PETER WOLF
PIETRO PELLINI
PARZIFAL

PETER WOLF
DIE AURA EINER NEUEN GENERATION

Vortrag auf der 3. Performance Konferenz in Köln, 29. September 1996

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

"Die Aura einer neuen Generation"
ist das Thema dieses Vortrags und zugleich Titel eines künstlerisch-interdisziplinären Forschungsprojekts zum Jahrtausendwechsel. Als Leiter der LUDOM-Forschung, über die ich später noch sprechen werde, führe ich sie zuerst in die thematischen Grundlagen ein. "LUDOM" heißt übrigens rückwärts gelesen "MODUL". Doch da wir in eine andere als die gewohnte Richtung forschen, benutzen wir diesen Begriff spiegelverkehrt.

Wegweiser
Die einen werden diesen Titel als verheißungsvoll empfinden, die anderen als zynisch, wieder andere als anmaßend oder aber als Schaumschlägerei. Wenn dem wirklich so ist, erfüllt der Titel meine Intentionen.
Je nach Lebenseinstellung weckt der Slogan "Die Aura einer neuen Generation" Hoffnungen im Sinne von: "Ist die Welt doch noch zu retten?" und Neugier: "Wer sind die Hoffnungsträger?" Oder weckt Zweifel: "Es ist geht doch sowieso alles den Bach runter!" und Ärger: "Das ist doch wieder so ein Werbetrick!"
Und tatsächlich, dieser Titel könnte z.B. die Werbebotschaft der neuen BMW 7er-Modelle sein. Selbst TV-Geräte tragen heute den Namen "Aura". Viele andere "mystisch" und geheimnisvoll "magisch" befrachtete Begriffe werden heute in der Werbung verwendet, um Produkten eine immaterielle Qualität anzudichten. So wird versucht, die eigentlichen "wahren" Werte wie z.B. Zufriedenheit, Glücklichsein, Lebensfreude, Verbundenheit oder Selbstsicherheit, die bei unserer von wirtschaftlichen Interessen gelenkten funktionalen Lebensweise vernachlässigt werden, zu ersetzen durch künstliche Warenwerte. Also ein Titel, der sowohl menschlich-ursprüngliche Lebenswerte als auch deren Ausverkauf beinhaltet.

Begriffliches
Zuerst möchte ich einige wissenschaftliche Hinweise zu den Schlüsselbegriffen "Aura" und "Neue Generation" geben.

Die menschliche Aura ist bekanntermaßen ein immaterielles energetisches Phänomen und wird allgemein mit "Ausstrahlung" übersetzt. Der amerikanische Psychiater John C. Pierrakos, ein Schüler von Wilhelm Reich, beschäftigt sich seit mehr als 30 Jahren mit menschlichen, tierischen, pflanzlichen und kristallinen Energiefeldern und hat aufgrund seiner besonderen Fähigkeit, die Aura mit bloßem Auge wahrnehmen zu können, dabei eine diagnostische Methode entwickelt. Ich zitiere ihn aus dem Buch "Biophotonen - Das Licht in unseren Zellen": "Wenn jemand vor einem gleichmäßigen Hintergrund steht, der entweder sehr hell oder sehr dunkel ist, und wenn man es einrichtet, daß die Beleuchtung weich und gleichmäßig ist, dann kann man mit Hilfe von farbigen Filtern oder auch mit bloßem Auge ein erregendes Phänomen beobachten. Von den Umrissen des Körpers hebt sich eine wolkenhafte, blaugrüne Umhüllung ab, die bis auf etwa 60 Zentimeter bis 1,2 Meter Abstand hinausreicht, wo sie dann unbestimmt wird und sich in die Atmosphäre hinein auflöst. Diese Umhüllung leuchtet und wirft einen Schein auf die Körperumrisse, ähnlich wie die Strahlen der aufgehenden Sonne auf den Umriß eines dunklen Berges. Ein bis zwei Sekunden schwillt sie langsam an, vom Körper nach außen, bis sie ein fast perfektes Oval mit ausgefransten Rändern bildet. In dieser voll ausgebildeten Form verharrt sie etwa 1/4 Sekunde lang und verschwindet dann innerhalb von 1/5 bis 1/8 Sekunde vollständig. Sie bleibt etwa eine bis drei Sekunden verschwunden, bis sie wieder erscheint, um den beschriebenen Vorgang von vorne zu beginnen. Dieser rhythmisch pulsierende Prozeß wiederholt sich normalerweise bei einem ruhenden Menschen etwa 15- bis 25mal pro Minute." Pierrakos gibt weiterhin Hinweise auf 3 verschiedene auratische Schichten, die jeweils verschieden dick sind und unterschiedliche Farbigkeit, Transparenz und Leuchtkraft besitzen.

Generationen kommen und gehen. Sind angepaßt oder unangepaßt. Jeder von uns gehört mindestens einer Generation an. Generationen treten scheinbar linear nacheinander auf, grenzen sich scheinbar deutlich voneinander ab. Doch der Eindruck täuscht. Viele Generationen existieren gleichzeitig nebeneinander und überlagern sich.
Was macht eine "neue" Generation denn nun definitiv aus? Wird sie nur künstlich simuliert von Industrie und Werbung, die zwangsläufig immer bestrebt sein müssen, Bedürfnisse zu wecken oder gar zu schaffen, um zu leben und zu wachsen? Ist es der Zwang der Forscher, neue Erkenntnisse zu liefern und neue Erfindungen zu präsentieren? Ist es die Geilheit der Medien nach neuen Trends, dem Stoff, aus dem Auflagen und Einschaltquoten und Arbeitsplätze sind? Oder entwickelt sie sich zwangsläufig aus einer aktuellen gesellschaftlichen Krise und Notwendigkeit heraus, als Anpassung oder Gegenbewegung? Oder geht es einfach immer wieder darum, eine angemessene und produktive Haltung dem Leben gegenüber im jeweils zeitgenössischen Licht zu sehen? Das sind einige der elementaren Fragen, die sich in diesem Zusammenhang stellen.
Neue Generationen werden älter und gehen irgendwann in die Geschichte ein. Sie leben in den "neuen" Modetrends den Inhalten entrissen dann doch noch weiter als oberflächliche Projektionsfläche. Beispiele sind die Nachkriegs-Generation, die 68er Generation, die No-Future-Generation die New Age-Generation, die postmoderne Generation, die X-Generation, die Y-Generation. Ich würde die Generation, der wir auf die Spur kommen wollen, einfach als Generation "A" bezeichnen. A wie Adam und Anna. An der Grenze eines alten zu einem neuen Jahrtausend wird uns Auserwählten, die wir einen solchen Jahrtausendwechsel miterleben dürfen, die Chance gegeben zu einem Neuanfang bzw. zur Transformation auf eine höhere Ebene des kollektiven Bewußtseins (Stichwort: Wassermann-Zeitalter). Denn eine wirklich "neue" Generation ist nicht altersspezifisch, sondern bewußtseinsspezifisch. Soviel wissen wir heute. Die "Aura" einer neuen Generation ist der Hauch, die Ausstrahlung, ein Leuchten, eine Vorahnung usw. von etwas neuem. Eine in ihrer klaren Erkennbarkeit noch im Zukunftsnebel liegende, irgenwie aber schon jetzt spürbare Kraft. Die Aura einer neuen Generation impliziert also einen im Moment stattfindenden bzw. in der nahen Zukunft liegenden Bewußtwerdungsprozeß.
Wie erkenne ich, werden Sie fragen, ob ich vielleicht selbst ein Mitglied dieser ominösen neuen Generation bin? Dazu kann ich im Moment nur soviel sagen: Das zu erkennen erfordert vor allem ein gewisses Bewußtsein gegenüber der Wirklichkeit, der eigenen Existenz und der Aufgabe - sprich: Herausforderung - die das eigene Leben an den Einzelnen stellt und der er mit entsprechender Haltung bereit ist, sich zu stellen.
Soviel zu den allgemeinen Aussichten. Im speziellen geht es natürlich auch um eine "neue" Künstlergeneration und die Frage, welche Anforderungen die aktuellen gesellschaftlichen Gegebenheiten an die Kunst stellen und welche Herausforderungen sich für die Künstler heute daraus ergeben.

Innovation
heißt das Zauberwort, über das ich im Folgenden sprechen möchte.
Erneuerung, eine neue Generation von Künstlern mit einer Haltung, die die aktuelle gesellschaftliche Situation einerseits, die Möglichkeiten und Chancen, die sich aus der aktuellen Situation heraus ergeben können andererseits, wiederspiegelt. Es geht um innovatives Verhalten gegenüber und gleichzeitig in Verbindung mit der eigenen Umwelt.

Wie sieht künstlerische Innovation heute aus? Das heißt, wie setze ich als Künstler meine Sensibilität in dieser "Wendezeit" effektiv ein?
Hier einige Beispiele:
- Künstler forschen interdisziplinär.
- Künstler verstehen sich als freie Unternehmer, sind ihre eigenen Manager und praktizieren Selbstorganisation.
- Künstler übernehmen die volle Verantwortung für ihr Tun, ergreifen die Initiative und werden selbst öffentlich. Sie stärken damit ihre eigene Position und relativieren die üblichen Marktstrukturen der Vermittlung und des Verkaufs.
- Künstler pflegen Netzwerke, um durch Kommunikation und Zusammenarbeit ihre Kräfte zu bündeln und ihre Effektivität zu steigern.
- Künstler praktizieren Kunst&Leben, d.h. sie suchen durch Aktionen den persönlichen Kontakt mit dem Publikum, trainieren durch Begegnungen mit dem Unerwarteten ihre Intuition und Improvisation, suchen neue Erfahrungen.
- Künstler suchen nach wirksamen Methoden, um öffentlich künstlerisch zu arbeiten. Das tun sie, indem sie ihre Modelle in Vorträgen, Aktionen und Performances "live" präsentieren.
- Künstler räumen bewußt mit sich auf, um ihre Neurosen nicht mehr unbewußt durch Kunst zu kompensieren. Sie unterziehen sich im Zweifelsfall z.B. psychotherapeutischer Behandlung und übernehmen somit bewußte Verantwortung für ihr Leben.
- Künstler sind vielseitig und flexibel, sind z.B. Moderatoren, Autoren, Entertainer, Journalisten, Handwerker, Magier, Techniker, Forscher, Naturwissenschaftler in Personalunion.

Künstlerische Forschung
In diesem Zusammenhang nimmt die Kunstform "Performance" eine elementare Stellung ein und zwar aus verschiedenen Gründen.
Meine aktuelle Definition für diesen Begriff lautet: Performance ist am eigenen Leib zu erfahrende künstlerische Forschung. Eine bewußte Tätigkeit, die sich aus dem unbewußten Handeln in der Öffentlichkeit heraushebt. Der Begriff des Bewußtseins, der Bewußtheit, nimmt, wie schon angedeutet, bei Kunst allgemein und bei der Performance im Speziellen eine Schlüsselstellung ein. Sie ist eine konkrete Aktivität, die für einen Ort der Wahl erdacht, entwickelt und an ebendiesem Ort durchgeführt wird. Der innovativste Aspekt der Performance beruht auf der Beweglichkeit des Performers. Er ist nicht auf einen besonderen Kunst-Raum angewiesen, kann seine Performance quasi überall durchführen - neben den Möglichkeiten im üblichen Rahmen - ist flexibel und unabhängig.
Es ist allein eine Frage der inneren Einstellung bzw. der Haltung, die eine Performance zu einer ebensolchen macht. Es ist durchaus nicht neu, innerhalb von Alltagswelten zu performen. Diese Art der Performance gewinnt in jüngster Zeit allerdings durch ihre unmittelbare Einsetzbarkeit und Wirkung immer stärkere Bedeutung. Der Performance-Künstler hat die Möglichkeit, permanent präsent zu sein. So ist es auch naheliegend, diesen Vortrag als Vortrags-Performance zu begreifen - in dem Maße, in dem sich Kommunikationsformen als Perfomance-Elemente begreifen lassen. Performance ist das elementare, weil unmittelbare und überall einsetzbare Medium für den "neuen" Künstler. Der hat keine Hemmungen, wie gewohnt sämtliche mögliche Materie und Immaterie, die sogenannten "Neuen" Medien, mit denen es sich so zeit- und trendgemäß kommunizieren läßt, zu beherrschen und für künstlerische Forschung zu nutzen. Neu sind beim "Internet" z.B. nicht unbedingt die Botschaften, denn die hängen allein von den Usern ab, sondern die Formen des Austauschs von Informationen und vor allem die Unabhängigkeit und Selbstverantwortlichkeit der Nutzer. Insofern ist dieses Medium als Symbol für "Freiheit" natürlich auch eine Botschaft. Das trifft in gleichem Maße für die Kunstform "Performance" zu. Was liegt also für den Performance-Künstler näher, als die "Neuen" Medien einzusetzen bzw. sich aktiv damit auseinanderzusetzen. Das Neue besteht bei diesen Medien u.a. in der Immaterialität. Der Künstler wird beweglicher, weil unabhängiger von Materie. In einer überfüllten Welt, in der es zum Teil von allem zuviel gibt (1.Welt) und von diesem Allen vieles überflüssig ist (Überflußgesellschaft), und in der es zum anderen Teil vom Nötigsten (Nahrung, Kleidung, Wohnung) zu wenig gibt (3.Welt), gilt es vor allem, sie nicht noch voller zu machen (Sein-lassen), das Nötige zu mehren und das Überflüssige zu dezimieren (Los-lassen, Gleichgewicht). Schon Vorhandenes sollte besser und effektiver genutzt werden ("Müll"verwertung) und gegebenenfalls umfunktioniert werden. Es sollten Bedingungen geschaffen werden, unter denen man auf Dinge verzichten kann - und das ist wie so oft eine Frage des Bewußtseins. Was man wirklich braucht, ist oft immateriell - Liebe, Aufmerksamkeit, Vertrauen, Trost, usw. In diesem speziellen Punkt ist Performance das Gegenteil zum Internet, denn eine Performance ist, weil an den Körper des Performers gebunden, extrem materiell.

Konkret
Nun zum Forschungsprojekt "Die Aura einer neuen Generation". Mein persönliches Modell für interdisziplinäre Zusammenarbeit heißt: LUDOM CLUB. Ein Club für Spezialisten und Generalisten gleichermaßen, der zu konkreten Fragestellungen und Anlässen in wechselnder Besetzung Vorschläge erarbeitet und im Sinne eines "Club of Rome" unabhängige, beratende Funktion hat.
Dann gibt es die LUDOM-Forschung, die versucht, die im Club entwickelten Theorien und Konzeptionen in Forschungsprojekte zu übertragen. Die LUDOM-Forschung entwickelt Praxismodelle und betreibt Verhaltensforschung, u.a. in Form von Psychologischen Tests und Versuchsanordnungen, vorwiegend im Selbstversuch.

Als praktisches Beispiel für die Arbeit der LUDOM-Forschung demonstriere ich ihnen zwei von uns entwickelte Ausdrucksformen, die auf Körperkybernetik basieren: die LUDOM-Fremdsprachen und die LUDOM-Gangarten

(Es folgt eine ca. 2-minütige Demonstration)

Das Projekt
Zusammenfassend ist zu sagen, daß "Die Aura einer neuen Generation" ein Thema ist, das nicht a priori exakt definiert ist, sondern das es erst zu erforschen gilt und das sich als "work in progress" nach und nach in seiner Komplexität zeigen wird. Die Aura einer neuen Generation wird so im Raum/Zeit-Kontinuum Schritt für Schritt spürbarer werden. Es geht um eine neue Generation im Allgemeinen und ihre Aura im Speziellen. Der jeweils aktuelle Stand der Forschung wird vom LUDOM CLUB jährlich in Form von Vorträgen, Events und Ausstellungen aktuell veröffentlicht - so wie auch hier und heute. Im Jahr 2000 dann sollen die Forschungsergebnisse in einer multimedialen Live-Veranstaltung der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Es sind Publikationen in Form von Broschüren, einem Magazin und einer CD-Rom geplant . Diese Medien werden dieses den Jahrtausendwechsel begleitende Thema auch zu hause verfügbar und erfahrbar machen werden. Selbstverständlich wird der aktuelle Stand der Forschung auch über das Internet zugänglich gemacht.
Dieses interdisziplinäre Projekt wird also über die nächsten 4 Jahre an der Schnittstelle von Kunst und Alltag ermitteln. Teilweise schon vorhandene und noch zu entwickelnde Aufgabenstellungen werden nach und nach in konkrete Modelle und Testsituationen umgesetzt, die wiederum Erkenntnisse liefern werden über das, was der Titel dieses Vortrags in Zeit und Raum stellt.

Sachdienliche Hinweise nimmt die LUDOM-Forschung übrigens gerne, dankbar und jederzeit entgegen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

 

 

PIETRO PELLINI
MEDIALE TRANSFORMATION VON PERFORMANCE
(Transformation, Dokumentation, medialer Tourismus)

Vortrag auf der 3. Performance Konferenz in Köln, 29. September 1996

Nach der letzten Performance-Konferenz, insbesondere durch die Ausführungen von Hans-Jörg Tauchert über ein Verbot von Video oder Fotoaufnahmen bei Performances, sehe ich die Notwendigkeit, die Dinge einmal aus der Perspektive des Fotografen zu beleuchten. Denn neben durchaus angebrachter Kritik warf dieser Vortrag unterschiedlos jede mit technischen Hilfsmitteln zustande gekommene mediale Aufbereitung einer Performance in den Topf seelenloser technologischer Absorption eines lebendigen Ereignisses. Das in diesem Prozess Menschen verwickelt sind, deren kreative Qualitäten von Bedeutung für die zur Diskussion stehenden Resultate sind, wurde dabei einfach ausgeblendet. Wenngleich auch die grundsätzliche Motivation einer solchen Ablehnung erklärlich ist, muß ich mich dem als nun sozusagen "Betroffener" Fotograf mit langjähriger Erfahrung in der Aufnahme von Performances widersetzen.
Beginnen möchte ich mit dem Begriff der Aufnahme. Er eignet sich gut als Ausgangspunkt für die folgenden Betrachungen: Die Performance selbst kann man als multimediales Ereignis bezeichnen, da sie in der Regel alle Sinne einbezieht. Der Betrachter oder auch unter Umständen interaktiv beteiligte Rezipient nimmt dieses Ereignis nun mit seinem Sensorium auf und beginnt das ihm Dargebotene zu transformieren. In diesem Zusammenhang tritt zunächst das Problem biologischer und kultureller Kompatibilität auf. Die Message einer Performance lässt sich in der Regel besser verstehen, wenn diese beim Autor und Empfänger kongruent sind.
Nini Flick´s Hund Lord, der in seinem bisher kurzen Leben schon einige Performances miterlebte, hatte bei der letzten Performance-Konferenz ganz offensichtlich andere Empfindungen als die menschlichen Teilnehmer. Vielleicht waren auch Teilnehmer dabei, die taub oder blind waren - es wäre interessant ihre Transformation bzw. Rezeption zu erfahren. Schließlich befanden sich die meisten Teilnehmer aus dem hiesigen Kulturkreis oder waren zumindest mit ihm vertraut, so daß einem grundsätzlichen Verständnis nichts im Wege stand. Auch waren einige Fotokameras vertreten hinter denen sich Augen der gleichen Gattung verbargen. Videokameras, wahrscheinlich schon abgeschreckt durch Taucherts programmatische Ankündigung, waren so gut wie nicht zu sehen.
Was diesmal glücklicherweise nicht eintrat, war eine Form von Foto- und Videotourismus, verursacht durch Scharen ambitionierter Amateure, wie man sie gerne vor öffentlichen Attraktionen findet. Diese Spezies, welche glaubt, mit der Ablichtung eines in diesem Zusammenhang nur noch zu bezeichnenden "Erlebnisverhinderungs-Geräts", ihrer geistigen Aufnahme Genüge getan zu haben, fehlte fast völlig. Kennzeichnend für ihre Anwesenheit ist das blind focussierende Herumtalpen durch den Aktionsraum, wobei sie unmisslich verstrickt sind zwischen Technikbeherrschung und sogenannter Motivsuche. Beides nimmt ihre gesamte Konzentration in Anspruch nimmt. Ihre Leidenschaft wirkt sich meist insofern auf das Ereignis aus, als daß sie, durch die irgendwann einsetzende Close-up Gier sowohl den Performer als auch das Publikum stören. Begleitet wird dies durch damit verbundene Geräuschentwickungen, die gerade modernsten Kameras mit ihren tausend Elektromotoren eigen sind. Wenn dann noch neben diesen ungewollten Nebenwirkung sich so etwas wie Unsensibilität und Arroganz einstellt, wird es allerdings schlimm. Ich habe schon erlebt, daß ein Fotograf mitten im Aktionsraum seine Kameratasche auspackte, um seine verschiedenen Objektive zu testen. Ein vermehrtes Auftreten dieser Art kann schließlich zur gänzlichen Verhinderung der Erlebnisqualität aller Beteiligten beitragen. Traurigerweise eignet sich dann auch noch nicht einmal die Ausbeute oder das, was Hans-Jörg Tauchert als das "Elektropansat" bezeichnete, für eine nenneswerte Transformations-Arbeit. Es liefert damit lediglich Material für entsprechende Beerdigungs-Performances. Hinzu kommt, daß diese Leute auch vor allem sich selbst um das Erlebnis gebracht haben. Jeder professionelle Fotograf weiß genau über den Charackter der Aufnahme- als absolute Arbeitssituation Bescheid, in der die transformatorische Arbeit persönlich weit vor dem reinen Erlebnis steht. Dies heißt aber nicht, daß der professionelle Fotograf damit aus der Kritik bei dieser Sache herausfällt. Im Gegenteil - hier hat sich auf der High-End Schiene eine andere Spezies entwickelt, welche angestachelt durch kommerzielle Interessen, manchmal geradezu brutalst und natürlich auch entsprechend professionell raffiniert versucht, das Ereignis medial auszuschlachten. Diese vielleicht etwas herbe Begrifflichkeit richtet sich vor allem gegen eine bestimmte Kategorie von Instant-Journalismus. Dieser, so meine ich, interessiert sich im Grunde genommen gar nicht für das Ereignis, sondern sucht nach Sensationsfutter für den kommerziellen Bildersalat. Kennzeichnend für diese journalistische Gruppe ist widerum gezieltes und getimtes Auftreten in Form von besonders rücklichtsloser Art. Als Rechtfertigung dient ihnen ihr meist martialisches Equipment, welches von einer Aura der Wichtigkeit umgeben ist. Der mediengläubige Zuschauer akzeptiert dies in der Regel und begreift es dann als notwendiges Übel. Diese Spezies verbannt teilweise die vorherbeschriebene in die zweite Reihe. Denn nun greift das Gesetz des Meeres; die großen Raubfische verdrängen die kleinen. Ein weiteres Kennzeichen der Profis ist das plötzlich Verschwinden, am besten ohne eine Adresse zu hinterlassen, da man nun daran interessiert ist, daß Material schnellstens aufzubereiten. Wenn die Betroffenen hinterher über Fernsehen ihre Performance als das "Elektropansat" erleben (auch hier halte ich den Begriff für angebracht) lässt ihnen dies zumeist die Haare zu Berge stehen. Nicht anders verhält es sich mit so manchen Druckmedien. Beiden ist gemeinsam, daß sie durch die Ausschnittbestimmung, die Verarbeitung in einen gerade genehmen Kontext als auch der Plazierung und zahllosen anderen Möglichkeiten der Manipulation sich des Materials im wahrsten Sinne des Wortes bedienen.
Dabei geht es selten noch um das Ereignis - dieses muß jetzt herhalten für eine Sensations- oder Unterhaltungsmaschinerie, die unterschiedslos Material verwertet. Heraus kommt dabei allzu oft eine Verstümmelung des Ereignisses durch Weglassen von wichtigen Informationen wie Name des Autors oder Veranstaltungs-Ort, Titel der Performance oder ähnliches zu Gunsten von leicht verdaulichen Kommentaren die in die Verwandlung dieses Ereignis zur Medienpizza werden lassen. Dieses Informations-Junk-Food bedient nur noch eine Unterhaltungsmaschinerie. Für den Performer bleibt schließlich zu überdenken, ob diese sogenannten Profis ihm oder dem Veranstalter irgendwelchen Nutzen bringen. Tatsache ist, daß mit der Ware Information dann Geld verdient wird, wovon der Autor meist herzlich wenig sieht. Was den Publicity-Effekt anbelangt, ist dieser solange fragwürdig, wie die erläuternden Informationen unvollständig sind.
Es wäre natürlich fatal, dies alles über einen Kamm zu scheren und allen Kameraleuten ein gleiches Maß an Abgebrühtheit zu unterstellen - die Aufnahmen wandern letztlich in andere und durch mehrere Hände, die oft weitaus größeren Einfluß darauf nehmen. Es handelt sich mehr um einen systemimmanenten Vorgang, in dem die einzelnen Akteure eine untergeordnete Rolle spielen.
Zu überlegen bleibt schließlich, ob der Nutzen einer solchen medialen Präsenz der möglichen Beeinträchtigung des Ereignisses als wirklicher Gewinn gegenübersteht. In jedem Fall sollte man dies nicht dem Zufall übelassen, sondern genau sondieren.
Ich trage dies aber nun alles vor um letztlich doch ein Plädoyer für einen Umgang mit den Medien zu halten. Dies allerdings in einer Form, die einen grundsätzlich anderen Ansatz sucht. Es gibt immer Kameraleute, die zunächst einmal tatsächlich an dem Ereignis interessiert. Von Vorteil ist dabei, wenn zunächst keine weiteren kommerziellen Ziele unmittelbar verfolgt werden. Durch den Wegfall dieser Art von Motivation verkleinert sich die Gruppe der Medienleute immens. Übrig bleiben welche mit Inter-esse, dem lateinischen Dazwischen-sein. Diese gehen in der Regel von vorne herein behutsamer ihrer Aufgabe nach. Zur Diskussion stehen die Produkte dieser Gruppe ebenfalls unter dem Gesichtspunkt des Nutzens für den Performer. Die Performance selbst ist ein flüchtiges Ereignis und in der Regel auf die Erfahrung durch mehrere Sinne angelegt. Das Erlebnis dieses Ereignisses bleibt nur der kleinen Gruppe unmittelbar Anwesender vorbehalten. Diese können natürlich darüber erzählen, was eine Form transformatorischer Arbeit ist - sie ist aber eingeschränkt auf die verbale Ebene und ihr fehlt die visuelle, mit den Augen erfahrbare Dimension.
In einer Diskussion auf der 2.ten Performance-Konferenz bezeichnete Boris Nieslony Performances als "Bilderzeugende Handlungen". Diese Bilder entstehen in den Köpfen der Zuschauer und eine ihrer entscheidenden Sinnerfahrungen geschieht durch die Augen. Eine Handlung vollzieht sich in einem Raum - selbst wenn keine weiteren Sinnerfahrungen möglich sind, reicht diese Konstellation bereits aus für einen möglichweise großartigen Eindruck. Dieses Erlebnis lässt sich vielleicht erzählen, aber es ist bedeutsamer an Information wenn die Vermittlung auf derselben Ebene geschieht, welche die Hauptqualität des Ereignisses ausmachte. Optimal ist sozusagen eine Kongruenz zwischen bilderzeugender und vermittelnder Ebene. Wenn ich hier etwas vortrage, ist dies ein gutes Beispiel dafür, daß die Bildebene völlig sekundär ist. Ein Foto kann bestenfalls als Erinnerung oder als fragwürdiger Beweis für meinen Vortrag gelten. Film oder Video wiederum sind Medien, die die akustische Ebene miteinschließen und in diesem Fall interessanter sind, weil informativer. Eine einfache stehende Kamera könnte man in diesem Fall zur Dokumentation nutzen, sozusagen ohne Kameramann mit einfacher Einstellung. Dies wäre eine der wenigen Gelegenheiten, wo ich den Begriff der Dokumentation für angemessen halte. Dokumentation impliziert immer Objektiviät und von daher halte ich diesen Begriff für sehr fragwürdig, wenn er im Zusammenhang mit Medien benutzt wird. Auch ohne die neuesten computerunterstützten Möglichkeiten der Bildmanipulation weiß jeder erfahrene Kameramann, daß schon während der Aufnahme zahllose Möglichkeiten existieren, mit denen man das Resultat beeinflussen und die Wirkung bestimmen kann. Von daher trägt der-oder diejenige hinter der Kamera eine große Verantwortung in Hinblick auf die spätere Rezeption und - da Medien nun mal Multiplikatoren sind, wird dieses Ereignis unter Umständen über das Medium von wesentlich mehr Menschen wahrgenommen, als es ursprünglich der Fall war. Die Aufnahme durch die Kamera ist eine mediale Schnittstelle zwischen der Performance und einem imaginären Publikum. Das Kameraauge und das Auge desjenigen, der die Kamera bedient vereinen sich hintereinandergeschaltet zu einer Art Multiauge, welches die Gleichung entstehen lässt (Auge + Objektiv = Subjektiv). Aber es fehlt noch das dritte Auge des Zuschauers, welches keinen Einfluß mehr nehmen kann und in diesem Fall das passive Ende einer Augen-Troika bildet.
Das Vorliegende ist nun aber die einzige Information über ein Ereignis mit dem Anschein einer objektiven Realitätswiedergabe und repräsentiert damit das gesamte Ereignis in seiner viel höheren Komplexität. Die scheinbare "technische Objektivität" ist eine unterschwellige Komponente, welche ein grundsätzliches Vertrauen in den Wahrheitsgehalt der Information impliziert. Man ist sich zumindest sicher, daß das, was abgebildet ist, wirklich stattgefunden oder existiert hat. Je mehr Realitätsfaktoren identifizierbar sind, desto größer ist der Glaube an den Wahrheitsgehalt: z.B., natürliche Farben, Licht, Gegenstände. etc.. Der Begriff "Dokumentation" unterstützt dies alles. In der optischen Untersuchung fällt dem Betrachter meist nicht auf, daß er sich längst mit einer Ikone beschäftigt, die nicht eine Wahrheit übermittelt, sondern längst eine eigene Wahrheit geworden ist. Mit dieser, denke ich, muß sich auch der Autor der Performance indentifizieren können. Erst dann kann der Film oder das Foto als Repräsentant dienen. In diesem Zusammenhang taucht auch die Frage nach der Authentizität des Materials auf. Der Begriff des Authentischen scheint mir eng mit dem des Dokumentarischen verwoben und von daher ebenso fragwürdig. Denn was besagt z.B. ein authentisches Foto? Es gibt mit Sicherheit massenhafte Fotos von Performances, die gar nichts besagen aber dennoch authentisch sind.
Sollte ein Performer dies als Maßstab anlegen, so wird er möglicherweise enttäuscht sein über die Relation zwichen seinem Erleben der Performance als Kreativer und dem Resultat aus der Perspektive des Zuschauers.
Auf der untersten Ebene fungiert das Foto oder Video dann noch als Beweismittel, daß da etwas stattgefunden hat, worauf der Autor zweifelsfrei zu idenitfizieren ist. Dieses "Beweisfoto" lässt sich womöglich auch noch nutzen für Anträge oder langweilige Kataloge, aber es weckt nicht das Inter-esse des Betrachters - das Verlangen dazwischen zu sein.
Intuitiv sucht der Performer in der Zahl der Bilder nach etwas, was mit dem Gefühl in seiner Erinnerung übereinstimmt - während der Betrachter ebenfalls nach einem Bild sucht, was ein Gefühl in ihm weckt. Beide sollten beim gleichen Bild ankommen. Aus meiner Erfahrung ist somit gerade nicht die Basisinformation, sondern das darüberliegende, verbal unter Umständen nicht mehr erfassbare, entscheidend für die Qualität eines Bildes. Bewegungsunschärfen, extremes Licht oder Perspektiven können als stilistische Mittel Resultate erzeugen, die dem Ereignis wesentlich näher kommen, als der Versuch "objektiv" zu sein. Aus diesem Grunde habe ich für meine eigene Arbeit den Begriff der "fotografischen Transformation" gewählt, da dies am besten einen Prozess beschreibt, der dem wirklichen Ablauf gerecht wird.
Dabei möchte ich mich noch einmal auf die Augen-Troika beziehen und ihr auf der aktiven Ebene eine mediale Troika hinzufügen. Das erste Medium ist die Performance, das zweite die Aufzeichnungs- und Verarbeitungsgeräte - während das dritte Medium der oder die Aufnehmende ist. Dieses Intermedium überwacht und verändert die Information, wobei es zwei Möglichkeiten gibt: die freie, kreative Transformation und die Filter-Transformation. Letztere ist grundsätzlich negativ, da sie voreingenommen stattfindet und ohne weitere Überprüfung Information ausblendet, weglässt und meist versucht, das Geschehnis auf eine andere Ebene zu bringen. Filter können beispielsweise kultureller, sozialer, politischer oder konsumorientierter Natur sein - die Transformation endet somit als Interpretation unter diveren Prämissen. Wahrscheinlich ist es leider die häufigste Form der Transformation, da diese Filter in jedem arbeiten und es sehr schwer ist, selbst wenn man dies erkannt hat, sich davon frei zu machen. Diese Freiheit aber ist wichtig für eine wirklich kreative Transformation, die sich im Moment des Geschehens völlig darauf einlässt und in der Beobachtung nur noch unter dem Kriterium der Aufmerksamkeit abläuft. In diesem Moment ist es wichtig, daß das Denken keine Priorität mehr besitzt, bzw. nur noch die Funktionen ausführt, die in technischer Hinsicht notwendig sind. Alle anderen Denkvorgänge laufen Gefahr in die Richtung Filter abzugleiten. Eine gute Performance, sprich eine, die den Zuschauer fesselt, lässt diesen Prozess leichter vonstatten gehen. Gute Fotos entstehen dann in einem Spannungsfeld, das um die Performance entsteht und das der Fotograf aufnimmt und transformiert.
Das Reizvolle an der Fotografie dabei ist, daß sie das Geschehen in einem statischen Bild komprimieren und den Moment sozusagen einfangen muß, der das Erlebnis bildhaft auf den Punkt bringt. Die Situation des Fotografen kommt der eines Jägers nahe, weil die Spannungsbögen während einer Performance mehrfach hintereinander ablaufen und vom Fotografen absolute Konzentration erfordern. Diese Konzentration ist allerdings deckungsgleich mit einer Form der Aufmerksamkeit, wobei der letztere Begriff für mich der wichtigere ist. Konzentration liegt einfach zu nahe am Denken und dies ist nicht die entscheidende Quallität. Die Aufmerksamkeit im Spannungsbogen folgt der Intuition und ist energetisch mit der Aktion verbunden. Das Ganze entspricht einer Feldthorie, in der sich bestimmte Dinge nicht nur multi- sondern auch transmedial ereignen. Wichtig ist natürlich, daß in einem solchen Prozess der Fotograf seine technischen Belange beherrscht, bzw. auch in der Lage ist, von dieser Beherrschung loslassen zu können und dem Zufall eine größere Möglichkeit einzuräumen. Dies erfordert nicht nur Souveränität in technischer Hinsicht sondern auch in inhaltlicher, da das Resultat sich womöglich irgendwelchen vorher anvisierten Verwertungs-Interessen entzieht. Heraus kommen können verwischte, völlig unter- oder überbelichtete Aufnahmen, auf denen die Performer nur noch schemenhaft zuerkennen sind - diese könne aber durchaus den Eindruck von der Performance wiedergeben, wie sie von den Beteiligten intendiert oder empfunden wurde.
Dieser von mir hier aufgestellte Anspruch ist sicher auch für mich selbst nicht immer zu realisieren - ich betrachte ihn einfach als die erstrebenswerteste Form. Schließlich muß dieses Spannungsfeld entstehen, welches diese Bilder provoziert und wenn dies nicht der Fall ist, heisst das nicht unbedingt, die Performance wäre schlecht gewesen. Lediglich die Feldspannung hat sich nicht aufgebaut und damit lässt sich keine weitere Dimension erschließen.
Alle Aspekte, die ich besprochen habe, beziehen sich auf die Aufnahmesituation - ein wesentlicher Aspekt besteht aber auch in der Nachbearbeitung oder Aufbereitung des Aufnahmematerials. Hier befindet man sich auf dem Feld der zahllosen Möglichkeiten und dementsprechend kann natürlich vieles schiefgehen. Das Kriterium der Behutsamkeit ist auch hier wieder von Bedeutung: Es gilt nur soweit zu manipulieren, wie es der Aussage dienlich ist. Dieser Prozess ist weitaus schwieriger, da er einmal ausserhalb des direkten Spannungsfeldes stattfindet und viel mehr Möglichkeiten für bewusste oder unterbewußte Filterfunktionen lässt. In der Regel nehme ich selbst dann keine größeren Manipulationen vor, sondern arbeite mehr an Feinheiten, die im Material selbst begründet liegen. Was dies phototechnisch bedeutet, sei an dieser Stelle zurückgestellt - es kann eher ein Thema für einen Workshop sein. In jedem Fall zielt es darauf ab, eine Übereinstimmung mit der ursprünglichen Performance-Situatuon zu erzielen.
Mit dem Aufnahme-Material lässt sich eine neue Ebene aufmachen. Man kann Fotoarbeiten daraus erstellen. Die Fotografie ist dann nicht mehr ein Represäntant eines Ereignisses, sondern wird jetzt das Ereignis selbst. Qualitativ ist dies vielleicht die höchste Stufe, die in der medialen Transformation zu erzielen ist - sie ist aber selbstverständlich nur in einer Kooperation zwischen dem Performer und dem Kameramann möglich. Durch Fotoarbeiten kann ein ebenso auratischer Raum geschaffen werden, wie beim Ausgangspunkt der Performance. Insbesondere durch Techniken großer Transparentfotos, die beleuchtet sind, Projektion oder anderer Verfremdungstechniken etwa über Computer-Plotter, lässt sich ein neues mediales Ereignis schaffen. Dessen Erlebniswert knüpft nur noch an den Ausgangspunkt an und entwickelt eine eigene Qualität. Wenn dies transformiert über mehrere Medien, verbunden wird mit einer erneuten sozusagen Realperformance, entstehen Raum- und Zeitschleifen in der Überlappung des Augenblicks mit der Vergangenheit.
Der Begriff "Fotoarbeit" findet hier nicht nur seine Entsprechung, da es sich um eine künstlerische Arbeit handelt, sondern die Ausstellungsstücke müssen oft durch viele technische Probleme hindurch erarbeitet werden.
Um die Aussage und das Erlebnis auf den Punkt zu bringen, muß die Arbeit sowohl vom Performer als auch kooperierenden MedienKünstler innerlich akzeptiert und freigegeben werden. Es gibt sicher genug Fälle, in denen dies nicht so abläuft und der eine oder andere das Material lediglich benutzt. Abgesehen von einer gewissen Unlauterkeit, die ich darin sehe, bin ich nicht der Überzeugung, daß auf diesem Wege gute Resultate erzielt werden können. Von beiden Seiten aus gesehen, hat dies etwas annektierendes - sich über den anderen hinwegsetzendes und muß in jedem Fall als eine Art Kunst-Imperialistisches Gehabe verstanden werden. Im Gegensatz dazu steht das Joint-venture, die Arbeit von gleichberechtigten Partnern, die das optimale Ergebnis anstreben. Bezüglich der Nutzung lediglich von einer Seite muß noch auf die diffizile Copyright- Situation hingewiesen werden, in der sich beide befinden. Es bedarf unbedingt einer einvernehmlichen Klärung.

Um nun zum Abschluß der theoretischen Ausfühungen und damit zum visuellen Teil zu kommen, möchte ich noch einmal kurz zusammenfassend meine Einstellung darlegen. Es geht mir in der Gesamtheit um ein Resultat, welches dem kreativen Prozess aus jeglicher Perspektive gerecht wird und damit frei von über- oder untergelagerten Filtern ist. Um dies begrifflich bereits zu implizieren und auch eine Abgrenzung gegenüber einem medialen Einheitsbrei zu schaffen, benutzte ich die Bezeichnung "Fotografische Transformation" für meine Aufnahmen. Dieser lateinische Begriff lässt sich mit Umwandlung übersetzen und verweist damit eben weiter auf den prozessualen Charackter. Demgegenüber deutet Foto + Name eher in die Richtung einer Konserve, wo der Fotograf das Label ist und die Performance der Inhalt. Dies ist in jedem Fall eine dualistische Situation mit abgeschlossener und toter Ingredienz, die lediglich einer leichten Konsumierbarkeit dient.

Im Anschluß folgt die Präsentation einer Auswahl der Performancefotos von:

Maria de Alvaer
Amedeo Balestrieri
Brand/Thom
A. Harold Barreiro
Roland Bergère
Inge Broska
Pasquale Cassandro
Lisa Cieslik
Phil Collins
Petra Deus
Theresa Drache
Esther Ferrer
Knopp Ferro
Nini Flick
Jürgen Fritz
Milena Gaul
Ingo Gräbner
Monika Günther
Goji Hamada
Rudi Hoffmann
Yeun Hi Pan
Al Hansen
Janet Haufler
Susanne Helmes
Anja Ibsch
Alice Kinser
Norbert Klassen
Janet Krama
Kunstpiraten (Markus Krips, Parzival, Psy. Enno Stahl + Jo Zimmermann)
Siglinde Kallnbach
Sang Jin Lee
Stelarc
Takahiko Limura
Johann Lorbeer
Chris Newman
Boris Nieslony
Hermann Nitsch
Jack Ox
Ben Patterson
Parzival
J.M. van Poppel
Robert Reschkowski
Nigel Rolfe
Eva Roos
Ruedi Schill
Seiji Shimoda
Enno Stahl
H.-J. Tauchert
Roi Vaara
Ben Vautier
Radan Vision
Ralf Vormbusch
Andrew Walther
Z. Warpechowski
Lee Wen
Jim Whiting
Jo Zimmermann
u.a.

(c) Pietro Pellini, Köln 1996

 

 

PARZIVAL
GURGELVORTRAG

Vortrag auf der 3. Performance Konferenz in Köln, 29. September 1996
Der Vortrag wird gurgelnd vorgetragen

Was Ist Kunst?
Kein Dogma.
Wo beginnen Dogmen?
Wenn mensch beginnt festzuschreiben, zu verabsolutieren, dingfest zu machen, eindeutig zu definieren, klarzustellen und anderes Wörterle mehr.
Kunst lässt sich nicht bestimmen. Es läßt sich nur sehr unscharf erkennen, wo sie beginnt und endet. Eigentlich ist es mehr eine Ahnung: das könnte Kunst sein. Oder? (laut) ODER?
Wenn Menschen beginnen etwas vorzutragen, dann tun sie dies meist mit dem sicheren Gefühl, zu wissen, worüber sie reden. Das würde bedeuten, das ihnen alle wesentliche Positionen vertraut sind. Dies zu glauben ist arrogant.
Arroganz entsteht aus dem Irrglauben, die absolute Position innezuhaben. Was ich selbst innerhalb eines Vortrages zum Thema Performance sage, kann nur selbst eine Perfomance sein. Ist es eh. Oder nicht?
(laut) ODER NIX?
Ich will nichts verpflichten. Ich will keine Möglichkeit ausschliessen. Nur eins schliesse ich für mich aus: Das Kunst einer anderen Sache dient, als den Prozess und das Prinzip des Lebens zu vermitteln und zu fördern.
Tote Menschen machen keine Kunst. Tote Menschen können keine Kunst wahrnehmen. So ist Kunst eine Sache(?) die von lebenden Menschen hergestellt wird, meistens in der Absichte sie anderen lebenden Menschen zu vermitteln oder sie in der Natur auszusetzen. Oder sie einfach nur für sich selbst zu machen, für das eigene Lebewesen. Aber was, wenn ein lebender Mensch eine künstlerische Arbeit herstellt, die das Ziel hat sich selbst unmittelbar nach Fertigstellung zu zerstören? Bereits hier beginnen wir nun in langen Diskussionen dem was geschieht oder geschehen ist oder dadurch geschehen könnte irgendwie habhaft werden zu wollen. Mensch braucht Orientierung. Kommunikation ist wichtig. Erkenntnis hilft. Das stimmt alles. Vorträge sind wichtig. Die Menschen, die Vorträge vortragen sind wichtixst. Ist der Vortrag wichtiger, oder der Vortragende, oder dem Vorgetragenen dessen Versuch dem zu folgerichtige Schlüsse nicht zu nachvollziehen??? Wo sind wir? (langgezogen) WO SINND WIR?
Wenn wir eine definitive Position haben, haben wir einen sicheren Standpunkt um einen Vortrag zu entwickeln. Unsere Milchstrasse bewegt sich mit 70.000 km pro Sekunde (oder Stunde?) durch das Universum, das aus einem Urknall entstand, sich langgezogen ellipsoid ausdehnt um in etwa 80 Milliarden Jahren in einem neuen Urknall unterzugehen. Dem folgt natürlich ein neues Universum, und so fort. Bekannterweise entsteht aus jedem Urknall ein schwarzes Loch. Unser Universum ist also ein riesiges schwarzes Loch. Wir rasen hindurch, wissen weder Zeit, noch Ort, noch reale Geschwindigkeit. Wir suchen darin Orientierung. Wir erkennen und beschreiben was wir sehen, fühlen, erfahren, glauben, hoffen, tuen, wünschen, hören, schmecken, riechen, denken. Das Prinzip des Lebens.


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