- Hans-Jörg Tauchert: Für ein Foto- und Videoverbot bei Performances?
- Jürgen Raap: Der Handlungsreisende

- Ingeborg Broska: Fluxus-Frauen

HANS-JÖRG TAUCHERT
FÜR EIN FOTO-UND VIDEOVERBOT BEI PERFORMANCES?

Der Titel suggeriert, es ließe sich mal eben ein Videoverbot einführen. Das ist selbst mit diktatorischen Maßnahmen nicht möglich. Video ist eine Macht, der sich niemand mehr ganz entziehen kann, schon deren Eindämmung ständen handfeste Interessen entgegen. Ein Fotoverbot während des Krieges, damit niemand die Trümmer fotographiert, konnte nie völlig durchgesetzt werden.
Ein Videoverbot bei Performances kann nur auf freiwilliger Basis erfolgen, als Gebot, und selbst dazu müßten Berge versetzt werden, ergeben sich doch beste Voraussetzungen für seltene und damit kostbare Aufnahmen, denn nach der Logik des Marktes steigt eine knappe Ware im Wert.
Die Forderung nach einem Foto- und Videoverbotes klingt maßlos übertrieben, setzt sie doch eine Unverträglichkeit zwischen Performance und Video voraus, die niemand so recht einsieht und die viele auch für völlig absurd halten. Publikum und Performer haben sich an den Anblick einer dritten Gruppe von einäugig versunkenen Videographen längst gewöhnt. Ein Auge bleibt bei ihnen pausenlos an einen winzigen Bildschirm gefesselt, während das andere in Dunkelheit versinkt. Mit dieser extremen Situation beginnt der Bildschirmterror, deren Folgen weit in die Zukunft reichen, weiter als das Auge reicht.
Die elekronisch aufgerüstete Performance möchte ich zur besseren Verständigung "Elektropanz" nennen. Eine scheinbar harmlose Videoaufnahme ist der Beginn einer Kette, bei der jedes Glied zwangsläufig auf das andere folgen muß.
Aber zuerst noch einige Unterscheidungen, die sich von dem Wort "Elektropanz", der elektronisch aufgerüsteten Performance, ableiten. Das Produkt der Videoaufahme einer Performance, der Mitschnitt heißt anschaulich "Elektropansat", ähnlich dem Filtrat und erhält deshalb dieselbe Endung at. Der Videoapparat funktioniert als Trennungsmaschine. Der Teil, der bei der Trennung von der Videokamera aufgefangen wird, das Elektropansat, trennt sich vom Rückstand, der einmalig an Ort und Zeit gebunden, zurückbleibt bzw. in diesem Fall sofort verschwindet. Der Performer und die Performerin, die sich für eine Aufzeichnung ihrer Performances hergeben, sind Elektropanzen oder auch Elektropanzer, elektropanzen das dazugehörige Verb.
Auf jeweils neueste Bildträger überspielt, führt die Performance ein Leben nach dem Tode, freilich ein Leben mit völlig anderen Eigenschaften als die ursprüngliche Performance, was sich ja nun auch in den beiden unterschiedlichen Namen widerspiegelt. Das Elektropansat ruht jetzt in einem kleinen beschrifteten Kassettensarg, wobei die Käuferinnen und Käufer zwischen billigen und teuren Särgen entscheiden können. Videomaterialien eignen sich schon von Hause aus erstaunlich gut für eine gewisse Begräbniskultur (Sepulkralkultur), die sich geradezu aufdrängt. Die Arbeit am Video ähnelt der des Totengräbers, fast zu 100% seines Daseins bleibt das Kunstwerk wohl unsichtbar. Kunst mit großem Aufwand und hohen Kosten so ins Reich der Unsichtbarkeit zu Überführen, ist ein besonders widersinniger Vorgang, fast schon kunstfeindlich zu nennen. Nichtsdestotrotz werden immer mehr Kunstvideos produziert. Alles Sichtbare bleibt hauptsächlich Hülle für eine unsichtbaren Inhalt. Liegt da nicht der Vergleich mit einem Friedhof sehr nahe?
Nach der Aufzeichnung durchläuft das Elektropansat eine Schönheitsoperation, es wird auf dieser 2. Station in der Kette geschnitten und geschönt und harrt so seiner Auferstehung, denn auf die Hoffnung überall auf der Welt und von möglichst vielen Menschen nochmal gesehen zu werden, baut die gesamte Performance-Veranstaltung (Elektropanz). Die ursprüngliche Performance gerät damit unter die Absicht, hauptsächlich als Vorlage für Kopien herhalten zu müssen.
Folglich wachsen in vielen Haushalten, Galerien, Museen immer mehr Friedhöfe mit bunten, neuartigen Vampiren heran, die selbstverständlich ihr Recht auf Aufmerksamkeit fordern und nicht nur das.
Das Leben der klassischen Vampire war noch an eine bestimmte Zeit gebunden, nun aber reicht ein Knopfdruck aus, um sie im Gewand eines Elektropansates mit Hilfe passender Beatmungsgeräte ins künstliche Leben zu holen. Die Vampire der neuen Art rauben heute allerdings kein Blut mehr, sondern saugen die Zeit der Anwesenden auf und verursachen dabei laufende Stromkosten. Die Veranstaltung steht auch jetzt, wie bei Beginn die Aufnahme unter einer Gebührenschraube. Rückwirkend kann der ganze Vorgang des Aufnehmens ebenfalls als Vampirakt gesehen werden, um die aufgezeichnete elektronische Kopie als die schönere Performance vorstellen zu können, dabei unterschlagend, daß der Begriff Performance jetzt nur noch eine leblose Hülle darstellt im Gegensatz zum Original.
Da früher oder später jedem Interessierten die Kopie, das Elektropansat, zur Verfügung steht, interessiert sich für das Original, außer ein paar Videographen, die die Kette in Gang setzen, kaum jemand. Die Performance zieht Video an und beide kennzeichnen sich bald gegenseitig.

Wo Videokameras, da läuft eine Performance und wo Performance, da sind auch Kameras. Kopien entwerten das Original und begraben es mit ihrer Masse. Gäbe es keine Aussicht auf Kopien, wären Interessierte nur auf das Original angewiesen, eine Performance stieße jedesmal auf großes Interesse. Man kann nur hoffen, daß bei der Flut elekronischer Bilder die Sehnsucht nach real existierenden Bildern automatisch wächst. Eine riesige Chance für Performance liegt hier begraben und wartet nur darauf, mit wenigen Mitteln realisiert zu werden. Dazu muß aber eine Situation geschaffen werden, die den natürlichen Ablauf einer Performance gewährleistet, die das Gefühl, beziehungsweise Bewußtsein vermittelt, einer einmaligen, lebendigen Performance beizuwohnen, was eben nur gelingt, wenn man Kopiergeräte einfach verbannt und dafür eine neue Bezeichnung einführt, um nicht jedesmal von neuem umständliche Erklärungen abgeben zu müssen. Dies wäre eine wichtige Methode, Performance zum Gedeihen zu verhelfen. Die Performance braucht Nachwuchs, sowohl Zuschauer als auch Performer, wenn sie nicht in irgendwelchen winzigen elitären Zirkeln versauern soll. Sie führte hauptsächlich ein symbiotisches Verhältnis mit Ausstellungseröffnungen, die ihr ein gewisses Publikum garantierten und der Galerie ein Stück Belebung boten. Die Kopie anzusehen ist meines Erachtens meist so erschreckend langweilig, daß die wenigen neuen Zuschauer froh sind, wenn sie wieder vor dem heimischen Fernseher Platz nehmen dürfen. Hier hat die Kopie wieder gemeinsam mit Performance wie alle Kulturveranstaltungen unter der viel stärkeren Konkurrenz des Fernsehens zu leiden. Videokopien holen aber wieder an den Bildschirm zurück, vermehren also die schon unermeßlich große Fernsehgemeinde. In diesem unserem Land, keine nationale Besonderheit sondern internationale Tendenz, sitzt im Durchschnitt jeder 3 Stunden vor dem Fernseher. Dieser radikale Zustand muß nicht auf ewig so bleiben, ebenso gut könnte jeder 3 Stunden Performance (keine Elektropanz) anschauen, das klingt utopisch, aber ich will damit sagen, daß diese Zeit vor dem Fernseher noch disponibel ist. Theoretisch steht der Performance also ein riesiges Aufmerksamkeitspotential zur Verfügung, das sie nutzen sollte.
Performance demonstriert im Ablauf real existierender, vergänglicher Bilder, eine einzigartige Qualität, die nicht wie bei Bildern exakt reproduziert werden kann. Bei Performances bleibt die Kopie weit hinter dem Original zurück. Performances sind eben deshalb fälschungssicher, eine besondere Qualität. Auch das Theater schafft Primärereignisse. Es steht deshalb der Performance viel näher als die bildende Kunst. Nur Theater unterliegt starren Vorschriften, ist ortsgebunden, besonders aufwendig und kann Stücke nicht auf 5 Minuten verkürzen. Bei Hamlet weiß jeder was ihn erwartet.
Wo immer Publikum vorhanden, könnte Performance um Aufmerksamkeit heischen, geradezu unerschöpfliche Möglichkeiten.
Der Werdegang der Performance zur Kopie bzw. der "Elektropanz" zum "Elektropansat" läßt sich in folgenden Stationen zusammenfassen:

1. Aufnahme der "Elektropanz", der elektronisch aufgerüsteten Performance auf Video und dadurch Verwandlung in ein "Elektropansat".
2. Schönheitsoperation des "Elektropansates" (schneiden und zurechtmachen der Leiche)
3. Lagerung des "Elektropansates" in einer Videokassette (begraben der Leiche)
4. Überspielen auf die jeweils neuesten Datenträger (Pflege der Leiche)
5. Werbung mit dem falschen Begriff Performance und damit Entwertung der Performance selbst.
6. Wiederauferstehung als geschönte Leiche vor einem Publikum
7. An- und Verkauf (Leichenhandel).

Der letzte Punkt betrifft die Vermarktung. Aus der vergänglichen Performance ist eine handelbare, einigermaßen langfristig haltbare Ware geworden, die einen Preis verlangt, denn zu ihrer Herstellung waren Arbeit und Material nötig, die ersetzt werden müssen. Der Aufwand muß sich lohnen, wie es so schön heißt. Die Performance ist durch Video in den Bereich kommerzieller Interessen geraten. Von wegen antikommerziell. Es bleibt allerdings festzustellen, daß sie nur in einem kleinen Bereich zwangsläufig über antikommerzielle, besser nichkommerzielle Seiten verfügt und zwar auf dem Kunstmarkt. Dort kann sie naturgemäß nie eine Chance haben. Niemand kauft eine Performance wie einen Van Gogh für 10 Millionen Mark. Weil mit Performance unmöglich spekuliert werden kann. Das vergängliche Produkt zerfällt sofort nach der Aufführung, im Idealfall spurenlos. Weiterverkauf mit Gewinn bleibt ausgeschlossen. Das Original, die Einmaligkeit, die dem Kunstmarkt doch sonst so viel wert ist, spielt bei Performance keine Rolle. Eine Qualität, die gleichzeitig einen Schutz vor den einseitigen Interessen des Kunstmarktes bedeutet. Video strebt danach, die Performance als Elektropansat kunstmarkttauglich zu machen, mit dem Effekt, daß die Immunität gegenüber der Spekulation schwindet.
Unter dem Einfluß von Video steht die Performance unter zwei äußerst vagen Hoffnungen, die aber der Performance das Lebenslicht auszublasen drohen, ewiges Leben verbunden mit Ruhm und kommerzieller Gewinn. Wenn nur noch aus diesen beiden Gründen Performances aufgeführt werden, bedarf es eines Studios mit drei Kameras aber keines Publikums mehr. Diese Forderungen richten sich nun gnadenlos an eine Performance, die unbedingt elektronisch aufgerüstet werden muß, anstatt sie einfach vergehen zu lassen, und ihr Vergehen zu genießen. Der Endzweck einer Sache wird immer mehr und mehr in die Zukunft verlegt. Eine Performance geschieht aber im Hier und Jetzt, danach ist endgültig aus. Die Performance ist Endzweck und ihre Dokumentation ist durch die Zuschauer hinreichend erbracht. Will man eine zusätzliche Dokumentation, so müßte sie den menschlichen Dimensionen der Performance entsprechen d. h. die Videomaschine müßte durch Menschen ersetzt werden, die wieder darüber zeichnen, schreiben oder erzählen. Tätigkeiten, die in diesem Zusammenhang geradezu avangardistisch, genauer "retroavangardistisch" erscheinen müssen. Die beste Form der Dokumentation, das Gedächtnis der Menschen, wird immer mehr überflüssig, ein Zeichen, daß der Mensch sich immer unwichtiger neben der Maschine herausnimmt. Offensichtlich ist Performance auch ein Gemeinschaftswerk in der Übertragung von Mensch zu Mensch. Der Übertragungsweg wird durch Videocassetten ja gerade unterbrochen. Die Verbreitungkette hören-weitererzählen-hören-weitererzählen-hören entspricht dem Leben, die passiv konsumierte Kette weitersehen-weitersehen -weitersehen der Medienwelt. Die Einheit bzw. Vereinigung von Kunst und Leben kann nicht mehr weiter getrieben werden als bis zur Performance, die vergeht wie das Leben.

Die "Elektropanz" ist also von der Absicht beherrscht, daß zumindest eine Wiederauferstehung einmal möglich werden wird. Eine Garantie dafür gibt es nicht. Schlimmstenfalls verstaubt das "Elektropansat" und verfällt. Der Gesamte Aufwand, der ja auch durch Geldkosten ins Gewicht fiel, war dann umsonst, die erhoffte Wiederauferstehung fand nicht statt. Diesen Fall kann man glücklicherweise in einer kleinen Trauerfeier bewußt und in Würde vollziehen. Wir besitzen auf diesem Gebiet durch jahrelange Praxis fundierte Erfahrungen und führen Beerdigungen dieser Art ohne große Formalitäten preisgünstig durch, auf Wunsch auch als Performance, was die Sache besonders delikat macht. Der Videocassettensarg mit dem Elektropansat wird von uns endgültig stillgelegt, beziehungsweise beerdigt, indem wir den Sarg dauerhaft mit Beton füllen und verschließen. Das ganze erinnert nun nicht nur passend an einen Sarg, sondern obendrein auch an einen Grabstein. Der Vorteil des Verfahrens ist allerdings noch ein anderer, die sorgfältige Ausführung der Beerdigung führt zu einem kleinen Kunstwerk, das gut in der Hand liegt und in einigen Vitrinen und Bücherborden seine unmißverständliche Botschaft entfaltet.
Die "Elektropanz" lockt mit dem Versprechen auf ewiges Leben. Nur zu verständlich, daß Künstlerinnen und Künstler sich auf dieses verlockende Angebot, auch wenn es Geld kostet, das ewige Leben ist nie umsonst, darauf bereitwillig einlassen. Berufsmäßig müssen Künstler ihre Werke überall zeigen können. Die frühere Sonderleistung, am Beginn der Videoentwicklung, wird heute als selbstverständlich vorausgesetzt. Ein Video von seinen Werken hat man zu haben und nicht nur eines. Künstler sind bemüht, sogar gezwungen aus jeder Performance eine Elektropanz und damit ein Elektropansat zu machen, wenn sie mithalten wollen im Buhlen um Aufmerksamkeit. Bewegte Bilderherstellung allein reicht nicht mehr aus, sie müssen auch unter erheblichen Mühen gezeigt werden. Der Wiederholungszwang der Elektropansate drückt die ursprüngliche Performance unter demselben Namen beiseite, und gefährdet damit ihr sowieso schon schwieriges Dasein. Die Elektropanz bewirkt keine Förderung der Performance, sondern das Gegenteil. Die weiß Gott geringe Aufmerksamkeit, die die Performance genießt, zumeist aufgebracht von Künstlerinnen und Künstler, die selber Performance machen, wird nochmal abgezogen zugunsten einer nicht verwesenden Leiche. Nicht die ursprüngliche Performance einen Raum zu geben gilt das Ziel, sondern die vielen Kopien abzunudeln vor einer möglichst großen Öffentlichkeit mit dem schlagendem Argument, endlich auch mal Performances von weither sehen zu können. Damit ist ein gewisser Leichenhandel eröffnet. Der Kopie wird kostbare Aufmerksamkeit, Raum und Zeit gewidmet, anstatt sie der ursprünglichen Performance zu gute kommen zu lassen. Der Videoberg ungesehener Performances konkurriert mit der Performance um Aufmerksamkeit. Die Performance wandelt sich wie gesagt immer mehr zur "Elektropanz". In Düsseldorf, im Kunstraum, bei der Veranstaltung "Performance Art" zählte ich allein 8 aktive Videographen mit Kameras verschiedenen Kalibers als eine Gruppe, die besonderen Raum beanspruchten, während die 4 Fotographen fast untergingen im Publikum. Die Anzahl der Videographen kann soweit gesteigert werden, bis jeder Betrachter einer Performance einen kleinen Minibildschirm vor Augen hat. Wir haben dann eine Situation, die auf Ankündigungen mit der äußerst verdrehten und Verwirrung stiftenden Bezeichnung "Live-Performance" ihr Unwesen treibt.
Mit "Live-Übertragung" ist meines Erachtens eine zeitgleiche Übertragung einer Veranstaltung ins Fernsehen wie zum Beispiel Fußball gemeint. Wenn nun das gesamte Publikum einer Performance durch eine Kamera starrt, überträgt sich ihnen die Veranstaltung zeitgleich allerdings auch noch ziemlich unnötig im gleichen Raum. Man muß also eine Performance zum Elektropansat verstümmeln, bis man das große Glück hat, in den Genuß einer sogenannten "Live-Performance" zu gelangen, deren Wirkung darin besteht, daß sich jedes bißchen "live" verflüchtigt. In diesem Sinne kann eine "Live Performance" also nur das Gegenteil von "live" bedeuten. Allerdings mag in dieser an Lebendigkeit armen Zeit das Bedürfnis nach "Live", nach lebendiger Ursprünglichkeit sich schon soweit manifestiert haben, daß sich damit eine Unterscheidung zur Kopie ausdrücken will. Bei Performance ist das unnötig, sie ist zum Glück immer "live". Der Begriff "Live-Performance" könnte höchstens aus der Not geboren sein, um sich von ihrer Kopie, dem Video, abzugrenzen. Dann ist "Live" aber trotzdem das falsche Wort, denn es bleibt die Frage, was eine Performance ohne "Live" noch sein soll wenn nicht die Kopie einer Performance. Ein "Live-Performer" kann also nur auf dem Bildschirm betrachtet werden.

Vorschläge:
Immerhin bleibt bei diesem Verwirrspiel festzuhalten, daß die Lebendigkeit der Performance so bedroht erscheint, daß man sie mit den Vorsilben "Live" extra betonen muß und damit sogar als Rettungsanker in die Flut toter Bilder wirft. Offensichtlich erscheint es dringend nötig, hier einen passenden Begriff zu suchen und zu gebrauchen, der wirklich nichts anderes bezeichnet als eine naturbelassene Performance, die auf diese Weise unter Naturschutz gestellt wird. Paradox, daß man etwas schützen muß, damit es ungehindert vergehen kann. Der alte Konflikt zwischen Original und Kopie entsprechend dem Reinheitsgebot des Bieres, das ja auch Biertrinker vor allen möglichen Inhaltsstoffen schützt und ihnen damit die Freude am Biertrinken erhält. Bestrebungen nach der Art eines Rheinheitsgebot sind auf anderen künstlerischen Gebieten bereits erfolgreich. In der Musik legt man bereits öfters wert auf unverstärkte, ursprüngliche Töne und hat dafür das Wort "unplugged" gewählt. Manche Worter müssen geradezu amerikanischen Ursprungs sein, um eine Chance auf Einbürgerung zu bekommen. Bleibt, wie bei vielen englischen Wörtern, der Nachteil, daß sie dann nicht grammatikalisch bearbeitet werden können, ungepluggte Musik oder gepluggte Musik hört sich unangenehm an. Aber es ist hier ein Anfang gemacht, der erkennen läßt, daß das Pendel auch mal in die andere Richtung ausschlägt. In der technischen Sprache hagelt es nur so von neuen Wortschöpfungen, verständlicherweise, weil hier der ökonomische Druck sich passend verständlich zu machen, ungleich höher ist als im Kunstbereich. Kurzum ist es an der Zeit, einen passenden Begriff für die Performance ohne Video einzuführen, der das schauerliche Wort "Live-Performance" endlich verdrängt und sich auch an der Seite der Elektropanz behauptet. Unser Vorschlag wäre die Ultipance, eine Performance ohne Video (zu Ehren der Ultimate Akademie).
Das bisherige komplizierte Verfahren Performer und vielleicht auch das Publikums über die Anwendung von Video entscheiden zu lassen, fällt damit weg. Bei einer Ultipance steht von vornherein fest, daß es sich um eine direkte, einmalige Übertragung von Mensch zu Mensch handelt ohne eine Übertragung zur Maschine. Es lebe die Ultipance!

Vorschlag: Unterscheidung von 2 "Performance-Arten":
Performance mit Video = Elektropanz
Performance ohne Video = Ultipance
Elektropanz: eine elektronisch aufgerüstete Performance
Elektropansat: Mitschnitt einer Performance
Ultipance: eine Performance ohne Video (nach Broska/Tauchert)
Anschließend ergibt sich eine grobe Definition der "Hardware" einer Performance (Ultipance):

1. Für eine Performance (Ultipance) notwendig ist die Anwesenheit von Publikum, den Rezipienten, die räumlich und zeitlich nicht getrennt sind von den unmittelbar absichtlich handelnden Produzenten. Die vergänglichen Bilder übertragen sich dabei ausschließlich von Mensch zu Mensch.
Da fällt natürlich auch dieser Vortrag darunter oder Parzivals "Beschlagungen" von Werbeflächen vor einem Publikum. Da Inhalte und Motive ausgeklammert bleiben, fallen leider auch eine Militärparade oder eine Rede Kohls vor Publikum darunter. Zur genaueren Bestimmung müßten weitere Kriterien herangezogen werden. Publikum und Performer sind mengenmäßig jedenfalls unbegrenzt. Schon ab 2 Performer beginnt die Definition der Massenperformance (Massenultipance), die neue Möglichkeiten jenseits der Einzelperformance (Einzelultipance) bietet.
Performance (Ultipance) hat gute Aussichten, als neue "Volkskunst" den Elfenbeinturm der Kunst (Kunstghetto) zu verlassen, durch die Tatsache, daß Performance jeder machen kann und Menschen sich über den Anblick agierender anderer Menschen grundsätzlich freuen. Performance bedarf kein jahrelanges üben wie zum Beispiel Klavierspielen. Einige Performer betonen sogar, wie wichtig es ist, gerade nicht zu üben. Eine absichtliche Handlung ist lebensechter als eine einstudierte absichtliche Handlung.
Die Ultimate Akademie führt seit letztem Jahr (1995) regelmäßig Performances durch, um das Publikum wieder an sinnliche, direkte Erlebnisse, die überwiegend ohne Technik auskamen, zu erfreuen und zu gewöhnen. Ich empfinde die Form der Ultipance als eine einzigartige Gelegenheit, kollektiv die Vergänglichkeit des Lebens bewußt zu spüren und der Gegenwart gegenwärtig zu sein, daß leistet die Ultipance.
(Hans-Jörg Tauchert)

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JÜRGEN RAAP
DER HANDLUNGSREISENDE

Ein Ballonverkäufer auf dem Rummelplatz bläst einen bunten Luftballon auf, und dieser zerplatzt mit lautem Knall.
Ein Performer bläst während seines Auftritts einen Luftballon auf,und drückt so stark auf dessen Hülle, daß er mit lautem Knall zerplatzt.
Ein Patient sitzt stumm im Wartezimmer, er starrt dumpf brütend vor sich hin.
Ein Performer steht in der Ecke eines Raumes und schweigt. Mit abweisender Mimik starrt er das Publikum und niemand wagt es, sich zu rühren.
Der Schauspieler Harald Juhnke wird von seiner Gattin aus der Villa im Berliner Grunewald herausgeworfen und zieht einen Abend lang durch die Kneipen der Hauptstadt. In einem Lokal trifft er auch den PDS-Abgeordneten Gregor Gysi. Später randaliert Juhnke im Taxi. Die Nacht verbringt Harald Juhnke im Hotel Kempinski, wo er sich beim Zimmer-Service beschwert, daß man aus der Mini-Bar die alkoholischen Getränke fortgeräumt hat. Dies alles steht am anderen Morgen in der BILD-Zeitung, nebst einer genauen Auflistung von Juhnkes Zeche an Bier, Weißwein, Champagner, Wodka und Whisky und einem Interview mit Juhnkes Arzt.
Jede Handlung ist absichtsvoll, auch wenn dem Handelnden die Absicht nicht immer bewußt ist. Auch wenn man seine Zeit vertrödelt, weil man gerade nichts besseres zu tun hat, verfolgt man damit eine Absicht, nämlich mit Nichtstun die Zeit zu überbrücken, bis es wieder etwas zu tun gibt.
Es ist möglich, Performances auf dem Rummelplatz oder im Wartezimmer eines Arztes aufzuführen. Indem der Performer dort oder in jedem anderen beliebigen Raum die gleichen Handlungen begeht wie ein Ballonverkäufer oder ein Patient, verfolgt er damit eigene und andere Absichten.
Es gibt einen grundlegenden Unterschied zwischen Handlungen im Alltag und Handlungen in einem Kunst-Zusammenhang.
Bei Harald Juhnke wird die Sauftour erst durch die Medien zu einer Performance. Diese Sauftour als Medienereignis ist wesentlich an die Prominenz des Schauspielers Juhnke gekoppelt und an das öffentliche Interesse an seinen Eskapaden.
Ein ähnlicher Fall ist der Politiker Jürgen W. Möllemann. Zwei Wochen nach seiner Wiederwahl zum N.R.W.- Landesvorsitzenden seiner Partei und am vorletzten Spieltag der vergangenen Saison der Fußball-Bundesliga soll Möllemann anläßlich des Spiels FC Schalke 04 gegen FC Bayern München aus 4000 m Höhe über dem Gelsenkirchener Parkstadion mit einem Fallschirm aus dem Flugzeug abgesprungen und auf dem Rasen gelandet sein. Als Performance ist auch dieses Ereignis wesentlich an das Image von Möllemann gekoppelt, immer wieder die Grenzen zwischen seriöser Politik und Show-Business zu verwischen.
Der Bayerische Rundfunk verbreitete erfundene Möllemann Meldungen: der "Bundesforschungsminister Möllemann" wolle Jakob Creutzfeldt die Einreise verweigern, da dieser am Rinderwahnsinn Schuld sei. Oder: der "Vorsitzende der Nordelbisch-Lutherischen Kirche, Bischof Möllemann", wolle die Kirchensteuer abschaffen. Anschließend wurden die Hörer befragt, was sie davon hielten: niemandem fiel auf, daß die Zuweisung der Titel und Ämter nicht stimmte. Je absurder eine solche Möllemann-Nachricht war, desto mehr wurde sie als wahrhaftig angesehen.
Es kommt also gar nicht so sehr darauf an, ob eine reale Handlung in einem realen Raum zu einem konkreten Zeitpunkt, mithin in einer konkreten Situation, stattgefunden hat, sondern es kommt auf die SIMULIERUNG einer solchen Handlung an, und manchmal schon auf die bloße Behauptung, sie habe stattgefunden.
Hier setzt jener Mechanismus an, der eine tatsächliche oder vermeintliche Handlung zum MYTHOS werden läßt. Der Mythos enthält Bedeutungen und nur diese sind wichtig.
Handlungen in der Performance können symbolisch sein, aber vom Selbstverständnis der klassischen ART PERFORMANCE her sind sie keine Ersatzhandlung und keine Illusionismen. Im konsequenten Verzicht auf die Illusion liegt bekanntlich auch der Unterschied zwischen Performance und Theater.
Die moderne Linguistik, im Strukturalismus bei Ferdinand de Saussure und in der "Generativen Grammatik" bei Noam Chomsky, arbeitet mit dem Begriff der sprachlichen KOMPETENZ d.h. der Fähigkeit des Menschen zur Sprache. PERFORMANZ ist dann die konkrete Sprachäußerung.
Jürgen Habermas hat diese Begrifflichkeit um die "kommunikative Kompetenz" erweitert, und darauf baut die PRAGMALINGUISTIK auf: wir sind nicht nur in der Lage, im performativen Sprechakt den semantischen Sinn einer Äusserung zu verstehen, sondern auch den pragmatischen Verwendungszweck: mittels logischer Schlüsse begreifen wir eine Äußerung "Es zieht" als indirekte Aufforderung, das Fenster zu schließen, ohne daß dies expressis verbis gesagt wird.
Wir können eine Äusserung also als Wunsch oder Befehl verstehen, auch wenn nicht die grammatische Form des Imperativs benutzt wird. Wir können auch eine Äusserung als ironisch verstehen, d.h. wir können erkennen, daß das Gegenteil vom Gesagten gemeint ist.
Im gestischen-bzw. aktionalen Bereich können wir auch die Bedeutung einer Handlung erkennen. Dieses Erkennen beruht immer auf Erfahrung und bereits vorhandenem Wissen, so wie uns geläufig ist, daß beim kirchlichen Abendmahl das Austeilen von Hostien und Wein nicht nur eine simple Bewirtungs-Handlung ist, sondern eine mit mehrschichtiger ritueller Bedeutung.
So ist denn auch der Fallschirm-Absprung von Jürgen W. Möllemann über dem Fußballstadion nicht als simple Sportübung oder als Werbung eines Reservisten zu verstehen, sondern als Zelebrierung eines Rituals, bei der nach eigenem Verständnis und Ausleben seiner Eitelkeit Möllemann wie ein Heilsbringer auf die Fußball-Fans herniederschwebt.
RUDOLF SCHARPING als ehemaliger Vorsitzender der SPD und OTTO REHHAGEL als Trainer von Bayern München sind in ihrem jeweiligen Metier deswegen gescheitert, weil sie in dieser Mediengesellschaft keine Performer sind.
Politik, Kommerz-Sport und Entertainment haben sich jedoch längst die Begrifflichkeit einer Vulgär-Performance angeeignet, ihre Vertreter finden nur noch dann Akzeptanz, wenn sie als Handlungsreisende in Sachen Selbstdarstellung zu überzeugen vermögen.
Vor diesem Hintergrund bekommen auch die Sauftouren von Harald Juhnke einen Ritual-Charakter: sie sind nicht nur Ausleben eines Suchtverhaltens, sondern wirken inszeniert, als ob sie mit dem Bild-Reporter abgesprochen seien. Und sie enthalten denn auch alle Elemente der Tragik und der Komik wie bei einem Shakespeare-Stück. Sie holen den Star, der seinem Publikum entrückt ist, wieder in die Niederungen des Menschlichen und des Schwächlichen zurück - eben in einer Performance, die keinen Heroismus kennt und kennen kann, weshalb auf der anderen Seite auch die Möllemannschen Versuche in Sachen Heroismus in der Lächerlichkeit enden.
Der Performer arbeitet mit dem eigenen ICH, er spielt keine Rolle. Insofern ist Prince Charles von Natur aus kein Performer, denn seine Rolle wird nicht von ihm selbst, sondern durch die monarchische Tradition Großbritanniens definiert. Zum Performer wird er erst da, wo er dieses Rollenverständnis samt seinen Zwangskonventionen nicht mehr durchhält und damit eine gesellschaftliche Unantastbarkeit aufhebt.
Die kommunikativen Prozesse, die der Performer zum Publikum hin einleitet, haben nicht den Charakter einer Verkündigung. Die Handlungen eines Performers sind somit nicht die eines Priesters, denn im Unterschied zu diesem ist der Performer nicht an die Befolgung einer Liturgie gebunden.
In der liturgischen Gerinnung würde sich die Intensität einer Performance Handlung verlieren. In der Performance haben immer die kleinen, einfachen, banalen Gesten die größte Eindringlichkeit:
Mit einem Stab an den Lamellen eines Heizkörpers entlang fahren und dadurch Geräusche zu erzeugen.
Das Binden eines Krawattenknotens.
Einen Löffel Suppe essen.
Mit einem Billiardstock, eine Zigarettenschachtel umstoßen.
Ein Radio einschalten.
Mit einem Stück Brikett über den Fußboden schaben.
Kaffeebohnen zertreten.
Die Direktkeit solcher Handlungen hat nichts mit Brechtschem Verfremdungstheater zu tun. Die Verweise einer Performance-Handlung sind weitaus weniger metaphorischer Natur, als oft angenommen wird.
Ein Performance-Künstler aus Singapore trat in Düsseldorf auf und erklärte dem Publikum, er habe während seines Auftritts Zigaretten und Kaugummi gekaut, weil in seiner Heimat drastische Strafen verhängt werden, wenn man öffentliche Räume mit zerkautem Kaugummi und Zigarettenkippen verschmutzt. Dies war der einzige Grund zum Einsatz dieser Mittel.
Es gibt ein Fluxus-Stück von Georg Maciunas, bei dem an jede Person im Publikum zwei Luftballons verteilt werden. Wenn diese dann aufgeblasen werden und ein Ballon in jede Hand genommen wird und auf Kommando alle die Ballons aneinander hauen oder auf die Oberfläche klopfen, ergibt sich bei etwa 30 oder 50 Teilnehmern in einem nicht zu großen Raum ein Geräusch, welches einer allein mit zwei Luftballons nicht erzielen könnte. Es geht nur darum, gemeinsam dieses Geräusch zu erzeugen.

Die Absichten einer Performance-Handlung sind nicht zweckgerichtet. Als absurd werden sie oft nur deshalb empfunden, weil für manche im Publikum kein Bezug zum System der Alltagslogik oder kein rationaler, kausaler Zweck erkennbar ist: man geht irgendwo hin, um dort auch anzukommen, man ißt etwas, um satt zu werden. Geht man jedoch los und kehrt ohne vernünftigen Grund kurz vor Erreichen des Zieles wieder um, oder bestellt man sich im Restaurant nach einer durchaus sättigenden Mahlzeit noch ein Menue und läßt es dann stehen, dann gilt das als absurd.
Ob etwas jedoch absurd ist oder nicht, kommt auf den Standpunkt des Beurteilenden an und seine Fähigkeit, eine Kompatibilität mit einer gesellschaftlichen Norm zu erkennen oder nicht zu erkennen.
Für mich jedoch ist es in höchstem Maße absurd, wenn Jürgen W. Möllemann über einem Fußballstadion mit einem Fallschirm abspringt. Andere sehen darin einen gelungenen PR-Gag, und wiederum andere trauen - ich sagte es schon - gerade Möllemann noch viel absurdere Dinge zu.
Die Performance wird in ihrer Begrifflichkeit und in ihrer Bedeutung ENTWERTET, wenn Sie UNTERHALTUNGSKULTURELL ausgeschlachtet wird.
Es können jedoch im außer-künstlerischen Bereich Handlungen stattfinden, die Performance-Charakter bekommen.
Da gibt es einen Mann aus einem Vorort von Köln, der sich um Auftritte in jeder Fernseh-Talkshow und jeder Game-Show bemüht, und der auch schon Dutzende solcher Auftritte bei allen möglichen Sendern hinter sich hat: er kann zu jedem Thema etwas sagen, macht jedes Spiel mit und geht jede Wette ein. Bei dem Überangebot dieser Sendungen mangelt es inzwischen an Kandidaten, und so hat er fast mit jeder Bewerbung eine Chance, vor allem, da er sich durchaus originell zu geben vermag.
Man kann ihn also durchaus als eine Art Performer ansehen, auch wenn er selbst sich nicht als solcher begreift. Denn auf die Frage, weshalb er nach solchen Auftritten giere, meinte er nur, er sei Frührentner und habe nichts anderes zu tun, außerdem sei es doch ganz reizvoll, sich mit TV-Stars wie Harald Schmid, Alfred Biolek oder Thomas Gottschalk zu umgeben.Und er schafft es, sich nicht vom Medium benutzen oder knechten zu lassen, sondern das Medium für sich und seine Zwecke einzusetzen.
Es ist die HALTUNG, die bestimmten Handlungen im außer-künstlerischen Bereich eine performancehafte Komponente verleiht. Einen Marktschreier, der vor dem Kaufhaus-Eingang Räucheraale oder Küchenreiben anpreist, würde ich nicht als Performer ansehen, da seine Rhetorik rein verkaufsstrategischer Natur ist, sich seine Haltung damit wesentlich von jener des fernsehgeilen Frührentners unterscheidet: der Marktschreier bewegt sich immer noch innerhalb gängiger Handlungsnormen, die für seinen sozialen Rahmen typisch sind, der fernsehgeile Frührentner und Möllemann hingegen nicht.
Ein vergleichbarer Unterschied besteht zwischen der TRAVESTIE-Show im Varité und dem TRANSVESTITENTUM als jeweils individuelle Durchlebung einer spezifischen Geschlechterrolle im Alltag. Im einen Fall ist es die theatralisch inszenierte Show mit alle dem Bühnen-Genre eigenen Illusionismen, im anderen Fall die Selbstdefinition von IDENTITÄT und PERSÖNLICHKEIT.
Performance-Handlungen sind im wesentlichen an solche IDENTITÄTS-FAKTOREN gekoppelt, und das unterscheidet sie von bloß zirzensischen Eskapaden, wie sie MARIO BASLER, NORBERT BLÜHM, MARKUS LÜPERTZ oder UDO LINDENBERG bieten. Harald Juhnke hingegen: Lebt wirklich in und mit der Identität des tragischen Alkoholikers, der diese öffentlich auslebt, ebenso, wie die Identität Möllemanns aufgrund offenkundiger neurotischer Schwächen zu absurden Zwangshandlungen führt, in denen sich sein wahres ICH offenbart.
Allerdings unterscheiden sich die Handlungsmuster von Juhnke und Möllemann qualitativ voneinander:
JUHNKE setzt den eigenen KÖRPER als Mittel ein; die PHYSISCHE Extremität seiner Exzesse ist Voraussetzung entsprechender Medien-Präsenz, während MÖLLEMANN eher ein VIRTUELLES PHÄNOMEN ist. Anders ausgedrückt: Juhnkes Aktivismus und Aktionismus ist und bleibt in höchstem Maße MATERIELL, er benutzt ja auch Alkohol als MATERIAL, während sich Möllemann in den Meldungen über ihn IMMATERIALISIERT.
Daher wäre in der Philosophie Juhnke ein Anlaß zu ONTOLOGISCHER Betrachtung, Möllemann hingegen weckt eher ein PHÄNOMENOLOGISCH orientiertes Erkenntnisinteresse.
In den Witzen, die ein Straßenbahnfahrer während der Fahrt über Bordmikrophon seinen Fahrgästen erzählt, offenbaren sich Ahnungen, daß sein Leben auch hätte anders verlaufen können.
Höchst eigenartige Orte in dieser Zeit sind Bodybuilding-Studios, in denen den Idealen der antiken Skulpturen nachgeeifert wird - Herkules vergibt leihweise dopingunterstützte Illusionen von Identität.
Ballonverkäufer auf dem Rummelplatz machen nur bei schönem Wetter gute Geschäfte.
Die Zeugen Jehovas stehen immer nur stumm vor dem Mc Donald´s und bieten ihre Traktate feil. Dieses stumme Verharren ist ihr Markenzeichen. Es garantiert ihnen einen hohen Wiedererkennungswert und ist dem Möllemannschen Gebaren diametral entgegen gesetzt, soll aber zum gleichen Ergebnis führen.
50% aller Toilettenmänner lösen während der Arbeitszeit Kreuzworträtsel. Das gehört zum Ritual wie die Groschen, die man auf ihr Tellerchen klimpern läßt. Im früheren Lokal "Santa Marlena" auf dem Hohenzollernring bestand der Zugang aus halbhohen hölzernen Schwingtüren wie in einem Western-Saloon, und es waren zumeist die als Zuhälter Erkennbaren unter den Gästen, die mit breitbeinigem Cowboy-Gang von der Toilette zurück kamen. Auch ein Ritual
Im Karneval hatte sich ein Pfarrer als Priester verkleidet
In vornehmen Restaurants kann der perfekte Service eines Kellners furchteinflößend sein.
Der deutsche Hausmeister liebt Auftritte, in denen er Zurechtweisungen aussprechen kann. Dabei kann er die Ausübung von Macht genießen. Nichts, fürchtet er mehr, als daß es keine Anlässe zu Zurechtweisungen mehr geben könnte, weil er sich dann machtlos fühlen würde. Er verwechselt diese Machtausübung mit Freiräumen. Da er nicht in Freiräumen lebt, führt er auch keine Performances auf.
Der FREIRAUM der Performance definiert sich über die Verfügbarkeit bezüglich der Bedingungen des eigenen Handelns.
Das Wartezimmer einfach verlassen, wenn man keine Lust mehr hat, zu warten.

(Copyright-Vermerk: Externe Verwendung und Vervielfältigung des Textes, d.h.außerhalb der "Performance Konferenz" nur mit ausdrücklicher Genehmigung.)

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- Ingeborg Broska: Fluxus-Frauen

INGEBORG BROSKA
F L U X U S F R A U E N

Vor ca. 30 Jahren wurde in Aachen bei der Eröffnung einer Fluxus Ausstellung eine Rede auf dem Kopf stehend gehalten. Wir sind inzwischen schon weiter und Wiederholungen in der Kunst geschehen ja meist ungewollt! Deshalb stellte ich mir vor, daß heute, während ich rede, das Publikum auf dem Kopf stehen soll. Damit wäre schon ein Fluxuskriterium erfüllt: Demokratie in der Kunst [jede/r kann Kunst machen - wie auch schon Yoko Ono in den 60er Jahren sagte (Yoko Ono „Grapefruit“, Japan ´64)]
Die Idee des Fluxus wurde lange vor der Fluxusbewegung in der Kunst geboren. Fluxus bedeutet soviel wie Strömen bzw. Fließen. Von Fluxus als Kunstrichtung sprach man erstmalig in den 60er Jahren, als Kunst sich weg von den bis dahin tradierten Normen bewegte: ephemehre -vergängliche Kunst trat in den Vordergrund. Mit der Erfindung der Kommunikationsmedien wurde es möglich, ein Kunstereignis “multimedial” festzuhalten.
Fluxusbewegungen entstanden aufgrund neuer Weltanschauungen parallel in den verschiedensten Ländern der Erde gleichzeitig (Europa, USA, Japan etc.).
Verwirrung der alltäglichen Betrachtungsweise, kritische künstlerische Hinterfragung, politisches Engagement in der Kunst wurden zunehmend wichtiger. Zugleich wurde eine bewußte Einheit von Kunst und Leben angestrebt. Die einzelnen Kunstformen z. B. Musik, Film, Video,Theater, bildende Kunst, Literatur, Photografie etc. sollten integriert werden.
Die Kunst wurde “vom Sockel” bzw. von der Wand heruntergeholt. Performances, Happenings, Aktionen traten anstelle der üblichen Vernissagen.
Die Geburtsstunde des Fluxus wird heute im Jahr 1962 gesehen, beim ersten Fluxusfestival in Wiesbaden. Im “Fluxeum” leben und arbeiten seit damals ständig Künstlerinnen und Künstler. Die Einheit von Kunst und Alltag wurde gemäß der Fluxusidee wieder verwirklicht - orientiert an frühen Lebensformen vor der Industriellen Revolution.
Man streitet sich heute darüber, wer das Wort “Fluxus”erfunden hat.
Experimentelles Forschen, Geschichtsbewußtsein, Verspieltheit, Humor, Spaß, Lebendigkeit. Sparsamkeit der Mittel...... sind weiterhin typisch für Fluxuskunst, ebenso die Einbeziehung des Zufalls in ein Kunstereignis (Ken Friedmann in “Fluxus subjektiv”, Katalog der Galerie Krinzinger, Wien 89/90).
Heute weiß man (frau), daß ein wichtiges Fluxuskriterium Demokratie in der Kunst - insbesondere für Künstlerinnen, nicht verwirklicht wurde. Das Phänomen, daß Künstlerinnen in der Öffentlichkeit meist außen vor blieben, war in fast allen Ländern, in denen Fluxusbewegungen entstanden zu beobachten (Jon Hendricks, Fluxusexperte, meint, in Deutschland war dies besonders der Fall).
War das Prinzip des Zufalls schuld daran?
Der Titel meines Vortrages lautet: Frauen im Fluxus. Erst beim Lesen des Programms fiel mir auf, daß dort von “Fluxusmännern” die Rede ist. “Fluxuskünstlerinnen” hätte die Überschrift heißen sollen. Selbst fortschrittlichen partnerschaftlichen Programmgestalter/Innen können solche Fehler unterlaufen. Hätte sich bis heute nichts geändert, stände ich nicht hier....
Frauen im Fluxus gab es wahrscheinlich genausoviele wie Männer, jedoch traten sie außer wenigen Ausnahmen, auf die ich gleich noch zu sprechen komme, kaum oder garnicht in Erscheinung.
Bei der Durchsicht von Fluxusliteratur stellt man sehr schnell fest, daß kaum Frauen bei öffentlichen Aktionen zu sehen waren. Das ist logisch, denn sie waren im Hintergrund (Küche) damit beschäftigt, die kommunikativen Vorraussetzungen für die “Soziale Plastik" zu schaffen (Schnittchen, Häppchen, Drinks, und vieles mehr). Ein neuer Kunstbegriff wurde kreiert: die assoziale Plastik. "Ein Tritt in die Fettecke!"
Zitat: Mary Bauermeister 1986:
"...... was war da alles noch an geistigen Kräften, die daran glaubten, unsere Gesellschaft verändern zu können.” Wie Paik einmal sagte, “Ich werde bekannt als Künstler, das ist der Weg für mich, aber ich werde dann der Menschheit helfen, Änderungen herbeizuführen” (Mary Bauermeister, 30. 4. 1986.
".... Ich mietete ein großes Atelier... dieses Atelier wurde automatisch auch der Wohnraum von allen, alles lag voller Matrazen... Ich habe (im Nachhinein wird bewußt, daß die gesponsorten nur Männer waren) alle ernährt und finanziell durchgezogen” ... Ich bin wie ein Hausierer mit meinen Bildern von Haus zu Haus gegangen.
In Mary Bauermeisters Atelier traf sich damals die Avantgarde aus Musik und Kunst. Ohne sie wäre eine solche Szene damals nicht entstanden.
Bei einem Besuch in Ihrem Atelier sagte sie mir, daß sie zwar in Amerika in fast jedem wichtigen Museum vertreten sei, jedoch in keinem einzigen deutschen (sobald das Frauenmuseum Bonn zu Geld kommt, wird sich dies ändern).
Aber wir können hoffen (s. Paik).
Von 18,5 Kilo Fluxusliteratur, die ich hier in meinem Wäschekorb mitgebracht habe, sind immerhin 0,4 kg dabei, in der über Künstlerinnen berichtet wird. Bei 1,03 lfm Dokumentation sind 2,5 cm denselben gewidmet. In Kilo, Metern oder beim Zählen auf den Dokumentationsfotos komme ich immer auf 1 bis 2 %.
Seit 12 Jahren arbeite ich im Frauenmuseum Bonn und es ist mir ein besonderes Anliegen Fluxuskünstlerinnen vorzustellen. Ich betätige mich sozusagen als Fluxuskunstarchäologin, denn oft ist es sehr schwierig, vergessenen Künstlerinnen auszugraben. Künstlerinnen sollen ja auch Forscherinnen (insbes. der Frauengeschichte) sein, wollen sie etwas bewußtmachen.
Seit vielen Jahren taucht immer wieder die Frage auf, was denn überhaupt der Unterschied zwischen “Frauen” und “Männer”-Kunst sei.
2 Beispiele:
Jürgen Klauke mit Putzeimer auf dem Kopf (er sieht nichts mehr.) Ein Beitrag zum Jahr der Frau ("Rund ums Essen" - Katalog Kunst u. Museumsverein Wuppertal, Hrsg. Ulrike Ottinger, ´87).
Rita Preuss mit Kochtopf auf dem Kopf und Petersilie im Mund... dieses Bild heißt “Selbst mit Kochtopf” (Katalog, Rita Preuss).
Umwickelt ein Künstler einen Baum mit Windeln, weckt dies andere Assoziationen als wenn das Gleiche eine Künstlerin, die selbst Kinder geboren hat und jahrelang Windeln wusch, dies tut. Das Ergebnis ist ästhetisch gleich... Der Kontext, in dem eine Arbeit entstand, ist doch interessant! Kunstkonsument/Innen können sich alles unreflektiert an die Wand hängen, aber reicht das aus? Die Verbindung zwischen Haushalt (Alltag) und Kunst wurde immer schon von Künstlerinnen vollzogen, blieb unbeachtet bis Künstler diesen Bereich okupierten (sponsert by my housewife).
Von Künstlerinnen bleiben oft nur Kochrezepte übrig (Heldinnenfriedhof - Grabsteine mit Kochrezepte).
Über den künstlerischen Tellerrand hinausschauend, wurde im Frauenmuseum 1993 eine Ausstellungsreihe “Fluxus-Künstlerinnen" im Frauenmuseum gestartet.
Im Jahr 1985 hatte Mary Bauermeister im Frauenmuseum, sozusagen als Vorläuferin, eine Einzelausstellung.
Ihre in den 60er Jahren entstandenen freien Textilarbeiten waren wegweisend für die Kunst und werden heute immer wieder von anderen Künstlerinnen und Künstlern nachempfunden. Seit den siebziger Jahren, beschäftigt sich die Künstlerin mir "Grenzwissenschaften, Heilung, Symbolen, Farben und deren Energien."
Meine Auswahl der Fluxuskünstlerinnen, entstand aufgrund ihrer Zusammenarbeit mit dem Frauenmuseum oder anderer befreundeter Museen bzw. Institutionen, persönlicher Kontakte oder besonderem künstlerischen Interesse an deren Werk.
Die folgenden Künstlerinnen waren bereits mit Einzelaustellungen im Frauenmuseum oder werden dort in der erwähnten Austellungsreihe bis zum Ende dieses Jahrzehnts ausstellen.
Yoko Ono
Sehr lange bevor ich Yoko Ono als Künstlerin kennenlernte, fand ich ein Kunstwerk von ihr, welches mich bis heute faszinierte: “a hole to see the sky through” ´71. Ihre Ausstellung “color fly sky" (Ein Teil dieser Ausstellung ist noch als ständige Ausstellung im Frauenmuseum zu sehen) zeigte Objekte, Photos, Schriften und Filme aus den 60er bzw. 70er Jahren. Ihre Arbeit als Sängerin und Komponistin wurde miteinbezogen.
1962 machte sie als erste eine Austellung in Tokio, die nur aus Wandschriften und Musik bestand.
Diese Repräsentation erregte großes Aufsehen, warf sie doch alle bis dahin tradierten Vorstellungen von Kunstereignissen über Bord.
Sie arbeitete mit Free Jazz Musiker/Innen zusammen, bevor sie als bereits international bekannte Avantgarde-Künstlerin mit John Lennon ab 1966 zahlreiche Aktionen gegen den Krieg inszenierte.
Yoko Ono gehört zu den aktivsten eigenständigsten progressivsten Künstlerinnen der Fluxusgeneration in den Bereichen Bildende Kunst, Musik, und Film bzw. Video.
12 Jahre nach dem Tod ihres Mannes John Lennon, wurde sie in einigen Medien vor ihrer Ausstellung im Frauenmuseum immer noch als “Witwe” angekündigt. Für eine solche Negierung einer eigenständigen Künstlerinnenpersönlichkeit, gibt es keine männlichen Gegenbeispiele.
Natalia LL
aus Polen kam als nächste Fluxuskünstlerin im November 95 ins Frauenmuseum. Sie ist (nach Dr. R.-Misselbeck) die bedeutendste und international renommierteste Künstlerin Polens. Bereits in den 60-er Jahren füllten Dokumentationen ihrer "Consumption art” die Seiten internationaler Kunstzeitschriften.
Ein grundlegendes Prinzip ihrer Arbeit ist, daß ihre Fotografien keine Wirklichkeit abbilden sondern Fiktionen sind - ein konzeptionelles Vorgehen, in der das Medium Fotografie stellvertretend für andere künstlerische Aussagen eingesetzt wird ("Natalia LL“ - Katalog Dr. R. Misselbeck, Köln ´94)
Die Ausstellung von Natalia LL sorgte mehrmals für Aufregung bei verschiedenen Besucher/Innen. Die Banane, aus der “consumption art” aus den 60ern wurde zu unrecht nur als phallisches Relikt bezeichnet, denn sie ist ja nun mal weiblich!
Natalia LL’s schwarz weiße grafische “Altardecken” (dies ist nicht die Bezeichnung der Künstlerin) - entpuppten sich bei näherem Hinsehen als hocherotische Arrangements, welche die ganze Scheinheiligkeit einer Gesellschaft entlarven.
Tod und Erotik wurden hier humorvoll sarkastisch miteinander verbunden.
Eine Performance zum Nibelungenlied mit musikalischen Elementen aus der gleichnamigen Wagner-Oper verwirrte Besucher und Besucherinnen völlig - hier wurde heldenhaftes persifliert. Schade, daß für soviele Bewußtseinserweiterung Presse und Publikum oft nicht sensibel sind. Das Werk von Natalia LL ist wegweisend.
Marianne Tralau
ordnete sich selbst nie als Fluxuskünstlerin ein. Dies geschah zum erstenmal durch das Fluxeum in Wiesbaden.
Nach Ihrem Kunststudium, als Gobelinweberin ausgebildet, hat die Künstlerin eine sehr intensive Beziehung zu Textilien, insbesondere zur Wäsche. ”Indem die Wäsche ins Museum kommt, emanzipiert sie sich”, sagt Marianne Tralau. In unserer Gesellschaft ist die Hausarbeit ja weitestgehend unsichtbar geworden, und somit auch die Verdienste derjenigen, die sie verrichten.
Marianne Tralau gründete 1985 die KAOS Galerie in Köln. Ein kommunikativer kooperativer progressiver Ort der “anderen Art”. Jährliche Themenausstellungen der KAOS Galerie sorgen für “frische Luft”, so die Gründerin, in der Kölner Kunstszene.
Carolee Schneemann
aus New York setzt die Fluxusreihe im Frauenmuseum im Frühjahr 1997 fort. Sie war Tänzerin, bevor sie mit Fluxuskünstler/Innen zusammenarbeitete. 1967 veranstaltete sie ihr legendäres “meat joy erotik”: rohe Fleisch wurde in Verbindung mit Erotik gesehen. “Sie stieß zu“ Urzeitlichem und zu den Grundschichten der menschlichen Psyche vor” ("Fluxus-Virus" - Katalog der Galerie Schüppenhauer vom Fluxusereignis 1992 in Köln im Parkhaus am Neumarkt).
Ein Statement über Fluxus von ihr liegt meinem Vortrag bei.
Takako Saito
ist vom Anfang der Fluxusbewegung über den “Tod des Fluxus” (s. Performance von Al Hansen mit gleichn. Titel) - so es den überhaupt gibt, bis heute in der Kunstszene ständig präsent. Sie verzeichnet kontinuierliche Ausstellungs- und Performancetätigkeit über dreieinhalb Jahrzehnte hinweg in allen Kontinenten. In der Galerie v.d. Milwe in Aachen machte sie unlängst eine “3 Sekunden Performance”. Sie ist Erfinderin des "You and me - Shops", eine kommunikative Art des künstlerischen Austausches. In Venedig bei der Biennale ist sie regelmäßig vertreten. Takako beteiligt sich an weltweiten Friedensaktionen. Vor 2 Jahren gab sie ihre persönliche Zeitung “bullshit” heraus.
Takako Saitos Ausstellung ist im November 1997 im Frauenmuseum zu sehen.
Gerne würde ich noch über die weiterhin geplanten Austellungen der Fluxuskünstlerinnen sprechen, jedoch glaube ich, daß in diesem Rahmen die Zeit zu knapp ist.
Weitere der sind gewidmet:
Alison Knowles (New York), Bobby Baker (London), Concha Jerez (Madrid), Mieko Suomi (New York), Kubota
Für Anregungen zur Erweiterung meines Fluxushorizontes bin ich dankbar.......
Über die Gründe, warum Fluxuskünstlerinnen (nicht nur in der Literatur ... sondern auch in Museen, Kunstzeitschriften, Galerien etc.) unterrepräsentiert sind, und das trifft ja nicht nur für diese Kunstrichtung zu, sondern auch generell in der Kunst sowie auch in fast allen anderen Berufen fehlen in den Spitzenpositionen meist Frauen:
zb.
- kein kontinuierliches Arbeiten aufgrund abgebrochener Berufsausbildung (familiäre Strukturen hindern daran entsprechende Abschlüsse zu machen)
- arbeiten mit Lebenspartnern und dabei Vernachlässigung der eigenen beruflichen Entwicklung (Zuarbeit für den Partner)
- falsche Bescheidenheit/zuwenig Selbstbewußtsein, fehlendes Management und daraus resultierende Nichtbeachtung in den Medien
- Zurückhaltende Einstellung der Medien oder Institutionen gegenüber Künstlerinnen (wirtschaftliche Gründe - Familienphase, konventionelles eingefahrenes Denken, bisweilen sogar Frauenfeindlichkeit auf männlicher und weiblicher Seite etc.......... (Jan Hoet, der Ausrichter der letzten Dokumenta behauptet in einer Diskussion mit demonstrierenden Künstlerinnen, er habe “keine” (Künstlerinnen) finden können und einige wären schon gestorben. Ich hörte es selbst. Immerhin waren es aber schon 17 % während seiner Organisation.)
- die Geschichtsschreibung in allen Bereichen, nicht nur in der Kunst ist männlich
Künstlerinnen gibt es genausoviele wie Künstler!
Das Kölner Künstler/Innen - Verzeichnis beweist es!
Zum Abschluß komme ich noch auf den Gabriele Münter Preis zu sprechen. Ausgelobt durch Frauenmuseum, BBK und Frauenministerium will dieser Preis Künstlerinnen über 40 Jahren, die aus den genannte Gründen z.B. nicht von den “normalen” Stipendien, die meist nur bis 35 Jahre gewährt werden, eine Chance geben. Es bewarben sich bisher ca. 4000 Künstlerinnen.
Vielen Dank.
Ingeborg Broska
Düsseldorfer Str. 21
46313 Otzenrath (Jüchen)
Heimatmuseum Otzenrath

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