NINI FLICK
LESERBRIEF EINER INVOLVIERTEN BEOBACHTERIN

Performancekunst ist schwer bei ihrem eigentlichen Namen zu nennen, da sie ersten Grades dem Ursprung aller menschl. Kommunikation entstammt (wie mache ich das, daß du weißt, daß mir die Worte fehlen, sobald etwas unglaublich Wahrhaftes geschieht?) und so wie keine andere Kunstrichtung wiedergefunden statt er-funden und daraufhin gemacht oder gelassen wird. Sie ist die Ausgeburt eines basischen Knotenpunktes unseres Vorhandenseins, auf den Jedermann zugehen kann (ob zufällig, bewußt oder gewollt: Egal.). Ihre Kunstqualität festzuhalten kommt der Versuchung gleich, eine Mondfinsternis vom Himmel zu holen (die Letzte fand außerdem in der Nacht vom 3ten auf den 4ten April statt. Um ca. 0 Uhr verschwand der Mond vollständig im Schatten der Sonne) und zuhause ins Regal zu stellen (sicherlich wird gerade jetzt an der Bewerkstelligung eines solchen Unterfangen gearbeitet). Etablierung der Performance ist ganz bestimmt nur bedingt möglich, da organisiert-provozierte Aufmerksamkeit auf manche ihrer Spielarten tötlich wirkt (stelle Dich auf ein Bahngleis und brülle kurz bevor ein Zug einfährt "HUCH! DA LIEGEN JA EINTAUSEND D-MARK!".. Nun versuche ähnlich zwiespältige Gefühle anwesender BeobachterInnen in einer frischgetünchten Kulturstätte zu erzeugen.) In der Verhaltensforschung ist dieses Problem schon lange bekannt und hat dazu geführt, daß weit gereist, über Berge geklettert, unberührte Orte durchwandert und nach natürlichen, von der Zivilisation unbeeinflussten menschl. Potential (Trüffel im fortschrittlichen Zeitalter) gesucht wurde, das auf eine provozierte Aufforderung (z.B. Gruß) einfach artspezifisch reagiert. Sogar hierbei stellte sich heraus, daß man auf einem trickreichen Einfall nicht verzichten kann, da die direkt auf das Objekt der Wissensbegierde gerichtete Kamera die Reaktion des betreffenden Menschen verfälscht und in eine einseitige (künstliche) Richtung gelenkt wiedergibt. Wenn in solchen Fällen z.B. ein um-90-grad-gedrehtes Objektiv auf die Kamera gesetzt wird, um das Gefühl des "In-der-Schußlinie-stehens" zu vermeiden, kann man sich ausmalen, wie schwer ein wirklich offenes, experimentierfreudiges Forum für lebendig-wachsende künstlerische Ideen inmitten einer doch so logisch und abgeschlossen durchorganisiert erscheinenden Welt herzustellen ist, besonders wenn es nütze sein soll, gerade diese Heilheit aufzubrechen, aufzuarbeiten und auszuwringen, um die Bereitschaft zum Eigentlichen, wenn überhaupt Gegenwärtigen herbeizuwünschen (das Schlußwort Oswald Wieners in "der Verbesserung Mitteleuropas" halte ich für ein bewundernswert ehrliches Geständnis, wie ich es von noch keinem Autor zuvor gelesen habe. ). Zu schnell, zu verlockend, zu menschlich und zu nützlich erscheint dabei die MögIichkeit, zu übersehen, was für eine Offenheit, Wachsamkeit, Konzentration und Mißachtung des Egos im gleichen Atemzuge dafür erforderlich ist, um nicht in reiner Organisation der Organisation Willen (das Medium ist die Botschaft?), reiner Tat der Tat Willen(die Botschaft ist das Medium?), reiner Rede der Rede Willen zu verfallen, sich z.B. in der nostalgischen Idee des Manifestes zu verrennen, es von seiner sekundären Grundlage in eine Primäre zu drängen und die ganze Angelegenheit einmal mehr in den Sarg der Institutionen für materielle Überlebenstackticken fallen zu lassen (die schaffen es immer wieder, unverständlich gewordene Zusammenhänge mit Wichtigkeit zu schwängern und für mehr als genügend Existenzberechtigung ihres zuvor simplen Vorhandenseins zu sorgen.) Das Interessante an der Performance ist, daß sie wie keine andere Kulturerscheinung Ameropas (Begriff erstmals als Name einer ernstzunehmenden Reisegesellschaft entdeckt) von allen Involvierten (Anwesenden, Betrachtern, Reagierenden, Künstlern usw.) abhängig und wandelbar ist und daß sie in ihren Eigenschaften des Umganges mit ihr nicht eingefangen und dingfest gemacht werden kann (sobald Resultate künstl./wissenschaftl. Ideen ein Nutzen für alltägliche Bequemlichkeiten in sich tragen, arbeiten sie gegen ihren eigentlichen Entstehungsgrund, verjagen mit ihrer angewandten Präsenz jegliche Phantasie und sind in Geschäften oder Fachgeschäften käuflich zu erwerben.) Die Tatsache, daß man Performances gerade nicht ersteigern, ein- und auspacken und für einen festgelegten Zeitraum an ein und dieselbe (als passend beurteilte) Stelle an ein und denselben (stabilen) Nagel hängen kann, macht ihre Fruchtbarkeit und meine Neugierde aus. Es wird im höchsten Maße deutlich, daß Kultur davon lebt, bemerkt, gebraucht und benutzt zu werden (die Benutzung kann sehr unterschiedlich geartet sein), daß sie gehört, gelesen, gesehen, gefasst und berührt wird. Berührung ist dabei unausweichlich, macht den Spannungspunkt der Performance aus (wie kann man die Erfahrung einer Berührung weitergeben, ohne sie zu realisieren?) und ist meines Erachtens der einzige Fingerzeig, der richtig liegen könnte, wenn er denn in die Zukunft weisen soll. Da jedoch auf unseren Planeten schon fast alles berührt wurde (zumindest wird dies fleißig behauptet), ist es schwierig ein Ding zu finden, daß so unberührt zu sein scheint, um aufrichtige und widerspenstige Aufmerksamkeit zu erregen.
Die nachwachsende Generation Y (die ich außerdem für genauso romantisch, nachdenklich, aufbrechend und revolutionär (Titanik, die Zeitschrift - nicht das Boot, lässt Fische mit Fahnen und Posaunen aus dem Wasser steigen und nimmt dem Wort das "R") halte, wie all die Vorhergegangenen auch wenn sie es mit allen Mitteln zu verschweigen sucht) lässt sich von dieser Tatsache immer mehr abschrecken und in einen apokalyptischen Schlaf wiegen. Daß sich dahinter jedoch die Lüge des Fortschrittes (Internet for Afrika) versteckt, wird spätestens dann klar, wenn man den Erkenntnisstand unserer Wissenschaft prüft. Wenn man die Dinge genauer betrachtet, dreht, wendet, betatscht und durchsucht, stellt sich doch immer wieder heraus, wie wenig man letztendlich von ihnen weiß. Den Austausch von Realitätsverhören neugieriger Menschen aus aller Welt (eventuell nicht erahnte Positionen und Perspektiven werden wahr) im Rahmen der Kultur auf ein Maximum zu steigem wäre eine für mich absolut einleuchtende Aufgabe (z.B.die einer umfassenden Performance Konferenz). Gerade da sich derweilen alles auf die ersehnte Entmaterialisierung vorbereitet, ist eine körperliche Anwesenheit und Bereitschaft kultureller Trageakte (gesprochen wird im Allgemeinen von Kulturträgern) von spannender, folgenschwerer und vielversprechender Bedeutung. Theoretisches Beiwerk mag (solange man den Worten traut) bei der Umsetzung dieses Planes für Verständnis sorgen, kann jedoch auch das Gegenteil erreichen und eine neue Verbündung von sich in höchstqualifizierter Isolation (wir laden uns von einer Veranstaltung zur anderen und fordern alle Schwager und Schwippschwägerinnen auf, das Codewort zu sprechen, damit sie in die Familie aufgenommen werden können) weidenden Experten gebären. Solche Verbündungen erzeugen Kraft, schließen jedoch ebenfalls die Türe vor dem Teil (in diesem Teil vermute ich außerdem das Versteck vieler junger Künstler) der Welt, der nicht bereit ist, sich unvoreingenommen zu wundern und zu jubeln, zu klatschen. Im Grunde handelt es sich beim Unternehmen "Performance Konferenz" hoffentlich nicht einzig und allein um den unerbittlichen Versuch, eine Kunstform aus dem Schatten ihrer Finanzen-fördernden Geschwister zu locken, um ihre Vollstrecker zu bereichern, sondern um ein Weiterentwickeln unserer Ausgangssituation. Performance ist das jüngste Baby künstlerischer Experimente und beinhaltet weitere Alternativen. Mehr Aufmerksamkeit auf sie zu lenken, bedeutet den Versuch, aufzubauen, weiterzukommen. Dies kann nur geschehen, wenn ihren Interessenten (sämtlicher Altersgruppen und Länder) ein konstanter, offener Treffpunkt zur Verfügung steht. Meiner Meinung nach könnte sich daraus die Performancekunst auch ohne Weiteres im Fortlauf ihr eigenes Grab schaufeln und einen völlig anderen Kunstumgang entwickeln, ohne sich selbst dafür auch nur im Geringsten zu beweinen, denn gewiss ist es Zeit, daß eine schon längst aus der Pubertät geratene Generation ihre eigene Beschaffenheit betrachtet und einmal weniger im User-, Käufer-, Konsumentenstadium des von der Industrie verarschten Säugetieres verweilt, gefangen bleibt, sondern das Lebendige aus sich herauslockt. Ansonsten bliebe da noch Wieners Bioadapter (als ausgeflippte Art der Endlösung), dessen Realisierung unterstützend abzuwarten und somit seinen hochgeschätzten Erfinder zu einem ordentlichen Kapitalertrag durch sämtliche Copy-rights zu verhelfen wäre (wasmachtermitdemgeld wasmachtermitdemgeld wasmachtermitdemmimamimamausegeld...).
Die Idee, das Leben zu rekultivieren gefällt mir sehr. Die Performance Konferenz ist ein guter Anfang. Drum stelle ich mich als Hilfskraft, Mitarbeiter, etc. für ihre Realisation in jeglicher mir möglich erscheinender Form zur Verfügung.


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