun in einfachen menschlichen Tanzformen um diese zwei Elemente von Zeit und Raum? Können sie hier auch als Leitfaden dienen? Die Mikroanalyse von der Anfangsphase eines Kindertanzes der !Ko-Mädchen (San-Gesellschaft in Südafrika) soll darüber Aufschluss geben. Der der Analyse zugrunde liegende Film stammt aus dem Humanethologischen Filmarchiv und wurde uns vom Autoren (Prof. Irenäus EIBL-EIBESFELDT) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.
Es handelt sich um einen Tanz, bei dem die Mädchen einen Kreis bilden und jeweils zusammen vor- und dann wieder zurückhüpfen, so dass einmal ein enger, dann ein weiter Kreis entsteht (Abb. 1).
Will man den Aufbau des gemeinsamen Rhythmus untersuchen, muss man die individuellen Tanzrhythmen und deren Koordination beschreiben. Der Tanzrhythmus für jedes Mädchen wird definiert durch die Aufeinanderfolge der Sprünge, wobei jeweils der Tiefstpunkt des belasteten Knies als Messpunkt gilt (Abb.2)
Trägt man die so definierten Rhythmuspunkte für alle vier Tänzerinnen an der Stelle des entsprechenden Filmbildes in ein Schema ein(Abb.3), so wird optisch anschaulich, wie sich die anfänglich unkoordinierten Rhythmen sukzessive synchronisieren. Es wird also in dieser Anfangsphase eine gemeinsame verbindliche Zeitstruktur entworfen. Auch die gegenseitige Koordination der räumlichen Ausrichtung der Tanzenden ist nicht einfach von Anfang an gegeben., sie muß zuerst aufgebaut werden. Zunächst muß eine Kreisformation gebildet werden und dann muß von ihr ausgehend (medium - m) vor (forwards - f) und zurückgesprungen werden.
(Abb.4). Trägt man nun diese Raumpunkte in das obige Schema ein (Abb.5), so wird klar, wie auch die räumliche Situation langsam aufgebaut wird. Gleichzeitig wird in diesen Abbildungen deutlich, dass man nicht sagen kann, zunächst werde die Zeit, dann der Raum aufgebaut oder umgekehrt, sondern, dass die beiden Prozesse aufs Engste miteinander verknüpft sind.
Die Anfangsphase des Tanzes ,in dieser einfachsten Form, kann also charakterisiert werden als Aufbau einer gemeinsamen Raum-Zeit-Struktur. Für den einzelnen Tanzenden formuliert heißt dies, daß er mit der Gruppe eine gemeinsame Intentionalität teilt, die ihm sagt, wie er sich zu bewegen hat, um zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein: eine hohe Entwicklungsstufe der `Anschauungsform von Bewegung in Raum und Zeit' (vgl. Seite 11).
Die so etablierte Raum-Zeit-Struktur muss natürlich auch aktiv erhalten und stabilisiert werden, sonst bricht sie rasch zusammen. Wenn die zugrundeliegende Struktur stabilisiert ist, kann sie variiert werden. Zusammengefasst ergibt sich daraus folgende Definition des Tanzes (eine reichhaltigere Diskussion dieser These findet sich in SIEGFRIED,W. 1983):
TANZENDE ENTWICKELN, STABILISIEREN UND VARIIEREN EINE VERBINDLICHE, DER TANZGRUPPE GEMEINSAME RAUM-ZEIT-STRUKTUR.
Damit sind die beiden Elemente, die in den Ritualisierungen der Tiere bezüglich der Interaktion aufgefallen waren (vgl. S.11) - nämlich die markanten räumlichen und zeitlichen Muster auch in die Definition einfachster Gruppentänze integriert. Indem hier das Moment der Interaktion so ins Zentrum der Analyse gestellt wird, sind es nicht mehr die absoluten Ausrichtungen der Organismen im Raum und auch nicht mehr deren individuelle Rhythmik die interessieren, sondern vielmehr KOORDINATION der Orientierung und SYNCHRONISATION der Rhythmen *). Im `Ko-' und `Syn-' wird der Charakter des Zusammen noch einmal unterstrichen. Die hier erreichte GEMEINSAMKEIT DES VERHALTENS dürfte mit eine der Wurzeln des Sozialen sein.
*Es ergeben sich hieraus sogleich Fragen zurück an die sogenannten Tiertänze: Inwiefern handelt es sich bei den, uns als synchron erscheinenden, Bewegungen um Synchronie im hiesigen Sinne? Welche anderen Formen von Synchronisierungen sind denkbar? Lassen sich Entwicklungslinien feststellen, etc.? (vgl. DFG-Antrag Rhythmus" SCHLEIDT,M.) Auch die `Koordination der Orientierung' wäre abzugrenzen vom Schwarmverhalten und ähnlichen Phänomenen. Beide Elemente eignen sich vorzüglich als TERTIUM COMPARATIONIS.
DIE GELOCKERT-GEBUNDENE AUFMERKSAMKEIT ALS GRUNDLAGE DER KOMMUNIKATION
Über die Auffälligkeit räumlich-zeitlicher Situationen in der Ritualisierung wurde die Frage aufgeworfen, wie in einfachen menschlichen Tänzen mit den Elementen von Raum und Zeit umgegangen wird. Es wurde deutlich, daß in der Koordination der Orientierung und in der Synchronisation der Rhythmen ein, die Gruppe verbindendes Netz entworfen wird, welches regelt, wann welcher Organismus in welcher Orientierung wo zu sein hat. Dieses Netzwerk - früheste Form einer sozialen Norm (objektivation) - besteht nur solange, als die Teilnehmenden es im Tanzen aufrecht erhalten. Dazu müssen die Tanzenden aufeinander eingehen und zwar so, dass weder der errichtete Raum, noch die aufgebaute Zeit allzusehr ins Wanken geraten. Sie müssen also hörend- gestaltend den Puls des Tanzgeschehens miterhalten und sehend-bewegend die Raumformen kontrollieren.
Mit anderen Worten, es genügt nicht, einmal hinzusehen und zu hören, es muss jeweils auf Veränderungen der Gruppe eingegangen werden; die Aufmerksamkeit muss also immer wieder auf die Tanzenden zurückkehren. Nun war gerade das Aufmerksamkeiterregen eine der zentralen Funktionen der Ritualisierungen, so daß dem Thema Aufmerksamkeit hier noch etwas Raum gegeben wird.
Die Aufmerksamkeit wird von E. MINKOWSKI (19672 ) in einer brillanten phänomenologischen Analyse beschrieben als jenes Moment, wo der aufmerkende Organismus einen Augenblick innehält und dies gilt sowohl für die Ebene des Wahrnehmens als auch für die Ebene des Denkens, die sich somit in diesem Phänomen des Anhaltens treffen *): Lorsque je perois un objet, je m'arrete, en regard de la vie qui n'est que penetration, mouvement, dynamisme, a cet objet, et en m'y arretant je l'isole comme d'une masse uniforme dont il fait partie ... L'attention s'apparente ainsi tout naturellement aux phenomenes de la perception et de la pensee." (91)
*) Noch einmal ist hier an die Ambiguität des Aesthetikbegriffs zu erinnern. Gerade beim Rezipieren von Kunstwerken lässt sich deutlich aufweisen, wie das An- und Innehalten zunächst eines der Wahrnehmung ist um sich dann ins Denken zu verlängern:" ...daß der Blick unter dem, was ist, in Bild sich verwandelt." (ADORNO,Th.W. 1970:488)
Einfachste Form der Aufmerksamkeit ist somit jenes Anhalten der Wahrnehmung, das aus dem fliessenden Leben ein Element isolierend herausstanzt. Solch einfaches Anhalten oder Innehalten der Wahrnehmung wird in der Tierwelt oft provoziert, indem diese im Kontinuum der Natur markante Signale setzt. Mit solchen Signalen wird Aufmerksamkeit konzentriert. Sie provozieren den `angesprochenen' Partner, seine Sinne auf jenes Signal hin auszurichten. Die Signale binden somit die Aufmerksamkeitsenergie - aber was nun? Ewig kann ja der `angesprochene' Organismus nicht innehalten. Auch wenn das den Fluss der Bewegung unterbrechende Anhalten dem Beobachter am meisten auffällt, so ist natürlich nicht dieses Erstarren zwischen Signalaussender und Ausgerichtetem das Ziel der Signale. Signale haben zugleich mit der Wirkung des Aufmerksamkeitserregens eine Auslöserfunktion (vgl. SCHENKELW R-1943 /LORENZ, K. 1951b). Man kann hier von einer.Form der Kommunikation sprechen. Allerdings ist diese bloss punktuell, indem auf eine Mitteilung gleich eine Reaktion erfolgt: eine Art Kurzschlusskommunikation. Das Anhalten hat keine Dauer. Indem es eine Reaktion auslöst, ist es schon erledigt. Es bleibt keine Zeit, um wirklich hinzuschauen. Die Kontinuität, die wesentlich wäre für die Ermöglichung intensiverer Kommunikation kann hier gar nicht aufgebaut werden, da sie durch das Signal-Reaktions-Verhalten vorzeitig zerrissen wird. Anstatt daß der angesprochene Partner sich weiter auf den Signalgeber ausrichten kann, löst das Signal in ihm eine Reaktion aus, so daß das Anhalten in Handlung umschlägt. Zieht diese Handlung die Aufmerksamkeit vom Signalgeber weg auf sie selbst, so ist sie aus der Perspektive der Kommunikation eine Endreaktion, die die ausrichtende Konzentration auf den Partner abschliesst.
Um eine Kommunikation aufzubauen, die mehr als bloss eine solche Endreaktion provoziert, muss die ausrichtende Energie aufrecht erhalten werden, ohne zu erstarren oder in Handlung umzuschlagen. Es muss eine Art bewegliche Kohäsion zwischen den Beteiligten geschaffen werden. Die Aufmerksamkeit ist dann nicht mehr stures Konzentriertsein, sondern ein elastisches Band zwischen den Partnern.
Also nicht eine starre Fixation, sondern ein immer wieder zurückkehrendes Aufmerken, das zwischendurch gelockert wird: GELOCKERT-GEBUNDENE AUFMERKSAMKEIT *"Elle doit - et qu'on me passe encore cette image - pour subsister et vivre, comporter d'une facon continue, de très fins mouvements oscillatoires de distraction." (MINKOWSKI, E. 1967,95) .
Da diese Studie von der Aufmerksamkeit handelt, die auf Lebewesen ausgerichtet ist, sind zwei Lockerungsmöglichkeiten denkbar: Entweder der Sender unterbricht oder variiert seine Signale, oder der Empfänger entwickelt Taktiken, kurzfristig aus dem Bann der Signale auszubrechen. Beim Hin und Her der tanzähnlichen Bewegungsweisen in den Ritualisierungen werden die Elemente von Lockerung und Bindung so kombiniert, daß ein Signal vom Sender A den Empfänger B ausrichtet und ihn gleichzeitig so reagieren lässt, daß seine Reaktion zum Signal für den ursprünglichen Sender A wird. So wird A jetzt zum Empfänger, der wiederum signalartig reagiert, um so B´s Aufmerksamkeit erneut zu erregen usw. Die GELOCKERT-GEBUNDENE AUFMERKSAMKEIT, die die Organismen immer wieder ausrichtend konzentriert, ohne daß diese dabei erstarren, bindet die Beteiligten so lange aneinander, als sie sich gegenseitig immer wieder mit Signalen zu packen vermögen.
Dadurch ist das Aufmerksamkeitserregen mit nachfolgender Endreaktion abgelöst durch eine gelockert-qebundene Aufmerksamkeit. An die Stelle der Endreaktion treten jetzt Reaktionen mit Signalcharakter, so daß die Endreaktion hinausgeschoben wird. Diese Verzögerung, der Hiatus zwischen Reiz und Endreaktion, unterbricht die kurzgeschlossene Kette zwischen auslösendem Muster und unmittelbarer Reaktion und lässt so eine ganz spezifische Zeit entstehen. Eine Zeit, in welcher die Partner aufeinander ausgerichtet bleiben: Zeit füreinander.
Aus der punktuellen Kommunikation des Signales erwächst langsam die Möglichkeit einer linearen Kommunikation.
Linear in dem Sinne, daß ein Richtstrahl aufgebaut wird, in welchem die Kommunikationselemente auftauchen werden; die Elemente werden ortbar, haben einen Platz und werden dort schon erwartet. Sie müssen nicht mehr selber die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, sondern können nur noch mitteilen. Die Versammlung der Aufmerksamkeit wird durch den Richtstrahl geschaffen; er kennzeichnet die Linie, die Orte, an welchen Mitteilung für die beteiligten Partner stattfinden wird. Damit ist jenes Netz aufgebaut, das die Beteiligten verbindet und so durch die Konzentration der Aufmerksamkeit das Sich-Mitteilen erst sinnvoll macht *). Erst jetzt sind die ausgesendeten Zeichen lesbar als `Zeichen für jemand' indem die betroffenen Partner zusammengehalten sind durch jenes Netz, den TRÄGER DER KOMMUNIKATION *
*Wieviel Energie das Konzentrieren der Aufmerksamkeit auch dem Menschen abringt, ist am besten in relativ unstrukturierten Diskussionsgruppen (etwa Marienplatz-Gespräche) zu beobachten, wo massive verbale aber auch körperliche Gesten eingesetzt werden, um die Zuschauer/ -hörer im Griff zu behalten.
**) Die meisten mir bekannten Theorien über Kommunikation setzen dort an, wo Kommunikation - in jenem Sinn des Zusammenbindens der Partner - schon längst hergestellt ist. Sie beschäftigen sich eigentlich mit dem Problem des Transfers von Inhalten. .
Im menschlichen Tanz wurde das Netz fassbar als veräusserte, greifbar gewordene Raum-Zeit-Struktur. In der befestigten Räumlichkeit des Tanzes und in seiner fliessend-gesicherten Zeit. sind nicht nur die Organismen, sondern eben auch ihre Aufmerksamkeiten gebunden. Die Raum-Zeit-Struktur ist Konkretisation der kontinuisierten Aufmerksamkeit. In ihr ist wohl zum erstenmal in der Natur systematische Permanenz des Anhaltens realisiert.
Die im Tanzgeschehen aufgebaute gelockert-gebundene Aufmerksamkeit wird über die Gruppe stabilisiert, so daß die anfänglich aufgewendete Energie zur Koordination und Synchronisation des Verhaltens nun frei wird zum Schauen. Es ist denkbar, daß hier Anfänge des Gegenstands- und Selbstbewusstseins mitverankert sind, da die freigesetzte Energie der Tanzenden zunächst eine gewisse Spiegelung seiner selbst entdeckt. Der Tanzende ist ja derart ausgerichtet, daß der im Blickfeld liegende Interaktionspartner als Gegenständiger auffällig wird (Objektbewusstsein) und womöglich in der Spiegelung seiner Bewegungen ihn auf sich selbst zurückwirft (Selbstbewusstsein). Damit ist ein Weg skizziert von der punktuellen Kommunikation im Signal über die ritualisierte bis zur linearen Kommunikation, die schliesslich Energie freisetzt, die den Anfang der Trennung von ICH und WELT, SUBJEKT und OBJEKT ermöglicht. Vorläufig eine wilde Hypothese; immerhin aber erlaubt sie recht konkrete Fragestellungen besonders an die Ethologie sowie an die Ontogenese des Menschen.
Auch wenn man diesen zuletzt geschilderten, gewagten hypothetischen Schritt in die evolutionäre Erkenntnistheorie nicht mitmachen will, so bleibt doch die Tatsache, dass die in der Ritualisierung sich ankündende Gestaltung von Raum und Zeit im menschlichen Tanz voll zur Geltung kommt. Die in ihm aufgebaute Raum-Zeit-Struktur könnte - so wurde zu zeigen versucht - im Dienst der Kommunikation stehen und zwar so, daß sie die Bedingungen zur Möglichkeit von Kommunikation erst schafft. Erst indem Aufmerksamkeit kontinuierlich versammmelt ist, wird Mitteilung sinnvoll. Dazu muss man sich im HERAKLITEISCHEN koinos kosmos bewegen: In einer gemeinsamen Zeit und in einem gemeinsamen Raum. Dies gilt, so soll im Abschlusskapitel gezeigt werden, auch für die theatralische Mitteilung.
ASSOZIATIONEN IN RICHTUNG PERFORMANCE ARTS
Anhand dieser Reflexionen über den Tanz lassen sich weder dramaturgische Probleme besser verstehen, noch wird die Arbeit des Schauspielers (daraus) erhellt. Wir sind mit unseren Gedanken in einer Zone des Theatralischen, die noch ohne Bühne und Zuschauer arbeitet, und wo es noch keinen geschriebenen Text zu spielen gilt. So soll jetzt auch nicht mehr vom Theater, das die Sprachempfindsamen wegen der Herkunft des Wortes (Thea=das Anschauen/Schau) durch den Zuschauer und das Sehen definieren wollen, die Rede sein, sondern vom englischen Stichwort des Kongresses, das mehr Interpretationsmöglichkeiten offen lässt: Performance Arts.
Welcher Art sind also die Zusammenhänge zwischen den Performance Arts und solchen ethologischen Tanzgedanken? Bleiben wir zunächst noch einmal beim Tanz: Unser Tanzbeispiel wurde gleichsam von innen analy siert; von den Tanzenden her. Der Tanz wird damit nicht als Werk gesehen, das auf einer Bühne für ein Publikum vorgeführt wird, sondern als ein zu vollziehender Akt, eben als ein Verhalten *).
*)Hier ist an den Aufsatz `Theorien über den Ursprung der Kunst' zu erinnern, in welchem Th.W. ADORNO zum kernigen Satz kommt: ..Fraglos aber hebt Kunst nicht mit Werken an ...",um dann von aesthetischer Verhaltensweise, früher als alle Objektivation..." zu sprechen (1970,487). Die Analyse einfacher Tanzformen scheint für Reflexionen um den Begriff der aesthetischen Verhaltensweise m.E. nicht ungeeignet zu sein, da in ihr eine frühe Form der Objektivation (im Sinne Nicolai HARTMANNs)war, da sie das Aesthetische im sozialen Kontext fassen muss; da sie von der Aktivität des Rezipienten ausgehen muss und da sie evolutionäre Perspektiven zu anderen, im Dienste der Kommunikation stehenden, Verhaltensformen eröffnen.
Nun war ja aber gerade der Bezug zu einem Partner einer der Schwerpunkte für die Ritualisierung, an deren Leitfaden ja die Tanzanalyse vollzogen wurde (vgl. p. 8 ). Und in der Tat sind ja auch Tänze meist Tänze für jemanden. Aber dieser Jemand braucht nicht immobilisierter Zuschauer zu sein, er kann in verschiedenen Formen teilnehmen am Geschehen. Er kann zum Beispiel als Tanzender auch Zuschauer sein, kann gleichzeitig Angetanzter und Antanzer sein. Dies ist also unsere Ausgangssituation: Der Tanz wird von allen getragen; die Teilnehmer sind zugleich Schöpfer, Werk und Rezipienten des Geschehens. Sie haben es zusammen im Griff, müssen als Zuschauer die Aufführung gestalten: Partizipation in einem sehr ursprünglichen Sinn.
Im Grashüpfertanz der !Ko-Männer wird diese Gleichzeitigkeit von Akteur, Werk und Zuschauer schön fassbar: Im Zentrum tanzt der Mann, den es zu überspringen gilt, in möglichst variationsreichen Formen. Er und seine laufend wechselnden Partner stehen im Fokus der Aktion. Die im Halbkreis darum herumstehenden Tänzer stampfen den Grundpuls und erhalten so den zeitlichen Raster, innerhalb dessen die Zentrumstänzer reiche Variationen gestalten. Ohne selber immer im Zentrum der Aktion zu stehen, garantieren hier die teilnehmenden Tänzer den Grundrhythmus und erhalten damit nicht nur das ganze Geschehen aufrecht, sie sind selber auch dieses Geschehen und sind mit ihm innigst verbunden.
Könnte es nicht sein - hier wage ich als Aussenstehender eine Frage an die Sprachforscher -, dass der vieldiskutierte Methexis-Begriff urspünglich Teilhabe in einem solch einfachen Sinn meinte*)?
*) Dass der eng mit der Methexis verbundene Mimesis-Begriff aus dem Bereich des Tanzes stammt wurde sowohl von Jane HARRISON (1913) als auch von Hermann KOLLER (1954) gesehen; wobei erst letzterer das beweisende Material zusammentrug (vgl. WEIDLE, Wladimir 1962).
Bei diesen Kunstformen, die nur leben können, solange alle Teilnehmer sie schöpfen und stützen, gibt es keine Zuschauer, die in die vielbeweinte passive Rezeptivität verfallen könnten. Denn, wer den Raum und die Zeit des Tanzes verlässt, ist draussen, hat nicht mehr teil an der gemeinsamen Welt (HERAKLIT's koinos kosmos) der Tanzenden. Zwar wird die Teilnahme oft auf ein absolutes Minimum beschränkt, eben zum Beispiel auf jenes Stampfen und/oder Klatschen des Grundpulses diesseits aller Variation, so dass gleichzeitig Gespräche über tanzferne Gegenstände möglich sind; aber ganz aussteigen aus dem Puls und dem Ort des Geschehens kann man nicht. Es gibt zwar viele verschiedene Intensitätsgrade des Mitmachens; aber wer die Zeit und den Raum des Tanzes verlässt, hat jene Kommunikation aufgegeben, die ein Gestalten des gemeinsamen Prozesses ermöglichen.
So wird an diesem einfachen Modell des Tanzes ein qualitativer Sprung in der Kommunikation sehr deutlich fassbar, jener nämlich von der taktil-plastischen, wo jede Bewegung etwas bewirkt, zu der optisch-distanzierten, wo der Zuschauer nicht mehr bewegt wird, weil er ausgestiegen ist. Die Performance Arts wollen, so scheint mir, die erste Form der Kommunikation wieder beleben, denn dem Theater scheint diese grundlegende Verbindung zum Zuschauer vor lauter Sprache und Handlung entglitten zu sein. Man schüttelt und rüttelt zwar dorten allenthalben den Zuschauer, aber man gibt ihm selten eine wirkliche Chance sich zu bewegen. Man wünscht sich zwar den Zuschauer partizipierend, schickt ihn aber, bevor der Angstschweiss sich in Lust verwandeln kann, wieder runter von der Bühne in jene andere Zone des Hauses, wo er still zu sein hat.
Performances haben die Chance, diesseits von Sprache und Handlung, jene verlorengegangene Kommunikation*
*) Nicht nur das Theater, auch andere Kunstformen beklagen diesen Verlust eines vitalen Kontaktes zwischen den Beteiligten und so sucht man seit der Jahrhundertwende nach Auswegen (vgl. Walter BENJAMIN, 1963 Walter SIEGFRIED, 1982) neu zu suchen. Eine schwierige Aufgabe, da unsere ganze kulturelle Tradition mit ihren Häusern, ihren Spielzeiten, ihrem Festhalten am Zuschauer usw. so einer Haltung entgegensteht. Es gibt gewiss keine Rezepte, um diese Aufgabe zu lösen, aber es lassen sich einige Assoziationen aus unserer Reflexion über den Tanz, der ja im Dienste solch bindender Kommunikation gesehen werden kann, formulieren.
Der Tanz, so hiess es, baue sich eine, die Tanzenden verbindende RAUM-ZEIT-STRUKTUR auf. Das gemeinsa me Aufgehobensein in ihr würde, so wurde angenommen, einmal die Aufmerksamkeit konzentrieren, dann eine gewisse Kontinuität garantieren und schliesslich dadurch eine Basis für die Kommunikation schaffen. Wollte man also jene Plastizität der Kommunikation erreichen, müsste man solch verbindende Raum-Zeit-Strukturen schaffen.
Es müsste also eine Gemeinsamkeit der Zeit kreiert werden zwischen den Teilnehmern einer Performance. Dazu reicht der Gong, das dreifache Klopfen jenes unheilvollen Stockes, der den LULLY ins Grab gebracht hat, oder was immer es sei, das den Anfang eines Stückes markieren soll, nicht mehr aus. Gemeinsamkeit der Zeit muss wieder empfunden werden können und dazu muss es wohl wieder gelernt werden. Dies kann im simplen tänzerischen Sinn sein, oder aber im kosmischen Sinn, indem die Teilnehmenden sich in einem gemeinsam akzeptierten Puls der Welt synchronisieren. Dieses Schaffen einer Zeit kann schliesslich auch ausgeweitet werden im Sinne, dass dann die Performance stattfindet, wenn die Zeit reif ist - wie etwa bei den Trancetänzen der !Ko.
Wir kennen kaum mehr die Faszination eines gemeinsam aufgebauten Rhythmus und dessen Beschleunigung und Verlangsamung, weil wir diese Gestaltung an die Musik oder, noch extremer, an die Technik delegiert haben. Im letzeren Falle sind wir synchronisiert vom äusseren Apparat, er provoziert das Zusammen; wir kommunizieren nicht, wir werden kommuniziert.. Wenigstens kann man diese Art selbstgebauter Zeit individuell wieder lernen und erfahren, was wohl bei den erwähnten kosmischen Rhythmen schwieriger sein dürfte - da ist irgendwie das technische Gestell zu dicht geworden. Jedenfalls ist mir seltsam zumute, wenn ich als Westeuropäer solche Worte in den Mund nehme, mir scheint, mir fehlt die Kultur solcher Zeit. Was schliesslich das Reifsein der Zeit für die Performance betrifft, so sind wohl bei uns bloss intensive Wohngemeinschaften wieder fähig, so etwas wie die Zeit und den Puls einer Gruppe zu erleben und zu gestalten. Der arme Rest ist wochenendgeschaltet.
Die andere Gruppe der Assoziationen kreist um das Thema des Raumes. Hier müsste also eine neue Gemeinsamkeit des Raumes entworfen werden um jene gesuchte Kommunikation wieder zu erreichen. Drei grundlegende Verhältnisse des Tanzes zum Raum fallen auf. Erstens der Tanz durch den Raum hindurch, bei welchem prozessionsartig der Raum durchschnitten wird, wobei allenfalls an speziell markanten Punkten ein intensiveres tänzerisches Geschehen entfaltet wird. Zweitens, der Tanz im Raum, bei welchem räumliche Fixpunkte, etwa der Ort des Sonnenaufganges, die Tanzenden ausrichten. Eine Art kosmischer Tanz, dessen Orientierungspunkte durch die jeweiligen `Weltordnungen' gegeben sind. Und schliesslich drittens, der raumschaffende Tanz, bei welchem durch die gegenseitige Ausrichtung der Tanzenden ein eigener Raum entsteht, der sich als Tanzraum vom Aussenraum abhebt. Hier wurde vor allem von dieser dritten Form gehandelt, weil sie am meisten mit der ethologischen Fragestellung zu tun hat. Sie kann als architektonische Urform verstanden werden, indem sie zunächst Platz schafft und dann aus dieser Leere des Platzes durch geordnete Bewegung und Orientierung der tanzenden Organismen eine Raumform stabilisiert: aus der Dynamik entwickelte Statik, früheste Objektivation aus einer Bewegung, oder, um bei einem alten Topos zu bleiben, Architektur als Bewequngsspur oder `Gefrorene Musik' (GOETHE,J.W. Eckermanns Gespräche BD.II, S.88 oder VALERY, P. 1944:35ff.). Einfache Gruppentänze, wie etwa der hier vorgestellte, veranschaulichen am besten solche dynamische Stabilisierungen eines selbstgeschaffenen Raumes . Manchmal bildet die betanzte Materie eine Signatur solchen Raumschaffens. Solche Signaturen sind ungewollte Anfänge von Bauten für den Tanz.
Oft werden sie dann bewusst gesetzt als Marken für den Tanzraum *)So berichtet Frau Suzanne Perrottet anlässlich ihres 80 sten Geburtstages im Rathaus in Zürich, dass sie in der freien Natur auf dem Monte Veritä tanzend das Gefühl hatte, die Orientierung zu verlieren, und sich gegenüber der Natur nicht mehr behaupten zu können. Um ihr zu helfen sagte Rudolf von Laban, man solle Steine holen und mit ihnen eine Tanzfläche abgrenzen. Jetzt konnte sie tanzen. Besonders häufig sind zentrale Objekte, wie etwa 'die letzte Garbe', ein Feuer, ein Baum, Stangen als Maibäume usw., die dann umtanzt werden. Aber auch Begrenzungen nach aussen kommen vor oder komplexere bewegungsführende Elemente, wie z.B. das Labyrinth (KERN,H. 1982). Zwar kann man hier noch nicht von eigentlichen Tanzbauten sprechen, dafür wird in diesem Urzustand deutlich, wie Gebautes aus einer Bewegung heraus entsteht, dann aber als dastehendes Objekt die Bewegung auch wiederum zwingt. Dies gilt dann auch für die eigentlichen Tanzbauten, die gleichsam das verlängerte Resultat des raumschaffenden Tanzes sind. Indem man so dem Tanz seinen jeweiligen Bau gibt - sei das nun die Tanzlinde, der Rathaussaal, das Opernhaus oder die Discothek - legt man ihn fest in einen bestimmten Kontext, von Religion über Recht bis zum puren Kommerz, gibt ihm seinen Ort und grenzt ihn damit aus dem Alltagsleben aus. Damit wird den Alltagsräumen sehr viel vitale organische Substanz des raumschöpferischen Potentials entzogen. Zudem verhindern aber solche Bauten auch die zwei erstgenannten Verhältnisse des Tanzes zum Raum:
Den Tanz durch den Raum hindurch und den kosmischen Tanz. Die Performance könnte diese Formen neu nutzen und so die kommunikativen Möglichkeiten einer gemeinsamen Räumlichkeit ausschöpfen. Zunächst aber wird es wohl darum gehen, die Bauten für den Spektakel zu vergessen, um die räumlich-plastische Gestaltungskraft aller Beteiligten freizusetzen.
Es wurde in diesem letzten Abschnitt versucht, die zwei Hauptelemente der in diesem Text vorgeschlagenen Tanzdefinition: das Kreieren eines gemeinsamen Raumes und einer gemeinsamen Zeit, dem eine grundlegende kommunikative Wirkung zugedacht wird, auf die Performance Arts assoziativ zu übertragen. was dabei in diesem Text so linear von Ethologie über Tanz schliesslich bei den Performance Arts anlangt, entspricht natürlich mitnichten den Mäandern des Denkens, das gerade für diesen Text oft den umgekehrten Weg ging, nämlich vom aktiven Theaterspielen, bei dem etwas auffiel, das dann zurück auf die Ethologie verwies.
Dass die Konsequenzen dieses Denkens nicht völlig neben der jetzigen Praxis liegen,könnte an mehreren Beispielen gezeigt werden, an Beispielen, die in je eigener Weise die geschilderte Gemeinsamkeit von Zeit und Raum umsetzen. Drei Stellvertreter: Jean Philippe THOMASSON saet in seiner Heimat eine riesige Frau ins Kornfeld. Er erntet mit dem ganzen Dorf, man weiss woher das Korn kommt: vom Bein, von der Brust ... und jedem Teil werden bestimmte Qualitäten und auch Erdteile zugeordnet. Später wird in grossem Ritual im nahegelegenen Kalkwerk ein symbolischer Teil der Frau an den entsprechenden Erdteil übergeben. Für Japan sind zwei Tänzer der Sankai juku gekommen, um an der Übergabe des Kopfes an Asien teilzunehmen. Die verschenkten Teile der Frau sollen in den Kontinenten neu gesät werden und dann über Satelliten in die Dordogne - den Geburtsort - zurückprojiziert werden.
R.Murray SCHAFER schreibt schon 1966 in seinem The Theater of Confluence", dass es möglich sein sollte eine Kunstform zu entwickeln, die völlig ohne Zuschauer auskommen würde und ergänzt 1972, daß `In Search of Zoroaster" mit 180 Menschen arbeitet, ohne jegliches Publikum. Es sei eine Art Initiationszeremonie in Richtung dieses neuen Kunstrituales. Am Theaterfestival von Toronto im Sommer 1983 hat er dann schliesslich eine solche Initiationszeremonie realisiert, allerdings jetzt um das ägyptische Thema von RA".
Efthymios WARLAMIS hat bei seinen Erforschungen der anonymen Architektur angefangen, Methoden einzusetzen, die dem hier vorgestellten Umgang mit Raum und Zeit nahestehen. Was sonst eher auf der Bühne geschieht, wird hier in Landschafts- und Stadträume integriert,um so neue Erfahrungsmöglichkeiten auszuloten. So werden Lichtprotokolle einer Landschaft erstellt; Terrain wird durch Signale markiert, so daß topographische Situationen und Verhältnisse ablesbar werden; Musikexperimente erschliessen die akustischen Qualitäten des Untersuchungsgebietes; in einer SPACE OPERA wird auf die Ruinen einer antiken Stätte eingegangen, indem auf architektonische Elemente reagiert wird mit dem Einbringen der eigenen Person:"Wir haben es gewagt, in subtilen entfunktionalisierten Räumen operativ-kreativ, aber gleichzeitig sanft, subjektiv und emotionell vorzugehen." (WARLAMIS,E. 1981:33)
In allen drei Beispielen geht es um die Integration künstlerischer Momente in den Alltag oder von alltäglichen Momenten in die Kunst. Natürlich wird diese Fusion nie gelingen - schon gar nicht für alle. Dies ist jedoch kein Grund, nicht alle Energie dafür einzusetzen, möglichst viele möglichst oft die Flügelchen am Erdenklumpen erleben zu lassen.
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